„Leere Tankstellen oder kalte Wohnungen“: Energiepreise in Deutschland steigen bald drastisch

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Der Preis für CO₂ ist vielen Bürgern unbekannt, obwohl er die zukünftigen Energiekosten bestimmt. Eine aktuelle Untersuchung hat prognostiziert, wie teuer das Wohnen ab 2027 sein könnte.

München – Die Heizkosten im kommenden Winter werden geringer ausfallen als noch in den Krisenjahren 2022 und 2023. Das hat die Beratungsgesellschaft CO2online in dieser Woche bekanntgegeben: Demnach erwarten sie einen Rückgang der Heizkosten um ungefähr ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr. Eine Ausnahme bildet die Fernwärme: Hier rechnen die Experten mit rund 21 Prozent höheren Kosten. Mögliche Gründe dafür seien intransparente Preise und eine unzureichende Regulierung des Marktes, so die Beratungsgesellschaft.

Energiekosten werden in den nächsten Jahren deutlich steigen

Allerdings sollte diese Entwicklung nicht als generelle Prognose für die kommenden Jahre verstanden werden. Denn Heizen wird in den kommenden Jahren wieder sehr teuer werden, wenn fossile Energieträger im Spiel sind. Das liegt am CO₂-Preis beziehungsweise dem Emissionshandel, der ab 2027 in eine entscheidende Phase eintreten wird.

Aktuell wird der CO₂-Preis von der Bundesregierung festgelegt. Seit dem 1. Januar 2024 liegt der Preis bei 45 Euro pro Tonne CO₂, ab 2025 steigt der Preis dann auf 55 Euro pro Tonne. 2027 wird er dann nicht mehr politisch festgelegt, sondern bildet sich am freien Markt anhand von Angebot und Nachfrage.

Das bedeutet: Wer fossile Energien auf den Markt bringen will, der braucht ein Zertifikat, der ihm das erlaubt. Diese CO₂-Zertifikate sind sozusagen der Freifahrtschein für das Ausstoßen von schädlichen Treibhausgasen. Doch von diesen Zertifikaten gibt es nur eine begrenzte Anzahl, und jedes Jahr wird diese Zahl verringert. Wenn die Gesellschaft aber weiterhin sehr viele Zertifikate braucht, weil sie weiterhin sehr viel CO₂ ausstößt, dann werden die Freifahrtscheine teuer.

Dieses System soll den Anreiz zum Wechsel auf erneuerbaren Energien, für die man logischerweise keine CO₂-Zertifikate braucht, erhöhen. Die EU beschlossen diesen Pfad bereits im Jahr 2005.

CO₂-Preis ab 2027 schwer zu schätzen: Erwartet wird aber ein Schock

Es ist sehr schwer abzuschätzen, wie teuer eine Tonne CO₂ ab 2027 in der EU kosten wird – schließlich kommt es ganz darauf an, wie weit wir bis dahin mit dem Klimaschutz gekommen sind. Dennoch versuchen Forscher und Forscherinnen genau das immer wieder zu untersuchen. So auch jetzt wieder das Münchner Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. (FIW) im Auftrag des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle e.V. In ihrer Studie warnt das FIW, dass in Deutschland die Energiewende nicht schnell genug vorankommt und daher ab 2027 der Schock droht.

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Dampf steigt aus einem Heizkraftwerk in Berlin am Morgen auf. Im Hintergrund steht der Fernsehturm. © Sebastian Gollnow/dpa

Die Sanierungsquote liegt demnach bei 0,7 Prozent, dabei müsste sie bei 2 Prozent liegen. Die Nachfrage nach Wärmepumpen ist eingebrochen und auch Elektroautos kommen in Deutschland nicht vom Hof. Das Institut erwartet daher, dass Wohnen und Autofahren für ärmere und vulnerable Menschen unbezahlbar wird. „Aber auch Vermieter von Gebäuden mit hohem Verbrauch und damit hohem Anteil an den CO₂-Kosten können einen signifikanten Anteil ihrer Mieteinnahmen verlieren“, schreibt der Forscher in der Studie.

