Ukraines „Robocommander“ feiert High-Tech-Erfolge gegen Russland – Wirbel um mysteriöse Laser-Waffe

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Während einer Sitzung des Europäischen Rates macht Wolodymyr Selensky am Podium mit beiden Händen eine beschwörende Geste.
Geübt auf der großen Bühne: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj tourt häufig durch den Westen, um die Nato-Länder davon zu überzeugen, ihre Waffenarsenale für ihn zu plündern. Aktuell verkündet eine seiner Einheiten per Video, dass sie in Charkiw wieder erfolgreich die Initiative ergriffen habe. © IMAGO / Nicolas Economou

Laserwaffen, Raketendrohnen, Videobeweise: Laut eigenen Aussagen reiht die Ukraine einen Erfolg an den nächsten, aber Russland macht weiter Boden gut.

Charkiw – „Die Ukraine gehört nun zu den Nationen, die über Laserwaffen verfügen“, sagt Wadym Sucharewskis. Der Kyiv Independent berichtet aktuell immer wieder über den Mann, den der britische Economist im Juli zum „Robocommander“ gekürt hat. Im Krieg gegen Wladimir Putins Invasionsarmee behauptet der 39-Jährige eine Stellung, die weltweit einzigartig ist: Oberbefehlshaber der unbemannten Streitkräfte der Ukraine. Wie das Magazin Defense Express berichtet, hätten seine Soldaten jetzt neuerlich mit ihren Kamikaze-Drohnen „strategische Siege in Charkiw und im Süden der Ukraine“ errungen.

Sofia Syngaivska stützt sich auf ein Video, dass die Paragon-Kompanie auf YouTube veröffentlicht haben soll. Laut dem Statistik-Dienst Militaryland gehören die Soldaten als Spezialeinheit den Geheimdienstkräften der Ukraine an. Jetzt sollen deren Kräfte unter russischen Verbänden kräftig aufgeräumt haben, wie Syngaivska schreibt: „Ein kürzlich veröffentlichtes Video unterstreicht ihren Erfolg und zeigt präzise Angriffe auf russisches Personal, befestigte Stellungen und Militärfahrzeuge. Die Operationen fanden in wichtigen Kampfgebieten in der Region Charkiw und im Süden der Ukraine statt und demonstrierten die Anpassungsfähigkeit und Effizienz der Einheit.“

Video soll im Ukraine-Krieg auf bessere Zeiten einstimmen

Das 54 Sekunden lange Video zeigt eine ganze Menge von rein gar nichts Substanziellem: anfliegende Drohnen sowie Explosionen über bereits zerbombten Gebäuden beziehungsweise getarnten Stellungen, unterlegt mit treibenden Techno-Beats. Die fehlenden Hintergrundinformationen machen jede Nachprüfung unmöglich, der Sinn des Videos kann also vermutlich nur darin bestehenden, die Ukraine im dritten Kriegswinter einzustimmen auf bessere Zeiten – auf Licht am Horizont.

Das ist unsere neue Methode der Vergeltung gegen den Aggressor. Der Feind ist besiegt. Ich danke allen, die das möglich gemacht haben. Allen Entwicklern, Herstellern und unseren Soldaten. Ich bin stolz auf euch.

Dabei vermischen sich offenbar auch durch die ukrainische Kriegspartei die Fakten mit der Fiktion: „Der Februar 2022 war für alle Schulanfang“, sagte Oberst Sucharewski dem Economist. Die ausbleibenden Erfolge russischer Panzer-Einheiten und die horrenden Verluste an Menschen und Material gegen die ukrainische Armee kleiner, billiger Drohnen taugen als Beleg dafür, dass die Ukraine ihre Hausaufgaben gemacht hat. Erst recht, wenn der Economist behauptet, die russischen Drohnen seien den ukrainischen inzwischen um das Sechsfache überlegen. Ausgefeiltere Taktiken und innovative Technik hielten die Ukraine aber weiter auf Augenhöhe, bilanziert das Blatt. Das jetzt fast drei Jahre währende Ringen zwischen selbsternannter Supermacht und dem kleinen Bruder ist ebenfalls Beweis genug.

Sucharewskis Aussage sein „Laser ist real und einsatzbereit“, wie der Kyiv Independent vermeldet, wiederum weckt Zweifel, was auch der Independent pflichtschuldig weitergibt, indem er darauf verweist, diese Behauptung ungeprüft übernommen zu haben. „Wir wollten die Ukrainer wissen lassen, dass ihre Bemühungen nicht unbemerkt bleiben, damit sie weiter Widerstand leisten“, sagte im Juni 2022 gegenüber dem US-Online-Magazin Wired Mychajlo Fedorow. Der Minister für digitale Entwicklung in der Ukraine kann mit Fug und Recht die Innovationskraft seines Landes in die Welt kommunizieren, allerdings fehlen seit dem Ende des erstens Kriegsjahres die militärischen Erfolgsmeldungen.

