Die "René will Rendite"-Kolumne: War’s das schon? Trump und das unglaubliche Börsen-Comeback

„Liberation Day“, die Angst vor einer Weltrezession – war da was? Es wirkt, also würde die Börse aus einem bösen Traum erwachen. Der DAX steht kaum vier Wochen nach Trumps Zollhammer schon wieder auf Rekordhoch und der S&P 500 hat einen der stärksten Anstiege der letzten 40 Jahren hinter sich. Auch hier ist das nächste Rekordhoch nicht weit.

Es reichten zwei Meldungen für diese abrupte Wende: Erst setzte Trump keine Woche nach seiner Ankündigung einen Großteil der Zollerhöhungen aus. Das sorgte für die erste Erholung. Dann die Einigung mit China vor wenigen Tagen, wo sich die beiden Staaten darauf verständigten, die Spirale aus immer höheren Zöllen zu beenden und ebenfalls massiv zu senken, um in Ruhe verhandeln zu können. Das war der zweite große Push für die Kurse. Schon steht der „Fear and Greed“-Index auf Gier.

Kurserholung
Die stärksten Kurserholungen seit 1990 Bloomberg

Natürlich freue ich mich über die schnelle Kurserholung. Aber so richtig kann ich gar nicht glauben, was ich da sehe. Mir scheint, dass die Investoren gerade nur auf das achten, was sie sehen wollen. Denn trotz der gefeierten Einigung halten die USA die Zölle mit einem durchschnittlichen Satz von 40 Prozent auf alle chinesischen Produkte immer noch auf einem sehr hohen Niveau (gegenüber 20 Prozent zuvor). Die Gespräche mit anderen Handelspartnern scheinen Fortschritte zu machen, aber Washington ist fest entschlossen, die Zölle auf jeden Fall beizubehalten, wahrscheinlich bei mindestens zehn Prozent. 

Über den Autoren

Clemens Schömann-Finck ist Finanz-Experte und steht hinter dem Youtube-Kanal "René will Rendite". Bei FOCUS online beleuchtet er aktuelle Themen rund um Börse und Geldanlage. Abonnieren Sie hier seinen Newsletter für mehr Finanz-Infos.

Das bedeutet, dass der durchschnittliche effektive Zollsatz für alle Länder am Ende dieses Handelskriegs bei etwa 15 Prozent liegen dürfte (gegenüber zwei bis drei Prozent zuvor). Während des Wahlkampfs wurde dies als Worst-Case-Szenario angesehen. Doch nun scheint dieses Szenario das kleinere Übel zu sein im Vergleich zu den noch ungünstigeren Szenarien, die von den Anlegern noch vor wenigen Tagen befürchtet wurden. 

Ich fürchte, dass wird auch der Börse in den nächsten Wochen klar werden. Der Zeitpunkt ist natürlich immer schwer vorherzusehen. Aber wenn ich wetten müsste, dann wird eine Konjunkturmeldung aus den USA den Stimmungsumschwung auslösen. Denn hier ziehen mehr und mehr dunkle Wolken auf und auch sonst gibt es so manches, was Anlass zur Sorge bietet:

  • Die Inflationsgefahr ist trotz der zuletzt guten Meldungen nicht gebannt. Noch sind die Lager voll, deswegen spüren die Verbraucher noch nichts von den Zöllen. Aber Preiserhöhungen scheinen unvermeidlich.
  • Der Immobilienmarkt ist angeschlagen: Die Zahl der unverkauften, fertigen Häuser ist so hoch wie seit der Finanzkrise nicht mehr.
unverkäufliche Häuser
Anzahl unverkaufter fertiggestellter Häuser in den USA, 31. Dezember 2024 Lance Lambert, US Census Bureau
  • Welche Spuren der Zoll-Hickhack hinterlassen hat, muss sich noch zeigen. Die letzten Umfragen unter Firmenchefs waren sehr düster – keine guten Aussichten für die Konjunktur also. Mal sehen, ob die Einigung mit China etwas daran geändert hat. 
  • Der Stress im Kreditkartensektor nimmt zu. Firmen und Verbraucher haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Schulden zu bezahlen. 
Kreditkarten
Anteil der Kreditkartenkonten, die nur noch die Minimumzahlung vornehmen in %, Q4 2024 The Daily Shot
  • Zwischen der EU und den USA gibt es noch keine Einigung im Zollstreit und im Juli endet das 90-Tage-Moratorium von Donald Trump. 
  • Die Aktien in den USA sind weiterhin sehr hoch bewertet – und das bei abnehmenden Gewinnwachstum.
Aktienbewertung
US-Aktien sind überdurchschnittlich hoch bewertet, in den anderen Regionen der Welt hält sie sich die Bewertung im Rahmen JP Morgan

Also, um die Frage aus der Betreffzeile dieses Newsletters zu beantworten: Ich glaube, das war’s noch nicht. Die Verbesserung der Marktstimmung könnte die Aktienindizes zwar kurzfristig weiter stützen. Das Risiko einer Wachstumsverschlechterung im Zusammenhang mit der Handelsunsicherheit und dem Inflationsrisiko sowie die Bewertungen auf sehr hohen Niveaus begrenzen, stellen ein Risiko für Rückschläge da.