„Dachte, so was passiert nur in autoritären Staaten“: Diplomaten-Wut auf Baerbock eskaliert
Annalena Baerbock hat sich den Job als UN-Vorsitzende gesichert. Die eigentliche Diplomatin für den Posten verdrängt sie. Es hagelt weiter heftige Kritik.
New York - Annalena Baerbocks Zeit als Außenministerin endet. Doch anstatt mit ihrer Partei in die Opposition zu gehen, will die Grüne lieber nach New York und hat sich dort einen echten Top-Job gesichert. Das Problem: Der war eigentlich einer der renommiertesten Diplomatinnen Deutschlands versprochen - die ihr Programm für die Zeit als Vorsitzende der UN-Vollversammlung schon geschrieben hatte. Baerbock riss das Amt offenbar an sich. Dafür hagelt es weiter heftige Kritik. Diesmal aus Diplomaten-Kreisen. Kein gutes Vorzeichen für Baerbock.
Doch der Reihe nach: Anfang März verkündete Annalena Baerbock gegenüber ihrer Partei, dass sie aus persönlichen Gründen nach der Wahlschlappe keine Führungsrolle mehr bei den Grünen einnehmen wolle. „Nach Jahren des Highspeed“, in denen sie alles gegeben habe, habe sie nachgedacht, „was dieser Moment für meine Familie und mich bedeutet“. Aus „persönlichen Gründen“ habe sie sich deshalb entschieden, „aus dem grellen Scheinwerferlicht“ zu treten und keine Führungsrolle bei den Grünen einzunehmen.
Baerbock reißt Top-Job an sich: Heftige Kritik aus Diplomaten-Kreisen sickert durch
Dann folgte die Meldung: Baerbock wird Vorsitzende der UN-Vollversammlung in New York. Zieht also mit ihren Kindern in die USA. Das wurde als Rolle rückwärts gewertet. Doch noch viel heftiger war die Kritik an Baerbock, da sie den Posten der renommierten Diplomatin Helga Schmid wegschnappte. Der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sprach von einer „Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen“

Und die Kritik reißt keineswegs ab. Interne Chats, über die der Tagesspiegel berichtet, zeigen, dass auch bei der UN-Belegschaft große Wut über Baerbocks Macht-Aneignung herrscht. Die Diplomaten wollten demnach wohl lieber Schmid anstatt der Grünen feministischen Außenministerin. Auch werden Barbock die diplomatischen Eigenschaften für den Job abgesprochen. Sie sei als Außenministerin „sehr spalterisch vorgegangen“, heißt es. Als Beispiel wird der Umgang mit China genannt. Baerbock hatte Chinas Präsidenten einen Diktator genannt.
„Deutschland tut sich keinen Gefallen“: deutliche Kritik an Baerbock
„Baerbocks Berufung wird den Eindruck verstärken, dass mächtige Staaten UN-Schlüsselpositionen für ihre eigenen Zwecke missbrauchen“, zitiert der Tagesspiegel eine weiter interne Nachricht aus Diplomatenkreisen. Und auch Christoph Heusgen legt jetzt noch einmal gegen Baerbock nach: „Die Uno ist kein Selbstbedienungsladen“, sagte Heusgen dem Spiegel. Er kritisiert erneut die wilde Posten-Annexion Baerbocks. Zwar halte er Baerbock für eine „begnadete Politikerin“, jedoch auch für eine „polarisierende Figur“. Er wird deutlich: „Deutschland tut sich damit keinen Gefallen“.
Besonders die Ausbotung der eigentlich vorgesehenen Diplomatin ärgert Heusgen. Helga Schmid sei bereits offiziell nominiert gewesen und habe Gespräche mit mehr als 100 Delegationen geführt, werde international geschätzt. Sie sei die „ideale Kandidatin“ gewesen. „Dann plötzlich diese Kehrtwende. Ein UNO-Kollege hat mir geschrieben: ,Wir dachten, so was passiert nur in autoritären Staaten‘“.
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Baerbock verteidigt ihren Top-Job - und feuert Giftpfeile gegen Diplomatin
Die scheidende Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) selbst hat ihre Nominierung zur Präsidentin der UN-Generalversammlung verteidigt. „Das wird ein entscheidendes Jahr der Generalversammlung sein“, sagte Baerbock am Donnerstag auf der Konferenz „Europe 2025“ von Zeit, Handelsblatt, Tagesspiegel und Wirtschaftswoche in Berlin. Sie verwies dabei auf die schwierige Suche nach einem Nachfolger für UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Wieso stellt Deutschland die UN-Vorsitzende?
Das Amt der Präsidentin der UN-Generalversammlung steht aufgrund der internen UN-Absprachen für die Sitzungsperiode 2025/26 der westeuropäischen Staatengruppe zu. In dieser hatte Deutschland schon vor einiger Zeit das Besetzungsrecht erhalten. Der Vorsitz der Vollversammlung in New York, in der alle 193 UN-Mitgliedstaaten vertreten sind, wird Anfang Juni gewählt. Die Amtszeit beginnt dann im September und dauert ein Jahr.
„Es wird sehr, sehr viele Gespräche brauchen im Hintergrund, um zu eruieren, bei wem könnte ein Kandidat mehrheitsfähig sein“, sagte Baerbock. Sie wies die Kritik zurück, sie habe mit ihrer Kandidatur die deutsche Spitzendiplomatin Helga Schmid verdrängt und deren seit Monaten in New York geknüpften Kontakte wertlos gemacht.
Die „deutsche Kandidatur“ sei „natürlich auch gemeinsam“ vorbereitet worden, ebenso die Themensetzung, sagte die Grünen-Politikerin. „Deswegen geht es nicht um einzelne Personen.“ Schmid werde „an führender Stelle weiter wirken“, sagte Baerbock.
Eigentlich hatte die Bundesregierung die Diplomatin Schmid bereits als deutsche Kandidatin für den Vorsitz der UN-Vollversammlung vorgeschlagen. Diese war bis Ende 2024 Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Bundesregierung statt Schmid nun Baerbock als deutsche Kandidatin für den Vorsitz der UN-Vollversammlung 2025/26 benannt hat.

Baerbock reißt UN-Job an sich: Umfrage zeigt, was Bürger denken
Die Nominierung von Annalena Baerbock (Grüne) für einen hohen Posten bei den Vereinten Nationen kommt einer Umfrage zufolge bei den meisten Menschen in Deutschland nicht gut an. 57 Prozent der Teilnehmer einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sehen die Nominierung der inzwischen geschäftsführenden Außenministerin für den Vorsitz der UN-Generalversammlung negativ oder eher negativ.
42 Prozent der Befragten bewerteten die Entscheidung als negativ, weitere 15 Prozent als eher negativ. Als positiv beziehungsweise eher positiv stuften nur 12 und 16 Prozent der Befragten die Nominierung ein.
Baerbock soll den Vorsitz der UN-Generalversammlung in New York im September antreten, ihre Amtszeit würde ein Jahr dauern. Ursprünglich war dafür die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid vorgesehen. Nun soll die Position aber politisch besetzt und Baerbock als deutsche Kandidatin für die Sitzungsperiode 2025/26 benannt werden. (rjs/dpa)