Sorge vor Putins Sabotage: Nato-Achillesferse in der Nordsee
Geheimdienste warnen vor russischen Unterwasseraktivitäten in der Nordsee. Die Entwicklung könnte vor allem einem Nato-Mitglied zum Verhängnis werden.
London - In der Ostsee sind hybride Angriffe von Seiten Russlands bereits Alltag. Doch auch die Nordsee gerät immer wieder ins Visier des russischen Militärs. Provokationen, Spionageversuche und auffällige Unterwasseraktivitäten wurden von Geheimdiensten bereits beobachtet. Dies könnte neuen Informationen zufolge vor allem für Großbritannien zum Problem werden.
Wie Politico am Donnerstag (29. Mai) unter Berufung auf Verteidigungs- und Energieexperten berichtete, ist die Unterwasserinfrastruktur des Nato-Mitglieds offenbar „äußerst anfällig“ für Sabotageakte. Kritische Gaspipelines, Stromleitungen und Datenkabel seien demnach der „weiche Bauch der britischen Sicherheit“. Das Land sei einer potenziell „katastrophalen“ Sabotage durch Russland oder andere Feinde ausgesetzt.
„Wirklich besorgniserregend“: Großbritanniens Regierung nehme fragile Infrastruktur nicht ernst
Die Warnung sei im Vorfeld einer umfassenden Überprüfung der britischen Verteidigungsstrategie erfolgt, die für nächste Woche erwartetet wird. Mehrere Experten würden darin kritisieren, dass die Regierung das Problem nicht ausreichend ernst nehme.
Die „Selbstgefälligkeit“ hinsichtlich des Problems sei „wirklich besorgniserregend“, sagte Großbritanniens ehemaliger Energie- und Verteidigungsminister, Grant Shapps im Gespräch mit der Zeitung. „Die Frage ist nicht, ob es irgendwann ein Problem geben wird, sondern wann es ein Problem gibt. Dies sollte ein viel größeres Anliegen für die Regierung sein.“ Shapps fordert demnach ein nationales Unterfangen oder zumindest einen nationalen Plan zum Schutz der britischen unterseeischen Infrastruktur.

Niederländischer Geheimdienst warnt vor russischen Aktivitäten in der Nordsee
Eine wachsende russische Bedrohung in der Nordsee wird auch von anderen Ländern beobachtet. Der niederländische Militärgeheimdienst (MIVD) warnte in seinem im April veröffentlichten Jahresbericht, dass Russland die Infrastruktur in der Nordsee erfasse und Unterwasseraktivitäten ausführe, die auf „Spionage und die Vorbereitung von Störungen und Sabotage“ hinwiesen. Als mögliche Ziele nannte MIVD-Chef Peter Reesink „Internetkabel, Trinkwasser und die Energieversorgung“.
Großbritannien ist dem Politico-Bericht zufolge mehr als die meisten G7-Länder von Gas abhängig, um die Energieversorgung im Land zu gewährleisten. Mehr als die Hälfte des Bedarfs werde importiert. Ein Hauptversorger ist Norwegen, der über eine einzige Pipeline - die 715 Meilen lange Langeled-Pipeline - importiert. Würde ein Angriff die Langeled-Pipeline lahmlegen, hätte das für die Energieversorgung des Landes massive Konsequenzen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs derzeit „ziemlich gering“ sei, wären die Auswirkungen „katastrophal“, wird Jack Richardson zitiert, Berater der ehemaligen Energieministerin im Vereinten Königreich.
Jüngster Vorfall in der Nordsee: Mutmaßliche russische Drohnen beobachteten Bundespolizei
Der letzte Vorfall mit Russland in der Nordsee fand Mitte Mai statt. Mutmaßlich russische Drohnen hatten einem Medienbericht zufolge ein Patrouillenschiff der Bundespolizei in der Nordsee ins Visier genommen. Wie der Spiegel aus einem vertraulichen Lagebericht zitierte, soll es zu dem Zwischenfall am 17. Mai, kurz nach Mitternacht gekommen sein. Das Polizeischiff „BP 81 Potsdam“ soll den russischen Frachter „Lauga“ rund 140 Kilometer nördlich von Borkum überwacht haben, als die Einsatzkräfte sieben Drohnen über dem eigenen Boot und dem Frachter zählten.
Die Drohnen sollen beide Schiffe fast drei Stunden überwacht haben. Ob die Drohnen vom russischen Frachtschiff gestartet waren, konnte demnach nicht festgestellt werden. Seit Jahren verzeichnen Sicherheitsbehörden einen Anstieg von Drohnensichtungen über kritischer Infrastruktur und Militäranlagen. (no/afp)