Mental Health am Arbeitsplatz: Die gesündesten Berufe
Über die Berufswahl entscheiden üblicherweise das eigene Interesse, die Karrierechancen und das Gehalt. Um langfristig erfolgreich und zufrieden im Job zu sein, darf jedoch ein weiteres Kriterium nicht fehlen: Die körperliche und mentale Gesundheit. Denn diese hat einen direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, das Engagement und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden und letztendlich auf den gesamten Unternehmenserfolg.
„Mental Health“ ist in aller Munde und längst keine Privatsache mehr, wie ein Blick auf die Arbeitgeberstudie "#Whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt" der Techniker Krankenkasse beweist: psychische Belastungen, Burnout, Depressionen und Überforderung der Beschäftigten sollen in naher Zukunft zu den größten Herausforderungen für Unternehmen und Führungskräfte gehören.
Das lässt Arbeitnehmende und Arbeitgebende aufhorchen und wirft auf beiden Seiten Fragen auf. Gibt es Berufe, die von Grund auf gesünder sind als andere und was macht diese aus? Mit welchen Ansätzen können Unternehmen ihre Mitarbeitenden in Bezug auf Mental Health langfristig unterstützen?
Was versteht man unter psychischer Gesundheit?
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die mentale/psychische Gesundheit ein Zustand des Wohlbefindens, in welchem ein Mensch alle seine Fähigkeiten ausschöpfen, die Belastungen des Alltags bewältigen sowie produktiv arbeiten und einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten kann.
Warum ist mentale Gesundheit am Arbeitsplatz so wichtig?
Im Durchschnitt arbeiten Vollzeitbeschäftigte in Deutschland etwa 40,5 Stunden pro Woche. Ein Großteil der Lebenszeit wird also am Arbeitsplatz verbracht, was unser Wohlbefinden maßgeblich beeinflusst. Der Job kann – sofern Aufgaben und Ressourcen übereinstimmen – die Lebenszufriedenheit steigern, aber auch bei der Entstehung psychischer Probleme eine große Rolle spielen.
Depressionen, Angststörungen oder ein Burnout sind nicht selten die Folge einer für Körper und Geist belastenden Arbeitsumgebung. Aktuelle Studien belegen dies: „Der Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen ist eine der auffälligsten Entwicklungen in Bezug auf die Krankenstandkennziffern in den letzten Jahren“, so heißt es im DAK-Gesundheitsreport 2024.
Demnach ist die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen 2023 weiter angestiegen. Mit 323,4 Fehltagen bezogen auf 100 Versichertenjahre sind es 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Krankschreibungsfälle stieg von 8,2 Fällen je 100 Versichertenjahre in 2022 auf 9,9 Fälle in 2023.
Laut einer Studie der WHO führen psychische Störungen und Stress am Arbeitsplatz nicht nur zu einem Verlust an Produktivität, sondern verursachen auch erhebliche wirtschaftliche Kosten. Diese gehen aus Fehlzeiten, verringerter Arbeitsleistung und den Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit hervor – eine wichtige Grundlage von Humankapital. Etwas zur Gemeinschaft beitragen bzw. Teil eines Unternehmens sein, können eben nur Personen, die bei guter psychischer Gesundheit sind.
Darum sollte Mental Health am Arbeitsplatz einen hohen Stellenwert haben:
- Trägt zur ganzheitlichen Gesundheit der betreffenden Personen bei
- Höhere Produktivität
- Weniger Fehltage
- Steigerung des Engagements
- Bessere zwischenmenschliche Beziehungen (im Job und privat)
Führungspersonen haben dabei eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitenden. Sie sind wesentlich dafür verantwortlich, auf die psychische Gesundheit ihres Teams zu achten. Das macht nicht nur einen Unterschied fürs Unternehmen, sondern für die Gesellschaft.
Was sind die Ursachen für psychische Belastung am Arbeitsplatz?