Darüber hinaus sei es realistisch, dass einige Inverkehrbringer von fossilen Energien (also Tankstellenbetreiber aber auch Energieversorger) nicht in der Lage sein werden, genügend Zertifikate zu erwerben, um die Nachfrage durch ihre Kunden auch zu bedienen. „Das könnte in der Praxis leere Tankstellen oder kalte Wohnungen mangels Zertifikate bedeuten“.

Tabelle zeigt: Kosten für Gas und Heizöl werden sich vermehrfachen

Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen hat Studienautor Professor Dr. Andreas Holm berechnet, welche Mehrkosten auf Verbraucher und Verbraucherinnen zukommen, je nachdem wie sich der CO₂-Preis entwickelt:

CO2-Preis (brutto) CO2-Preis inkl. Mehrwertsteuer Mehrkosten für Gas Mehrkosten für Heizöl
45 Euro/Tonne 53,55 Euro/Tonne 1,08 Cent/kWh 0,14 Euro/Liter
55 Euro/Tonne 59,50 Euro/Tonne 1,20 Cent/kWh 0,16 Euro/Liter
65 Euro/Tonne 77,35 Euro/Tonne 1,55 Cent/kWh 0,20 Euro/Liter
100 Euro/Tonne 119,00 Euro/Tonne 2,39 Cent/kWh 0,31 Euro/Liter
150 Euro/Tonne 178,50 Euro/Tonne 3,59 Cent/kWh 0,47 Euro/Liter
200 Euro/Tonne 238,00 Euro/Tonne 4,78 Cent/kWh 0,62 Euro/Liter
300 Euro/Tonne 357,00 Euro/Tonne 7,17 Cent/kWh 0,93 Euro/Liter

Bei einem CO₂-Preis von 100 Euro pro Tonne CO₂ würden sich die Kosten für Gas also mehr als verdoppeln, bei 200 Euro pro Tonne ist es schon eine Viereinhalb-Fachung der Kosten. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Heizöl, dass bei einem CO₂-Preis von 150 Euro pro Tonne eine Verdreifachung der Kosten fürs Heizen bedeuten würde. Zur Einordnung: Im September 2024 liegt der CO₂-Preis auf dem europäischen Emissionshandel bei 78 Euro/Tonne – Gebäude und Verkehr spielen dabei aber noch nicht mit.

1.800 Euro mehr für die Gasheizung im Jahr: Das erwartet die Studie

In der Studie betont das FIW, dass diese Kosten höher ausfallen für Personen, die einen hohen CO₂-Ausstoß haben – also in unsanierten Wohnungen leben, die viel heizen müssen. Andreas Holm hat ebenfalls berechnet, wie die Mehrbelastung aussieht je nach Zustand des Gebäudes: „Zum Beispiel beträgt bei einem Einfamilienhaus der Effizienzklasse G und einem CO₂-Preis von 150 Euro/t die zusätzliche finanzielle Belastung im Falle Erdgas 1.800 Euro, im Falle Heizöl 2.400 Euro. Für die Wohnung in der gleichen Effizienzklasse betragen die zusätzlichen jährlichen Kosten, je nach Energieträger, zwischen 750 und 1.000 Euro“. Diese Kosten zahlen auch zum Teile die Vermieter, damit Mieter nicht alleine mit den Kosten leben müssen.

Ein Einfamilienhaus in der Klasse B hingegen würde im gleichen Szenario seinen Berechnungen zufolge nur 550 Euro mehr für Erdgas und 725 Euro für Heizöl zahlen müssen. Das zeigt die Bedeutung von Sanierungen der Gebäude, um die Kosten ab 2027 zumindest zu reduzieren.

CO₂-Preis betrifft auch Benzin und Diesel: 38 Cent pro Liter mehr ab 2027

Übrigens steigen die Kosten nicht nur fürs Heizen, sondern auch Benzin und Diesel sollen teurer werden. Im Oktober 2023 ergab eine Untersuchung der Denkfabrik Agora Energiewende, dass Benzin zum Jahreswechsel 2026/2027 um 38 Cent pro Liter teurer werden könnte, wenn der CO₂-Preis bei 200 Euro pro Tonne läge.

Der FIW-Autor prognostiziert, dass mit dem Einstieg in den CO₂-Handel ab 2027 „große Teile der Betroffenen – der Energiekrise ab 2022 vergleichbar – nur durch den Verzicht auf Heizen und Mobilität mit fossilen Energieträgen reagieren können“.

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