Aufzug-Endlosdrama am Bahnhof Baldham ruft über 100 Demonstranten auf den Plan: „Ein Trauerspiel!“

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Dauerzustand seit neun Monaten: Rollstuhlfahrer sind auf fremde Hilfe angewiesen. Auf dem Foto reist gerade ein weiterer Teilnehmer per S-Bahn zur Demo an. Als Rollstuhlfahrer braucht er mangels Aufzug Tragehilfe. © Susanne Edelmann

In Baldham ist der Aufzug am Bahnhof seit neun Monaten gesperrt. Der Behindertenbeauftragte Jens Möllenhoff organisierte eine Demonstration, die auf große Resonanz stieß. Die Bahn bedauert die Situation, kann aber noch kein Ende der Reparaturarbeiten nennen.

Baldham – Über neun Monate lang ist der Aufzug am Baldhamer S-Bahnhof nun schon wegen Reparaturarbeiten gesperrt. „In dieser Zeit bringen andere ein Kind zur Welt“, scherzt Jens Möllenhoff, Behindertenbeauftragter der Gemeinde Vaterstetten. Dabei ist ihm, der selbst im Rollstuhl sitzt, nicht zum Scherzen zumute, sondern nach Protest. Unter dem Motto „Baldhamer Barrierekrawall 2024“ rief er zur Demo auf, und weit über 100 Menschen kamen mit Rollstühlen, Rollatoren, Gehhilfen, Einkaufstrolleys, Fahrrädern und viel Wut im Bauch.

Über 100 Leute kamen zur Demonstration und versammelten sich in der Gleisunterführung zur Kundgebung.
Über 100 Leute kamen zur Demonstration und versammelten sich in der Gleisunterführung zur Kundgebung. © Susanne Edelmann

Aufzug Baldham Bahnhof: Gutscheine und Busrouten helfen nicht

„Das Schlimme ist, dass man das Gefühl hat, da passiert gar nichts. Man sieht da nie jemanden arbeiten“, lautete sinngemäß die Kritik. Möllenhoff berichtete von verzweifelten Gesprächen, die er mit Betroffenen geführt habe. Immer wieder habe er bei der Bahn angerufen, sei von der Hotline abgewimmelt und mit einem 20-Euro-Gutschein abgespeist worden. „Soviel kostet eine Taxifahrt von Baldham nach Vaterstetten.“ Den Hinweis der Bahn, man solle den Bus 451 nach Vaterstetten nehmen, um dort den Aufzug zu nutzen, lässt er nicht gelten: „In den Bus passt genau ein Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen. Will ein zweiter mitfahren, muss er auf den nächsten Bus warten.“ Selbst den bayerischen Verkehrsminister habe er angeschrieben und nur einen Standardbrief zurückbekommen. Möllenhoffs Fazit: „Dieser Krawall ist notwendig, damit endlich was vorangeht.“

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„Absolut geflasht“ war der Behindertenbeauftragte von der großen Resonanz auf seinen Demo-Aufruf: „Ich hätte in meinen wildesten Träumen nicht gedacht, dass so viele kommen.“ Unterstützung erhielt er auch vom VdK, vom Verein aktiver Bürger, der Bernsteingruppe und etlichen Lokalpolitikern. Sepp Mittermeier, Verkehrsreferent im Gemeinderat, berichtete, dass der Gemeinderat immer wieder Anfragen an die Rathausverwaltung gestellt habe. „Und die Verwaltung tut wirklich, was sie kann, ihr einen Vorwurf zu machen, wäre unfair. Die Bahn ist verantwortlich.“

Fit für die Zukunft – nur wann? Demo-Organisator Jens Möllenhoff (2. von links) will nicht länger warten.
Fit für die Zukunft – nur wann? Demo-Organisator Jens Möllenhoff (2. von links) will nicht länger warten. © Susanne Edelmann

Bürgermeister spricht von Trauerspiel

Bürgermeister Leonhard Spitzauer sagte: „Ich will auch meinen Unmut kundtun.“ Immer wieder habe er bei der Bahn nachgehakt, die Schuld werde von einem Subunternehmer zum nächsten geschoben. „Es ist ein Trauerspiel.“ Schon seit Jahren habe es immer wieder Probleme mit den Aufzügen in Baldham und Vaterstetten gegeben, die damals noch der Gemeinde gehört hätten, was in der Region sehr untypisch gewesen sei. Inzwischen befänden sich die Aufzüge im Eigentum der Bahn, es sei vertraglich genau geregelt, wer wofür zuständig sei. „Allein die Vertragsverhandlungen haben schon drei Jahre gedauert.“

Die Bahn entschuldigt sich – Aber noch immer kein Reparaturtermin

Auf EZ-Anfrage äußert sich auch die Bahn zu den Vorwürfen: „Wir bedauern, dass der Aufzug unseren Fahrgästen länger als ursprünglich geplant nicht zur Verfügung steht und dadurch Umwege für betroffene Reisende entstehen“, so ein Bahnsprecher. Gründe für die Verzögerungen seien Fachkräftemangel, Lieferschwierigkeiten, technische Herausforderungen und Genehmigungen der Aufsichtsbehörde, die mehr Zeit als geplant benötigten. Zudem sei es wegen mangelhafter Ausführungen und Planungsfehlern zu weiteren Verzögerungen gekommen. Aktuell stehe noch der Anschluss des Notrufs aus, der wegen eines beschädigten Kabels noch nicht funktioniere. Ohne diesen Notruf könne der Aufzug aber aus Sicherheitsgründen nicht in Betrieb gehen. „Wir setzen gemeinsam mit der Gemeinde und unseren Dienstleistern alles daran, den Aufzug schnellstmöglich in Betrieb zu nehmen. Ein genaues Datum können wir aktuell noch nicht nennen“, so der Bahnsprecher weiter.

Sollte der zuletzt avisierte Termin Mitte September auch verstreichen, kann die Bahn sich auf mehr Krawall einstellen: „Wir machen weiter!“, waren sich die Demonstranten einig.

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