Die moderne Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren durch Globalisierung und Digitalisierung stark verändert und beschleunigt. Dank Smartphone ist man theoretisch rund um die Uhr erreichbar – und zwar nicht nur telefonisch. Hinzukommt, dass durch die steigende Zahl von Home-Office-Plätzen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem weiter verschwimmen. Das wird für Angestellte unterschiedlich belastend wahrgenommen: Während manche einen klaren Cut zwischen Arbeitstag und Feierabend brauchen, macht es anderen vielleicht nichts aus, noch ihre E-Mails auf dem Nachhauseweg zu checken.
Folgende Faktoren können einen positiven oder negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz haben:
- Handlungsspielraum
- Arbeitszeiten
- Arbeitsintensität
- Gestaltung des Arbeitsplatzes
- Gemeinschaftsgefühl
- Betriebsklima
- Unternehmens- und Teamführung
- Arbeitsplatzsicherheit
- Work-Life-Balance
Auch eine neue Studie der ias Stiftung zeigt: seit einigen Jahren steigen die psychischen Belastungen im Mittelstand, bei der Umsetzung von Gegenmaßnahmen herrscht noch Nachholbedarf. Im Rahmen der Studie wurden 303 Geschäftsführer, Manager und Führungskräfte aus mittelständischen Unternehmen in Deutschland (10 bis 5.000 Mitarbeitende) im November 2024 befragt.
Aus Sicht der Befragten sind die größten Treiber für die Zunahme psychischer Belastungen am Arbeitsplatz:
- Anstieg des Arbeitspensums (52,7 %),
- zunehmender Leistungsdruck (49,3 %),
- Fachkräftemangel (45,9%)
- Ständige Veränderungsprozesse (39,7%)
Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz: Maßnahmen zur Prävention

„Es geht weniger um pauschale Benefits wie Obstkörbe oder Mitarbeiterrabatte, sondern eher darum, dass sich Mitarbeitende gesehen, gehört und gemeint fühlen", sagt Julia Hodgson-Kastien, Systemische Therapeutin und Beraterin (SG), Senior Expertin Psychologie und Fachleiterin für den Bereich Psychologie der ias-Gruppe, einem der führenden Dienstleister in den Bereichen Gesundheitsmanagement, Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Arbeitspsychologie.
Frau Hodgson-Kastien, wie sieht Prävention am Arbeitsplatz konkret aus?
Wirksame Präventionsansätze sind im besten Fall so vielgestaltig wie die betreffenden Menschen und holen diese dort ab, wo sie stehen: In ihrer jeweiligen persönlichen Lebens- und Arbeitssituation. Das schließt auch Faktoren wie die Lebensphase, das Geschlecht bzw. die Geschlechterrolle und die jeweilige Arbeitssituation mit ein.
Außerdem sollten die Maßnahmen gut zu den Bedarfen des jeweiligen Unternehmens passen. In Zeiten der überalternden Gesellschaft, des eklatanten Fachkräftemangels und explodierender Kosten im Gesundheitswesen, ist es wichtiger denn je, Menschen frühzeitig und mit effizienten Mitteln zu erreichen. Damit das bei begrenzten Ressourcen gelingt, setzen zukunftsweisende Präventionsansätze auf eine Vernetzung von digitalen und analogen Angeboten.
- Beispiel 1: Ein junger Auszubildender in einem hybriden Unternehmen: Der Arbeitgeber ermöglicht ihm ein Seminar für Zeit- und Selbstmanagement im Home-Office.
- Beispiel 2: Eine Mitarbeiterin erwägt aufgrund eines anhaltend hohen Stressniveaus und Beschwerden im Rahmen der Wechseljahre ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Die dahingehend geschulte Führungskraft unterstützt sie bei der Selbstfürsorge und dem Erhalt ihrer Leistungsfähigkeit, so dass sie vorerst weiter in Vollzeit arbeiten kann.
Was können Mitarbeitende für sich selbst tun?
