„Ich frage mich, tue ich genug...?“ Habeck wirkt bei Miosga angefasst
„Überfordert die Ampel Deutschland, Herr Habeck?“, will Carmen Miosga von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Sonntagabend in der ARD wissen.
Berlin - Carmen Miosga macht auf, indem sie eine Szene beschreibt: Wenn die Heizung kaputt sei, könne der Installateur erst in drei Wochen kommen, wer krank sei, bekomme keine Antibiotika in den Apotheken und könne häufig den Arzt nicht erreichen. „Schon daran gewöhnt, an allem Schuld zu sein?“, lautet dann die erste Frage an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), mit der der Ton für den Abend gesetzt ist.
„Ich glaube, ganz so schlimm kann es nicht sein“, antwortete Habeck, „denn die ganzen Dinge, die sie genannt haben, sind ja alle keine politischen Entscheidungen gewesen. Weder, dass die Heizung kaputt geht, noch, dass es an antibiotischen Stoffen fehlt. Und der Streik ist der der Gewerkschaften. Viele haben Verantwortung.“ Wenig später meint Habeck: „Aber die Stimmung in Deutschland ist Moll, ja. Vielleicht kann ich heute ein bisschen Dur reinbringen, beziehungsweise wir gemeinsam.“
Habeck bei Miosga: Überfordert die Ampel Deutschland?
Auf diese einzelnen Fragen und Problemstellungen soll Habeck bei Miosga eingehen:
- Für welche Fehler der Bundesregierung übernimmt Habeck Verantwortung?
- Hat Habeck mit dem Wort „Sondervermögen“ für die Wirtschaft etwas ohne Wissen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) in Aussicht gestellt, das nicht finanzierbar sei? Dazu meint Habeck, durch die Debatten im Bundesrat zeichne sich ab, dass die vorgesehenen acht Milliarden für die Wirtschaft nicht finanzierbar seien. Das Wort „Sondervermögen“ sei als Einladung zu verstehen, über Parteigrenzen hinweg zu agieren. Aktuelles zur Debatte um das Sondervermögen zwischen Lindner und Habeck lesen Sie hier.
- Wie hat er die Proteste der Bauern an der Ostseefähre erlebt? „Ich dachte, das es eine Chance gibt zu reden, aber die Sicherheitslage hat das nicht zugelassen. Wahrscheinlich war das anders als sonst.“ Bisher sei es trotz Meinungsverschiedenheiten immer möglich gewesen, Argumente auszutauschen. „Das war da nicht mehr möglich. Leider.“
- Strompreis und grüne Transformation: Habeck will das Sinken der Strompreise als Erfolg verbuchen, man sei wieder beim Preis für 2021. Auch die Umstellung auf grünen Strom seien Investitionen in den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Ist der Gedanke richtig, dass wir die Kosten für den Netzausbau jetzt sofort den Verbrauchern aufbrummen? Das ist nicht notwendigerweise die richtige Antwort“, meint Habeck. „Das Problem ist, alles muss jetzt in sechs, acht Jahren passieren.“ Hier sei wieder die Frage, wie man mit den Kosten umgeht.
- Kommen Subventionen und Investitionen nur großen Unternehmen zugute, nicht dem Mittelstand? Die EEG-Umlage käme dem Mittelstand zugute, und selektiv auch kleineren Unternehmen zugute, die an der Dekarbonisierung arbeiteten und Industrie, an denen die Regierung ein strategisches Interesse habe, wie Batterien, Chips und Halbleiter. „Die Welt ist nicht fair im Moment, und spielt auch nicht nach den Bedingungen der idealen Marktwirtschaft. Die anderen großen Wirtschaftsnationen, China und die USA vor allem, geben Milliarden an Summen aus, um diese Unternehmen strategisch bei sich zu behalten. Dagegen sind wir wirklich klein unterwegs.“
- Wird das Klimageld noch kommen? „Das hängt ja erstmal davon ab, ob es kommen kann.“ Noch seien die technische Auszahlungsmechanismen nicht geklärt. „Ich finde es richtig, das Klimageld in der nächsten Legislatur einzuführen, und wenn es noch in dieser geschieht, ist es auch gut. Es ist eben nicht so einfach wie „Mach mal!““, meint Habeck dazu.
Robert Habeck wirkt beim TV-Talk mit Miosga angefasst
Habeck wirkt bei Miosga nicht so mitreißend oder motivierend wie etwa in seinem Video-Statement für mehr Demokratie und weniger Antisemitismus in Deutschland, als man ihm bereits bessere Kanzler-Qualitäten als Olaf Scholz (SPD) zugesprochen hatte. Vielleicht kommt der Eindruck, er sei zurückhaltend, aber auch dadurch zustande, dass Habeck zuhört. Er lässt seine Gesprächspartner und -partnerinnen ausreden, und ergreift erst dann das Wort, wenn man es an ihn richtet.
Und: Er lenkt, wieder staatsmännisch, den Ton immer wieder auf das Miteinander, auf die Dringlichkeit, als demokratische Parteien zusammenzuarbeiten, quer durch Regierung und Opposition.
Habeck zeigt seine Sorgen: „Ich frage mich, tue ich eigentlich genug...?“
Am Ende kommt Habeck selbst nochmal auf das Beispiel mit den fehlenden Antiobiotika zurück, und sagt, selbstkritisch und offen: „Ich frage mich, tue ich eigentlich als Wirtschaftsminister genug?“ Er spreche derzeit mit einem Unternehmen, das in Europa Antibiotika produzieren möchte, die sonst noch nicht hier produziert würden. Die Unternehmer seien aber keine Samariter, sondern wollten Geld verdienen. „Und jetzt ist meine Frage, ich habe kein Geld.... Ich weiß aber, die Welt ist, wie sie ist. Können wir uns immer darauf verlassen, dass wir das [Antibiotikum] bekommen? Das treibt mich um. Und ich frage mich, tue ich eigentlich genug, als Wirtschaftsminister in dieser Bundesregierung, um die kritischen Güter hier in Europa zu produzieren?“
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Habeck wirkt zwar teilweise angefasst, fast niedergeschlagen, aber versucht dennoch, um Lösungen und eine positive Sicht zu ringen. Das klingt in einem seiner Statements so: „Die Bundesregierung versucht, die Probleme Stück für Stück zu lösen. Und wenn es einen Grund für Optimismus gibt, dann die Strecke, die wir zurückgelegt haben. Und das ist nicht wir, die Bundesregierung, sondern wir, Deutschland. Ich will die Situation gar nicht schön reden. Aber was das Land alles geleistet hat in den letzten zwei Jahren, von Covid19, über das Abwenden der Energiekrise und das Runterbringen der Preise, und letztlich auch das Vermögen, breite demokratische Entscheidungen zu treffen und abzusichern, bis zu den Demonstrationen, die wir jetzt erleben, für das Grundgesetz. Das ist ja nicht Nichts, das ist eine gigantische Leistung, und an die sollten wir glauben.“ (kat)