„Verheerendes Signal für Wirtschaftsstandort“ – Bundesnetzagentur will Netzentgelte anpassen
Aktuell kriegen Industrieunternehmen Rabatte auf ihre Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur will diese anpassen. Das sorgte für Kritik.
Berlin – Das deutsche Energienetz wandelt sich drastisch. Immer mehr Strom kommt aus Windkraft und Photovoltaik. Das bringt wiederum kleinteilige Veränderungen mit sich, Experten bringen häufiger sogenannte Smart Meter ins Spiel, die einen flexibleren Energiemarkt ermöglichen können. Die Bundesnetzagentur hatte Pläne geäußert, die in der Industrie auf Widerstand gestoßen sind.
„Verheerendes Signal“ – Bundesnetzagentur will Netzentgelt für Industriekunden anpassen
Im Zuge der Energiewende will die Bundesnetzagentur in vielen Bereichen vorhandene Gesetzgebung modernisieren. Im Juli (24. Juli) hatte sie ein Eckpunktepapier veröffentlicht, das die Regelung zu Netzentgelten für Industriekunden behandelte. Schon jetzt sorgte das Papier für Tumult: Der Wirtschaftsrat der CDU warnte in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, vor einem „verheerenden Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland“.
Für Unternehmen innerhalb der Industrie könnte es um gehörige Summen gehen, wenn die Bundesnetzagentur die entsprechenden Entgelte anfasst. „Aktuell erhalten Stromgroßverbraucher in Deutschland hohe Rabatte auf ihre Netzentgelte. Die Regelung stammt noch aus einer Zeit, in der Strom hauptsächlich aus zentralen Kraftwerken stammte und man die Stromnetzauslastung möglichst konstant halten wollte“, zitierte das Handelsblatt dazu Hanns Koenig, einen Analysten bei Aurora Energy Research, einer Energiemarktberatung. Wichtig dabei: Die betroffenen Unternehmen müssen konstant große Mengen Strom nachfragen, um diese Rabatte zu erhalten.

Die Stromnetzentgelte haben grundsätzlich einen Einfluss darauf, wie sich die Preisentwicklung beim Strom in Deutschland entwickelt. Stromverbraucher müssen sie an die Stromnetzbetreiber entrichten – als Gebühr dafür, dass sie den Strom in die Haushalte transportieren. Für gewöhnlich sind diese Entgelte ein Bestandteil des Strompreises, etwa 20 Prozent des Strompreises machen sie für deutsche Haushalte aus.
Netzentgelte für Strom wandeln sich – wegen erneuerbarer Energien
Warum will die Bundesnetzagentur dieses Entgelt anpassen? Hintergrund dabei ist die Energiewende. „Die alten Netzentgeltrabatte entsprechen nicht mehr den Anforderungen eines Stromsystems, das von hohen Anteilen erneuerbarer Stromerzeugung geprägt ist“, schrieb die Bundesnetzagentur im Juli als eine Erklärung für das Eckpunktepapier. Industrie und Gewerbe sollen demnach weniger Netzentgelte zahlen, wenn sie:
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- Genau dann mehr Strom verbrauchen, wenn das Stromangebot hoch ist
- Weniger Strom verbrauchen, wenn das Stromangebot niedrig ist
In einem Stromnetz, das seinen Strom zunehmend durch erneuerbare Energien bezieht, bedeutet das übersetzt: Unternehmen, die ihren Stromverbrauch dem Wetter anpassen, kommen besser weg. Das Stromangebot wird vor allem dann hoch sein, wenn entweder genug Wind geht, um die Windkraftanlagen hochlaufen zu lassen, oder wenn eine hohe Sonneneinstrahlung die Stromgewinnung aus Photovoltaik begünstigt.
„Wir schlagen einen Übergang von einem starren in ein flexibles System vor“, so drückte es Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller aus. Das zukünftige System wolle die Agentur nun „ausführlich“ mit allen Akteuren erörtern.
„Total systemwidrig“ – technische Möglichkeiten der Industrie könnten neue Regelungen beeinflussen
Innerhalb der Industrie ist diese Maßnahme nicht ohne Grund umstritten. Jahrelang hatten die Unternehmen einen großen Anreiz, ihren Stromverbrauch möglichst konstant zu halten, um die Rabatte zu bekommen. Jetzt plötzlich auf flexiblen Verbrauch umzuschwenken, kann je nach Branche kompliziert sein. Darum soll die konkrete Austarierung der neuen Regeln von den technischen Möglichkeiten der Industrie abhängen.
Während Teile der Industrie bereits Kritik übten, stufte Koenig die vorgeschlagenen Maßnahmen wie folgt ein: „Die aktuelle Regel führt zu absurden Flexibilisierungshemmnissen. Unternehmen versuchen künstlich, ihre Stromnachfrage zu verstetigen, um den Rabatt auf die Netzentgelte zu bekommen. Das ist total systemwidrig“, zitierte ihn das Handelsblatt.
Die Strommenge, die aus erneuerbaren Energien stammt, steigt laut Statistischem Bundesamt (Destatis) stetig. Im 1. Quartal 2024 wuchs sie um 11,6 Prozent, die Stromerzeugung aus konventionellen Energien sank dagegen um 25,4 Prozent (verglichen mit dem ersten Quartal 2023). Die Windkraft war mit einem Anteil von 38,5 Prozent der wichtigste Energieträger der inländischen Stromerzeugung. Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland bis spätestens 2045 treibhausgasneutral wird – die erneuerbaren Energien sollen mittel- bis langfristig eine noch wichtigere Rolle spielen.