„Der schönste Job der Welt“: Stefan Mayr rudert Fahrgäste über den Tegernsee

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Er ist der „Überführer“: Stefan Mayr (55) rudert Passagiere mit dem traditionsreichen Boot über die engste Stelle am Tegernsee mit malerischer Kulisse. © Stefan Schweihofer

Die engste Stelle am Tegernsee zwischen der Point und dem Hotel Überfahrt ist das Reich von Stefan Mayr. Der 55-jährige Schlierseer hat eine Aufgabe, um die ihn jetzt im Sommer viele beneiden: Er ist der „Überführer“ und rudert Passagiere über die Egerner Bucht.

Tegernsee – „Schön, einfach nur schön!“, schwärmt das Ehepaar aus der Lüneburger Heide, während ihm Stefan Mayr aufs feste Ufer hilft. Dann drücken sie ihm noch die fälligen 3,10 Euro pro Person in die Hand und verabschieden sich mit den Worten „bis später“. Vermutlich wird Mayr das Ehepaar wieder abholen in der Egerner Bucht am Hotel Überfahrt und hinüberbringen zur Point. Oder besser gesagt: rudern, denn Stefan Mayr ist der „Überführer“.

15 Jahre im Ruderboot

„Ja, ich hab‘ wohl den schönsten Job der Welt, schon allein wegen der Aussicht und den netten Leuten im Boot“, sagt der 55-jährige Schlierseer zufrieden. Im 15. Jahr sitzt er in Lederhose, Trachtenhemd und mit Hut in seinem Ruderboot, der „Tegernsee“, die früher einmal „Seerose“ hieß. Rund zehn Minuten dauert die Passage. Durchschnittlich 40 Mal am Tag, „und nur, wenn ich Lust habe und das Wetter passt“, befördert er vor allem Urlauber über die engste Stelle des Sees, erklärt auf Wunsch dies und das über den Tegernsee und die Region oder lässt seine Passagiere einfach nur die Aussicht genießen – auf den glasklaren, grünblauen See, die malerische Kulisse von Rottach-Egern und den Wallberg. Maximal 18 Fahrgäste dürfen im Ruderboot mit seinen acht Holzbänken Platz nehmen. „Doch meistens“, sagt Mayr, „sind es nur zwei bis drei.“

Ruderbetrieb fast das ganze Jahr

Offiziell läuft der Betrieb von 15. März bis 15. Oktober. „Doch im vergangenen Jahr bin ich am 23. Dezember noch gerudert“, erinnert sich Mayr, der feststellt, dass die Winterpausen immer kürzer werden. Immer früher holt er sein Boot aus der Hütte neben seinem Steg an der Point, wo es täglich, Sommer wie Winter, untergebracht ist.

König Max I. Joseph als Stammgast

Dass er nicht irgendeinen Ruderjob in einer Touristenregion hat, das ist dem 55-Jährigen sehr wohl bewusst. Schon König Max I. Joseph (1756-1825), erster König in Bayern, dessen 200. Todestag heuer in Tegernsee gefeiert wird, nutzte den „Überführer“, um von Tegernsee in die Gaststätte Überfahrt in Rottach-Egern zu kommen. Um den Weg rund um die Egerner Bucht zu vermeiden, ließ er sich an der engsten Stelle des Sees zwischen der Tegernseer Point und Rottach-Egern mit einem Boot über das Wasser zu seinem Lieblingslokal bringen.

Fährbetrieb seit über 500 Jahren

Der Fährbetrieb ist dabei noch älter und hat eine über 500-jährige Tradition. Stefan Mayr erinnert an Hans Brandl, der wegen seiner roten Haarpracht unter dem Hut „der rote Hans“ genannt wurde. Er war einer der bekanntesten Überführer. Mit seinem Boot, das damals „Sturmvogel“ hieß und der Überfahrt gehörte, ruderte er 30 Jahre lang, bis 1999, alle über den See: gekrönte und ungekrönte Häupter, Politiker und Staatsmänner, Promis, Urlauber und Einheimische. 2005 starb er 74-jährig. Zwei weitere Überführer folgten, ehe Mayr 2011 die Ruder in die Hand nahm. Der gelernte Raumausstatter, der schon bei einem Bootsverleiher am Spitzingsee ausgeholfen hatte, brauchte damals einen Job. Die Stadt Tegernsee, inzwischen Verpächterin des Ruder-Betriebs („weil die Rottacher ihn nicht wollten“), schlossen mit Mayr den Vertrag, der seither jährlich verlängert wird.

Das Boot „Tegernsee“ als Herzstück

Für das Boot ist die Stadt zuständig. Kein Allerwelts-Boot: In den 1950er-Jahren baute Josef Grieblinger von der alteingesessenen Tegernseer Schifferfamilie den „Christopherus“, ein 9,50 Meter langes Boot nach Vorbild einer historischen Ruderfähre mit flachem Holzboden und einfacher Beplankung. Zusammen mit dem Tegernseer Bootsbauer Bartl Rixner fertigte Grieblinger in den 1960er-Jahren die um einen Meter kürzere „Seerose“. Sie wurde 1991 durch eine für 18 Personen zugelassene, neue „Seerose“ ersetzt – wieder 8,50 Meter lang, knapp zwei Meter breit und eine Tonne schwer. „Bau Nr. 3“ heißt es auf einem Messingschild im Boot, das inzwischen den Namen „Tegernsee“ trägt.

„Bei guter Pflege hält das Boot ewig“, sagt Mayr. Kleinigkeiten repariert er selbst. Wegen kleiner Undichtigkeiten wird er aber demnächst einen Check beim Bootsbauer empfehlen.

Respekt vor Wind und Wasser

Ob er mal eine brenzlige Situation erlebt habe? „Einmal, ich hatte fünf Personen und ein Kind an Bord, fiel der Ostwind so schnell und heftig ein, dass ich gerade noch an der äußersten Stelle der Point ans Ufer gelangen konnte“, erinnert sich Mayr. „Den Tegernsee“, weiß er, „darfst du nicht unterschätzen.“

Wenn Fahrgäste hüben oder drüben an den Anlegestellen die Glocke läuten, dann legt der Überführer wieder ab. Mit ruhigen und dennoch kraftvollen Bewegungen zieht er die Ruderblätter durchs glitzernde Wasser. Einfach schön.

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Die Eisdielen-Betreiber, die Wanderführer, die Greenkeeper, die Senner und der Sportlehrer: Es braucht viele Menschen, damit’s (auch) im Sommer im Landkreis Miesbach läuft. Unsere Redaktion stellt einige dieser Menschen in den kommenden Wochen in loser Folge vor.

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