So gut es geht Eigenverantwortung übernehmen! In einer zunehmend digitalisierten und flexibilisierten Arbeitswelt wird es immer wichtiger, die Präventionsangebote seines Arbeitgebers oder der Krankenkasse zu kennen und zu nutzen, statt sich erst mit der Gesundheit auseinanderzusetzen, wenn man an seine Belastungsgrenze kommt. Zudem würde ich empfehlen, immer den direkten Dialog mit der Führungskraft zu suchen, damit frühzeitig gegengesteuert werden kann, wenn es zu Fehlbelastungen kommt.
Welche Eigenschaften haben arbeitnehmerfreundliche Branchen, die eine gute Work-Life-Balance ermöglichen?
Im besten Sinne sind das lernende Organisationen, die sich auch als solche begreifen. Sie setzen auf ein wertschätzendes, vertrauensvolles und inklusives Miteinander, auf gelingenden Wissenstransfer, Vielfalt und die Förderung von Talenten. Arbeitnehmerfreundliche Organisationen meistern den Spagat, sowohl für Nachwuchskräfte attraktiv zu bleiben als auch erfahrene Leistungsträger:innen an sich zu binden. Ein Schlüssel liegt dabei in der Kommunikation und systematischen Organisationsentwicklung.
Auch Führungskräfte benötigen aufgrund ihrer Verantwortung und ihres Leistungsdrucks selbst besonderen Schutz. Sie sind in diesem Unterfangen außerdem zentrale Multiplikatoren, die als Vorbilder, Impulsgeber und Gestaltende in das Unternehmen hineinwirken. Dafür benötigen Sie die passenden Ressourcen. Überhaupt geht es meiner Erfahrung nach weniger um pauschale Benefits wie Obstkörbe oder Mitarbeiterrabatte, sondern eher darum, dass sich Mitarbeitende gesehen, gehört und gemeint fühlen, bei dem was in der Organisation geschieht.
Gibt es Berufe, die von Grund auf gesünder sind als andere und was macht diese aus?
Pauschal würde ich das verneinen. Es gibt sicherlich Arbeitsbedingungen, die gesünder oder mit weniger Risiken behaftet sind als andere, allerdings kommt es am Ende immer auf die individuelle Passung des Arbeitnehmers an und wie ausbalanciert seine jeweiligen Belastungen und Ressourcen sind. So muss eine Köchin vielleicht immer dann arbeiten, wenn ihre Familie Freizeit hat – unter Stress und tendenziell ungünstigen Temperaturverhältnissen an ihrem Arbeitsplatz. Wenn sie ihren Beruf trotz allem liebt und passende Anerkennung für ihre Leistung erhält, kann das dennoch ein Traumjob sein!
Gut zu wissen: Eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist essenzieller Bestandteil der Verhältnisprävention und seit 2014 auch im Arbeitsschutzgesetz verankert. Sie umfasst gemäß der fachlichen Leitlinien der GDA die Belastungsbereiche Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, Arbeitsumgebung, Arbeitsmittel, soziale Beziehungen und firmenspezifische Aspekte. Durch Beteiligung der Mitarbeitenden und Führungskräfte können auf dieser Basis fortlaufend geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um Fehlbelastungen entgegenzuwirken.
Fazit: Individuelle Anpassung notwendig
Sicherlich gibt es Berufe, die in Bezug auf Ansteckungen, Verletzungen oder anderen Faktoren, ein höheres gesundheitliches Risiko darstellen. Im Hinblick auf die mentale Gesundheit jedoch, kommt es stark auf die individuelle Passung des Arbeitnehmers an. Fakt ist: Die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen sind in den letzten Jahren gestiegen – ganzheitliche Gesundheitsförderung ist in der heutigen Arbeitswelt also nicht mehr nur „nice to have“. Unternehmen können das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden verbessern und langfristig von einer gesteigerten Leistung, niedrigeren Krankenständen und einer stärkeren Mitarbeiterbindung profitieren, indem sie Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeitergesundheit in das Gesundheitsmanagement integrieren.