Krieg mit Russland an NATO-Nordflanke nicht mehr abstrakt: „Dort baut man bereits Bunker“

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Kurz vor Putins Rede zur Lage der Nation ändert sich die Rhetorik in den NATO-Staaten. Ein Krieg ist nicht mehr ausgeschlossen. Besonders ein Land trifft Vorkehrungen.

Oslo/Berlin – Mit der reinen Ruhe ist es vorbei im Norden. In Skandinavien und im Baltikum wächst die Sorge vor einem Angriff Russlands. Erst kürzlich hatte Carl-Oskar Bohlin, Schwedens Minister für Zivilschutz, klargemacht: „Es könnte Krieg in Schweden geben.“ Er wolle keine Angst schüren, aber die Schweden müssten sich auf eine mögliche militärische Auseinandersetzung vorbereiten.

Krieg mit Russland: „Man will die Bevölkerung vorbereiten“

„Die Rhetorik im Norden und an der NATO-Ostflanke hat sich verändert, Politiker und hohe Militärs in Schweden und Norwegen machen sehr deutlich, dass eine Verwicklung in einen Krieg nicht mehr abstrakt ist“, sagt Tobias Etzold. Er forscht am Norwegian Institute of International Affairs (Nupi) unter anderem zur internationalen Sicherheitspolitik. „Die ganz konkreten Anzeichen für einen Krieg fehlen noch. Aber man will die Bevölkerung auf Cyberattacken oder Anschläge auf kritische Infrastruktur vorbereiten“, so Etzold.

Tobias Etzold forscht vom Norwegian Institute of International Affairs in Oslo
Tobias Etzold forscht am Norwegian Institute of International Affairs in Oslo. © Peter Sieben

Schon jetzt sieht man im Norden und Osten, wie Putin Zeichen setzt: Zuletzt hatte Russland Geflüchtete an die Grenze zu Finnland schaffen lassen, um das Land unter Druck zu setzen. Und in den baltischen Staaten bereitet man sich auf konkrete Attacken vor. „Dort baut man bereits Bunker und Schutzkeller, um so viele Menschen wie möglich bei einem eventuellen Angriff in Sicherheit bringen zu können“, sagt Etzold.

NATO-Ostflanke: Große Sorge in Litauen vor einem „Pearl-Harbor-Moment“

Vor einigen Tagen erst hatte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis in einem Interview vor einem „Pearl-Harbor-Moment“ für die NATO gewarnt. Litauen könne zu den ersten NATO-Staaten gehören, die Putin angreifen würde. „Ein Angriff auf das Baltikum ist ein absolut realistisches Szenario“, sagte jüngst Florian Hahn, der verteilungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, bei einem Pressegespräch in Berlin. Denn Russland ist offenbar nicht nur in der Lage, den Verbrauch an Material aus dem Ukraine-Krieg nachzuproduzieren und auszugleichen, sondern kann inzwischen auch Depots wieder auffüllen. „Das heißt, der Zeitraum nach einem Ukraine-Krieg, in dem Russland befähigt ist, auch das Baltikum anzugreifen, ist deutlich verkleinert worden“ so Hahn.

Derweil ist das Wettrüsten wieder in vollem Gange und die NATO-Staaten demonstrieren Einigkeit. Erinnerungen werden wach an Zeiten, von denen man gehofft hatte, sie hätten sich ein für allemal erledigt. „Man kann durchaus von einem neuen Kalten Krieg sprechen“, sagt Experte Tobias Etzold. Es gebe erneut zwei Blöcke, keine Kooperationen mehr mit Russland und eine massive Aufrüstung auch im Westen. „Und neuerdings gibt es Forderungen, Europa wieder verstärkt mit Atomwaffen auszustatten. Das sind Muster, die wir aus Zeiten des Kalten Kriegs kennen.“ Ein großer Unterschied: „Anders als früher tobt gleichzeitig ein heißer Krieg mitten in Europa.“

Putins Rede zur Lage der Nation: „Nervosität im Westen nimmt zu“

Am Donnerstag wird der russische Präsident Wladimir Putin seine Rede zur Lage der Nation halten. Konkret über Kriegspläne wird er sich kaum äußern, aber viele Beobachter werden auf Vorzeichen achten. „Die Nervosität im Westen nimmt zu, man wird auch im Norden und Osten sehr genau zuhören, wenn Putin seine Rede an die Nation hält“, sagt Etzold.

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