Zulauf zur Reichsbürger-Szene: „Was da abläuft, ist katastrophal“
Der Heilbrunner CSU-Chef Josef Schwaller beobachtet auch in den Dörfern einen Zuwachs in der Reichsbürger-Szene. Das bereitet ihm Sorgen.
Bad Heilbrunn – Gleich mehrere Themen bereiten dem Heilbrunner Gemeinderat Josef Schwaller Bauchschmerzen. Seine größten Sorgen: Die explodierenden Kosten für Kinderbetreuung und die Tatsache, dass sich nach seinem Eindruck immer mehr Heilbrunner der Querdenker- und Reichsbürger-Szene anschließen.
(Unser Bad-Tölz-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)
Erst kurz vor der Versammlung habe er ein Gespräch mit Einheimischen geführt. „Es war unbeschreiblich“, sagte Schwaller in der Jahresversammlung des CSU-Ortsverbands in der Parkvilla. „Ich hätte nicht gedacht, dass vernünftige Menschen mal derartig abdriften können. Sie sind so fanatisch und verbohrt, dass man mit ihnen kein normales Wort mehr reden kann.“ In Deutschland könne jeder sagen, was er denkt: „Und keinem passiert was. In anderen Ländern bist du dagegen von dem einen auf den anderen Tag weg. Aber das wollen diese Leute einfach nicht kapieren, das prallt an ihnen ab.“ Schwaller weiter: „Was da abläuft, ist katastrophal.“ Natürlich würden in der Politik Fehler gemacht und natürlich tue es der Seele gut, mal Frust abzulassen: „Aber dann muss es miteinander weitergehen, wir müssen zusammenhalten.“ Es gehe schließlich darum, große Herausforderungen zu meistern.
Finanzsituation in den Kindergärten ist „beängstigend“
Vor allem die Finanzsituation der Kindergärten sei „beängstigend“. In seiner Anfangszeit als Gemeinderat habe die Gemeinde 200.000 Euro für Kindergärten zuschießen müssen. In diesem Jahr sei der Fehlbetrag auf 1,6 Millionen Euro angewachsen: „So viel Geld kann man nicht aus dem Ärmel schütteln, das lähmt die Gemeinde.“ Die CSU wolle Steuererhöhungen unbedingt verhindern: „Ob’s gelingt, weiß ich nicht.“
Auch die Rede von Bürgermeister Thomas Gründl drehte sich im Wesentlichen um die Finanzen. Sein Urteil: „Der Bund ist mit 500 Stundenkilometern gegen die Wand gefahren.“ Momentan würde der neue Haushalt erarbeitet. Dieser sehe vor, dass die Kosten für Kinderbetreuung im nächsten Jahr auf 1,715 Millionen Euro steigen. Auch für die Nachbargemeinden sei die gegenwärtige Situation ein „Desaster“. Gründl forderte, dass sich der staatliche Zuschuss nicht mehr aus den Kindergartenplätzen errechnet, sondern aus den Personalkosten, die zuletzt um neun Prozent gestiegen sind. Das Bayerische Kindergarten- und Betreuungsgesetz müsse entsprechend geändert werden: „Wenn der Staat was fordert, muss er es auch entsprechend bezuschussen.“ Ansonsten müsse man „an der Gebührenschraube drehen“.
Finanzielle Lage der Gemeinde: „Wir werden was verkaufen müssen“
Dass die Gemeinde finanziell in Schwierigkeiten steckt, liege auch am Kauf des zehn Millionen Euro teuren Hoefter-Grundstücks in der Ortsmitte. Da die Kreditzinsen in den vergangenen Jahren von 0,4 auf 4,3 Prozent gestiegen sind, müsse die Gemeinde nun zehnmal so viel Zinsen zahlen wie zu Beginn, konkret 400.000 Euro pro Jahr statt 40.000 Euro. Da der Gemeinde 500.000 Euro für Investitionen zur Verfügung stehen, bleibe nicht mehr viel Geld für Straßen, soziale Einrichtungen und Feuerwehr übrig. Die Gemeinde sei an diesem Thema dran, sagte Gründl: „Wir werden was verkaufen müssen.“ Wenn neue Baugebiete ausgewiesen werden, sorge dies allerdings auch für Folgekosten: „Wenn Familien herziehen, brauchen wir auch mehr Kita-Plätze.“
Meine news
Bau des Ärztehauses beginnt erst 2025
Gründl ging auch auf das geplante Ärztehaus ein. Die Bürger könnten nicht verstehen, warum sich die Planungen so lange hinziehen, aber es seien viele Vorgaben einzuhalten. Der erste Spatenstich werde daher wohl nicht wie angedacht noch in diesem Jahr erfolgen, sondern erst im Frühjahr 2025. Die Ausschreibungen sollen im Juni oder Juli abgeschlossen sein. Das Kriegerdenkmal solle dabei an der bisherigen Stelle bleiben.
Noch keine Neuigkeiten hatte Gründl in Sachen Seniorenheim „Zum Jaud“, das wie berichtet Ende März einen Insolvenzantrag gestellt hat: „Wir hoffen, dass sich jemand findet, der das in irgendeiner Form weiterführt“, sagte Gründl. „Die Bewohner, die da schon eine Zeitlang drin wohnen, sind sehr traurig über diese Situation. Es wäre schwierig, einen alten Baum zu verpflanzen.“
Geplantes Nahwärmenetz sorgt für Skepsis
Eine Diskussion gab es anschließend um das Nahwärmenetz, das in der Heilbrunner Ortsmitte entstehen soll. So ist der ehemalige Gemeinderat und Heizungsbaumeister Ernst Hauer der Meinung, dass es in dieser Frage keine politischen Vorgaben geben dürfe, „denn das muss der Markt regeln“.
Die Gemeinde begebe sich auf dünnes Eis, wenn sie beim Heizwerk auf Hackschnitzel setzt: „Es ist ja erst ein paar Monate her, dass Wirtschaftsminister Habeck Hackschnitzel partout verbieten wollte.“ Ortsvorsitzender Josef Schwaller entgegnete: „Ich hoffe, dass die Regierung dieses Jahr nicht mehr packt.“ Als langjähriger Vorsitzender des Maschinenrings wisse er, dass Hackschnitzel genau der richtige Brennstoff sind, „weil von diesem Brennstoff mehr als genug vorhanden ist“.