Immer mehr Gewalt gegen Frauen in Deutschland – „Zahl der Betroffenen deutlich angestiegen“
In Deutschland fehlen 14.000 Plätze in Frauenhäusern. Dabei steigen die Opferzahlen von häuslicher Gewalt an. Doch die Finanzierung bereitet Schwierigkeiten.
Frankfurt – In Deutschland fehlen Plätze in Frauenhäusern – und das zahlreich. Knapp dreimal so viele Plätze benötigt es nach der Empfehlung der Istanbul-Konvention. Aus diesem Grund fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte eine langfristige Sicherung von Beratungs- und Unterstützungsstrategien für Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erleben.
Aktuell nur 6.800 Plätze in Frauenhäusern – rund 14.000 Plätze fehlen
Derzeit gibt es 6.800 Plätze in Frauenhäusern. Das sind 14.000 Plätze zu wenig, möchte Deutschland die Vorgaben der Istanbul-Konvention einhalten. „Die Zahl der Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt ist deutlich angestiegen. Je höher die Zahlen, desto größer ist der Bedarf nach Schutz und Beratung“, erklärt Müşerref Tanrıverdi, Leiterin der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Instituts.
Die Istanbul-Konvention
Als Istanbul-Konvention wird das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ bezeichnet. Dabei sind Opferschutz, Prävention, Strafverfolgung und die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter Inhalte des Abkommens. Im Fokus steht die geschlechtsspezifische Gewalt, mit einem Schwerpunkt auf häusliche Gewalt. Die Vertragsstaaten sind im Rahmen der Konvention zu verschiedenen Maßnahmen verpflichtet. Darunter zählt auch die Einrichtung von Frauenhäusern. Empfohlen wird dabei ein Familienplatz in einer Einrichtung pro 10.000 Einwohner.
(Quellen: UN Women, Bundesweite Frauenhaus-Statistik)
Im Koalitionsvertrag vorgesehen, aber nicht umgesetzt wurde ein „bundesgesetzlicher Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung von Gewalt betroffenen Frauen und die Einzelfall unabhängige Finanzierung des Schutzsystems“, so Tanrıverdi. Je nach Bundesland gestaltet sich außerdem die Finanzierung der Einrichtungen als sehr unterschiedlich. Neben Landesmitteln finanzieren sich die Frauenhäuser durch Gelder der Kommunen und Finanzierungsmittel der Einrichtungen, wie zum Beispiel Spenden. Das Problem: Sind Betroffene nicht für Sozialleistungen berechtigt, müssen sie den Platz im Frauenhaus oft selbst bezahlen.

Expertin fordert Umdenken bei Frauenhäusern: Wichtig zum Erreichen der Gleichstellung der Geschlechter
So erklärt die Leiterin der Berichterstattungsstelle: „Derzeit gibt es große Unterschiede hinsichtlich Quantität und Qualität der Hilfsangebote. Niedrigschwellige, spezialisierte, barrierefreie und bedarfsgerechte Unterstützung zu gewährleisten, also ein spezialisiertes Hilfesystem, das finanziell abgesichert ist, ist eine menschenrechtliche Verpflichtung aus der Istanbul-Konvention.“ Hilfe müsse für alle Betroffenen einfach zugänglich sein. „Denn die Gleichstellung der Geschlechter kann nur erreicht werden, wenn wirksamer Schutz vor häuslicher Gewalt besteht“, erklärt sie.
Meine news
Die häusliche Gewalt stieg in den letzten Jahren an. So wurden im Jahr 2022 240.547 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt. Das sind 8,5 Prozent mehr als noch 2021. Die Zahlen nannte das Bundesministerium des Innern und für Heimat im Juli 2023. 71,1 Prozent der Betroffenen waren weiblich. Insgesamt 702 Menschen starben durch häusliche Gewalt.