Land der Transformation: Ukraine als Außenposten zwischen der zivilisierten und der autoritären Welt

Die wichtigste Botschaft wird wahrscheinlich sein, dass sich die Ukraine noch immer tapfer wehren kann. Insofern hat Sofia Syngaivska recht, wenn sie im ukrainischen „Propaganda-Kanal“ Defense Express davon berichtet, die verschiedenen Einheiten können sich an die jederzeit verschärfende Lage anpassen und effizient zurückschlagen. Tatsächlich ist die Ukraine inzwischen ein Land der Transformation geworden – der politischen genauso wie der technischen, wie auch das Wadym Sucharewskis gegenüber dem Economist ausgedrückt hat: „Die Ukraine sei ein ‚Außenposten … zwischen der zivilisierten und der autoritären Welt‘, aber sie wisse nicht, was sie von ihren Geldgebern erwarten könne.“

Denn diese Geldgeber haben selbst enorme Schwierigkeiten, die Ukraine zu verorten, technisch wie politisch. Wolodymyr Selenskyj als ihr Präsident und politisches Megaphon, wird nicht müde, dem Westen vorzuwerfen, er würde mit seinen Waffen hinterm Berg halten, anstatt sie jetzt gewinnbringend einzusetzen. Der Preis sei weniger der Kampf um die an Russland scheinbar verlorenen Territorien der Ukraine oder deren Bestreben nach Westanbindung, sondern der Lohn winke darin, Wladimir Putins globalem Machthunger frühzeitig die Zähne zu ziehen. Gleichzeitig stellt er im eigenen Land entwickelte Waffen vor im Brustton der Überzeugung, den russischen Aggressor scheinbar mit einem Handstreich vom eigenen Boden zu fegen.

„Das ist unsere neue Methode der Vergeltung gegen den Aggressor. Der Feind ist besiegt. Ich danke allen, die das möglich gemacht haben. Allen Entwicklern, Herstellern und unseren Soldaten. Ich bin stolz auf euch“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Unabhängigkeitstag der Ukraine, dem 24. August. Selenskyj sprach von Waffen einer „völlig neuen Klasse“, wie sowohl die Ukrainska Prawda als auch der Kyiv Independent berichtet haben.

Selenskyj droht mit Innovationen: Für Russland werde die „Palyanitsya“ zu einer Herausforderung

Selenskyj präsentierte eine neue Raketen-Drohne oder Drohnen-Rakete; so genau, weiß das kein Außenstehender. Für Russland werde die „Palyanitsya“ zu einer Herausforderung, meinte Selenskyj. Eine Herausforderung ist zunächst, zu bestimmen, was diese Waffe überhaupt ist: offensichtlich ein Raketen-Drohnen-Hybrid, wie Oleksandr Kamyschin zu erklären versuchte. „Es ist eine Drohne – und es ist eine Rakete, denn gemäß seiner Spezifikationen fällt das Produkt unter beide Definitionen. Es wird mehr Raketendrohnen geben, so wie es bereits mehr Langstrecken-Angriffsdrohnen gibt, deren Ergebnisse wir fast täglich sehen“, sagt der ukrainische Minister für strategische Industrien nach Angaben des Defense Express.

Die Waffe sieht aus wie eine kleine Rakete und verfügt über ein Leitwerk und schmale Tragflächen; die Palyanitsya“ scheint von einem Düsentriebwerk bewegt zu werden. Auf welches Ziel die neue Waffe inzwischen abgefeuert worden ist, bleibt ein Rätsel. Der entscheidende Durchbruch gegen Russland lässt jedenfalls auf sich warten. Fakt ist, dass zeitgleich mit der Meldung der Einsatzreife der neuen „Wunderwaffe“ durch den ukrainischen Präsidenten ein Munitionslager in der russischen Region Woronesch getroffen worden sein soll; vermutlich tatsächlich durch eine ukrainische Langstrecken-Drohne. Auf Video-Bildern von Anwohnern in Sozialen Netzwerken soll angeblich ein Düsentriebwerk zu hören gewesen sein – diese Vermutungen publizierte Defense Express.

Im Februar hatte Pavlo Kurylenko gegenüber dem britischen Telegraph gemutmaßt, diesen Sommer würden die Russen für eine Großoffensive nutzen, wenn die Ukraine nicht umgehend vom Westen weiter aufmunitioniert würde. „Das einzige, was Russlands Durchbruch an allen Fronten verhindert, sind FPV-Drohnen (First-Person-View-Drohnen), von denen 90 Prozent von Freiwilligen oder Militärdivisionen selbst bereitgestellt werden“, sagte der Oberstleutnant und Kommandeur der ukrainischen Präsidentenbrigade.

Das aktuelle Bild der Ukraine: das eines kleinen Landes, das von einem mächtigen Nachbarn schikaniert wird

Tatsächlich sind inzwischen wieder frische Waffen gekommen und tatsächlich hat sich die Lage zugespitzt. Auch der Rückzug an den Fluss Dnipro, den Kurylenko prophezeit hatte, hat die Ukraine befehlen müssen – was aber den Russen auch keinen Vorteil verschafft, sondern eher zum Stillstand zwingt. Die neuesten Durchhalteparolen aus Charkiw, die über das Magazin Defense Express jetzt so beweis- und damit so kraftlos verbreitet werden, wirken dadurch befremdlich. André Liebich beispielsweise kritisiert eben diese ukrainische Darstellung der Kriegsrealität.

Der Professor des Geneva Graduate Institute sieht als „treibende Geist des Informationskriegs um die Ukraine“ tatsächlich Selenskyj. Eine durchaus diskutable These des Wissenschaftlers der Schweizer Hochschule für globale Themen, allerdings scheint Liebich suspekt, dass Selenskyj weiter daran festhält, „das gesamte ukrainische Territorium zurückzuerobern, einschließlich der Krim, die 2014 von Russland annektiert worden war“, wie er schreibt. Auch wenn der ukrainische Präsident weiter darauf wartet, den Westen von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihre Arsenale für ihn zu plündern, sieht Liebich in dem ehemaligen Schauspieler Selenskyj denjenigen, der scheinbar die Deutungshoheit über den Ukraine-Krieg innehat, wenn er behauptet:

„Das Bild, das er vermittelt – das eines kleinen Landes, das von einem mächtigen Nachbarn schikaniert wird – hat in der westlichen öffentlichen Meinung sicherlich Anklang gefunden.“

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