Unterwasser-Attacke auf die Nato? Putins Spione spähen Seekabel aus
Norwegen ist alarmiert: Putins Schiffe in deren Häfen oder vor deren Küsten machen den Nato-Partner nervös. Ein alter Bekannter gibt dazu auch Anlass.
Oslo – „In den Augen der norwegischen Behörden war ein Fischerboot nicht mehr einfach nur ein Fischerboot“, schreibt Ben Taub. Der Autor berichtet aktuell für das Magazin The New Yorker über „Russlands Spionagekrieg in der Arktis“ und verortet seine Reportage im norwegischen Kirkenes; dort hatte ein vermeintlich ziviles Schiff länger als üblich im grenznahen Hafen vor Anker gelegen. Im Zuge des Ukraine-Krieges hat Wladimir Putins Flotte den Nato-Partner Norwegen genau ins Visier genommen: Jetzt soll wieder ein Schiff auffällig lange vor Norwegens Küsten „herumgelungert haben“, wie Newsweek schreibt. Die norwegische Küstenwache ist in heller Aufregung.
Die Yantar steht seit Jahren im Verdacht, als scheinbar ziviles Wasserfahrzeug ausschließlich in militärischer Mission unterwegs zu sein: Das Schiff sei mit mehreren Tiefseetauchbooten und Sonarsystemen ausgestattet und nähre den Verdacht, Unterseekabel auszuspionieren, berichtete das Magazin Naval News Mitte 2021. Damals hatte die Yantar die Irische See durchpflügt. „Yantar wird abwechselnd als ‚Spezialschiff‘ und ‚ozeanografisches Schiff‘ beschrieben. Dies sind jedoch Euphemismen für ein Spionageschiff. Sie wird von Russlands geheimer Hauptdirektion für Unterwasserforschung betrieben, die auch Russlands U-Boote für ‚Spezialmissionen‘ (sprich: ,Spionage‘) betreibt“, schrieb damals Naval News-Autor H.I. Sutton.
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Davon sind auch die Norweger überzeugt. Vor allem fürchten sie, dass die Yantar Informationen sammelt über die Trägergruppe rund um den US-amerikanischen Flugzeugträger Harry S. Truman, der aktuell vor der Küste Norwegens kreuzt, um an einer Übung teilzunehmen, bevor er in Richtung Mittelmeer verlegt wird zur dortigen Verstärkung der US-Präzenz für den möglichen Eintritt des Iran in den Krieg mit Israel.
Die Yantar gilt als AGOR (Auxiliary General Purpose Oceanographic Research Vessel), also als Hilfsschiff für allgemeine ozeanografische Forschung, die mit tauchfähigen ferngesteuerten Fahrzeugen ausgestattet sei, sagte gegenüber Newsweek Steffan Watkins. Der Autor und Analyst hat sich auf Schiffe spezialisiert und schätzt, dass die Yantar überall dort zum Einsatz komme wo etwas auf dem Meeresgrund aufzuspüren sein; „gesunkene U-Boote, geheime Infrastruktur, was auch immer das aktuelle Thema ist“, wie er sagt.
2017 soll die Yantar ausgesandt worden sein, um im Südatlantik vor der argentinischen Küste das gesunkene U-Boot San Juan zu finden. Watkins geht davon aus, dass die Russen jetzt Unterseekabeln der Nato und ihren Verbündeten auf der Spur seien. „Seebodenkrieg“, nennt das H.I. Sutton. Der Autor hatte bereits 2019 angedeutet, dass Russland angetreten sei, um künftig kritische Unterwasserinfrastruktur anzugreifen, wie er für das Magazin Forbes geschrieben hat.
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„Aktuell alternativlos“: Russlands Schiff bedeutet „ein neues Risiko für unsere Lebensweise“
Als „geopolitisches Machtinstrument“ hatte Ferdinand Alexander Gehringer Unterseekabel bezeichnet. „Die interkontinentale Übertragung großer Datenmengen in kürzester Zeit mittels Unterseekabel ist aktuell alternativlos“, schreibt der Autor des deutschen Thinktanks Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie ermöglichten kürzere Paketlaufzeiten und seien weniger störanfällig gegenüber Satelliten. Aktuell lägen 530 aktiv genutzte Unterseekabel in den Meeren mit einer Gesamtlänge von 1,3 Millionen Kilometern. Allerdings seien diese Datenträger gegenüber natürlichen Bedrohungen wie Seebeben auch anfällig gegen Sabotage oder Spionage.
Neben dem Überwasserschiff Yantar soll Russland noch mehrere Kleinst-U-Boote gegen Unterseekabel einsetzen können – wie in Forbes, bereits 2017 Stuart Beach betont hatte, so Autor Sutton. Der ehemalige Vize-Chef des britischen Verteidigungsstabes hatte in einer Rede vor dem britischen Thinktank Royal United Services Institute gewarnt – selbst unscheinbare Schiffe Russlands bedeuteten möglicherweise „ein neues Risiko für unsere Lebensweise, nämlich die Verwundbarkeit der Kabel, die den Meeresboden durchkreuzen“.