Kalter Krieg in der Ostsee: Wie die Nato ein Bollwerk gegen Putin errichten will
Vorfälle in der Ostsee lösen Besorgnis vor der russischen Schattenflotte aus. Die Nato verstärkt ihre Präsenz. Auch Deutschland will sich beteiligen.
Helsinki – Im Schatten ist es kälter – und mit der sogenannten russischen Schattenflotte zieht eine eisige Front durch die Ostsee. Seit November häufen sich Vorfälle, bei denen Unterseekabel und Leitungen in der Ostsee mutmaßlich vorsätzlich beschädigt wurden. Die Nato zeigt sich alarmiert und reagiert: Auf einem Ostsee-Gipfel in Helsinki wurde nun angekündigt, die Präsenz in der Region deutlich zu verstärken.
Russische Sabotageakte durch Schattenflotte: Vorfälle in der Ostsee
In den vergangenen Jahren kam es in der Ostsee zu mehreren schweren Zwischenfällen. In der Nato besteht der Verdacht, dass es sich um von Russland gesteuerte Sabotageakte handelt, durch die sogenannte russische Schattenflotte – alte, unversicherte Tanker und Frachtschiffe mit undurchsichtigen Eigentümerstrukturen, die Russland nutzt, um westliche Sanktionen, insbesondere beim Öltransport, zu umgehen. Mittlerweile zählt das Auswärtige Amt insgesamt 79 Schiffe zur Schattenflotte, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet.
Im Oktober 2023 beschädigte die „Newnew Polar Bear“, ein in Hongkong registrierter Containerfrachter, offenbar eine Gaspipeline. Im vergangenen Dezember riss das Schiff „Yi Peng 3“ mit seinem Anker zwei Unterseekabel ab. Ende Dezember, zerstörte der Tanker „Eagle S“, ein wichtiges Stromkabel zwischen Finnland und Estland. Bei der „Eventin“, ein unter der Flagge von Panama fahrende Tanker, fiel vor Rügen die Maschine aus. Der Tanker trieb mehrere Stunden manövrierunfähig durch die Ostsee. Mit dem Gipfel in Helsinki reagieren die beteiligten Nato-Länder Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden auf diese Vorfälle.
Nato-Mission gegen russische Schattenflotte: Lösungen für mehr Sicherheit im Ostseeraum
Das Treffen in der finnischen Hauptstadt diente dazu, Lösungen für mehr Sicherheit im Ostseeraum zu erarbeiten – unter anderem durch den Aufbau gemeinsamer Überwachungsstrukturen und eine verstärkte militärische Präsenz des Bündnisses in der Region. Der erste Schritt dafür sei eine Nato-Mission zur verbesserten Überwachung der Ostsee, an der sich die beiden neuen Mitgliedsländer Finnland und Schweden mit eigenen Schiffen beteiligen wollen, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Der Einsatz soll insgesamt rund zehn Schiffe umfassen. Estland soll bereits damit begonnen haben, ein Marineschiff im Finnischen Meerbusen patrouillieren zu lassen.
„Ich kann heute bekanntgeben, dass die Nato die Operation ‚Baltic Sentry‘ startet“, sagte Nato-Generalsekretär Mark Rutte auf einer Pressekonferenz zum Abschluss des Ostsee-Gipfels. Als einen Teil der Bemühungen nannte Rutte auch eine Initiative zur Nutzung neuer Technologien. Dazu gehört auch eine kleine Flotte von Marinedrohnen, die eine verbesserte Überwachung und Abschreckung gewährleisten soll.
„Wir sind entschlossen, jegliche Versuche der Sabotage abzuschrecken, aufzudecken und zu bekämpfen. Jeder Angriff auf unsere Infrastruktur wird mit einer robusten und entschlossenen Reaktion beantwortet“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die die beteiligten Staaten nach dem Gipfel veröffentlichten. „Russlands Gebrauch der sogenannten Schattenflotte stellt eine besondere Bedrohung für die maritime und ökologische Sicherheit im Ostsee-Raum und global dar.“
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Scholz kündigt deutsche Schiffe für Ostsee-Sicherheit an: Im Kampf gegen „hybride Strategie“ aus Russland
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz nahm an dem Gipfel teil. In einer Presseerklärung während des Ostsee-Gipfels bezeichnete er die wachsende Bedrohung durch die sogenannte russische Schattenflotte als „sehr ernste Angelegenheit“. Bei den Vorfällen handele es sich, um „Unfälle, in denen die Infrastruktur, die wir benötigen für unsere Länder, für die Konnektivität, für die Versorgung mit Elektrizität, für die Versorgung mit allen möglichen Stoffen, die wir brauchen für unsere eigene ökonomische Entwicklung, gefährdet ist“.
Mit Blick auf die jüngsten Zwischenfälle in der Ostsee – die er als Teil einer „hybriden Strategie“ zur Einschüchterung europäischer Länder einordnete – kündigte Scholz an, dass Deutschland bereit sei, „mit seinen eigenen Möglichkeiten“, Verantwortung für die Sicherheit in der Region zu übernehmen. „Selbstverständlich bedeutet das, dass wir auch mit deutschen Schiffen für die Sicherheit in der Ostsee Sorge tragen“, erklärte Scholz.

Nach Abschluss des Treffens in Helsinki erklärte Scholz in einer Pressekonferenz, man werde „gegen die russische Schattenflotte vorgehen“. Die EU habe bereits Sanktionen auf den Weg gebracht, es könnten allerdings weitere gegen „konkrete Schiffe und Reedereien“ folgen. Die Länder seien bereit, sich gemeinsam der „Herausforderung zu stellen, die durch die hybriden Attacken auf unsere Unterwasserinfrastruktur entstehen können“.
Große Besorgnis vor russischer Schattenflotte: Schwere Umweltschäden durch die alternden Schiffe
Auch die Staatsoberhäupter der anderen beteiligten Länder äußerten ihre Besorgnis über die aktuelle Lage. So warnte der lettische Präsident Edgars Rinkēvičs davor, dass man mit weiteren Vorfällen rechnen müsse, die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen forderte eine enge Zusammenarbeit mit der US-Politik und der litauische Präsident Gitanas Nausėda kritisierte, dass die bisherigen Sanktionen gegen Russland nicht hart genug seien, wie Reuters berichtet.
Insbesondere schwere Umweltschäden, die durch die alternden Schiffe der Schattenflotte verursacht werden könnten, bereiten Sorgen. Der Tanker „Eventin“, der vor Rügen havarierte, stelle laut Greenpeace-Experte Thilo Maack eine ständige Bedrohung dar, wie die Welt berichtet. „Schrott bleibt Schrott und gehört nicht aufs Wasser.“ (AFP/dpa/lw)