"Hilfe, mein Mann ist mein drittes Kind!"

Hilfe, mein Mann ist mein drittes Kind! Wenn ich mich nicht um alles kümmere, passiert gar nichts. Und er ist leider keine Unterstützung, sondern – wenn ich ehrlich bin – oft sogar noch Störfaktor. Wie komme ich da raus?

Team Love
Wieland Stolzenburg, Regina Heckert, Nina Grimm, Wera Aretz, Stefan Woinoff (v.r.n.l.) FOCUS online

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Team Love beantwortet Ihre Fragen rund um Liebe, Partnerschaft, Sex und Familie. Schreiben Sie an team-love@focus.de

  • Beziehungsexperte Wieland Stolzenburg: Autor und Psychologe hinter den Kulissen bekannter Reality-TV-Produktionen.
  • Sex-Expertin Regina Heckert: Sexualberaterin, Autorin und Leiterin der größten Tantraschule Deutschlands.
  • Familien-Expertin Nina Grimm: Familienpsychologin, Verhaltenstherapeutin, Bestseller-Autorin und Mutter.
  • Dating-Expertin Wera Aretz: Professorin für Wirtschaftspsychologie, systemische Paartherapeutin und Expertin für Online-Dating.
  • Beziehungsexperte 50+ Stefan Woinoff: Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychotherapeut und Experte fürs Dating in der zweiten Lebenshälfte.

Die nüchterne Realität in vielen Familien ist: Sie ist in der Mutterrolle – und zwar nicht nur dem Kind gegenüber. Sie packt Rucksäcke, schreibt Listen und hat die Termine auf dem Schirm. Aber nicht, weil sie es liebt. Sondern weil es sonst keiner tut. So dass es sich für viele Frauen so anfühlt, als hätten sie keinen Mann, sondern ein weiteres Kind an ihrer Seite.

Wie ein kleines Kind

Das Ganze ist ein Teufelskreis: Sie fühlt sich einsam und überfordert und versucht deswegen verzweifelt, ihn zu erziehen. Und er bleibt durch endlose Kritik mit dem Gefühl zurück, es eh nicht recht machen zu können, und zieht sich zurück, wird passiv, kalt oder wütend – wie ein kleines Kind. Das führt im Alltag dazu, dass sich beide einsam fühlen – obwohl der Partner direkt neben einem sitzt.

Alte Rollenklischees

Diese Disbalance entsteht dadurch, dass selbst die emanzipiertesten Paare durch Elternschaft in alte Rollenklischees verfallen; er der Brotverdiener, sie Hausfrau und Mutter. Das ist ja nun auch ein kleines Stück weit biologisch bedingt – aber auch sozialpolitisch: Da Männer durchschnittlich immer noch mehr verdienen, sind es auch aus finanziellen Gründen die Mütter, die länger in Elternzeit gehen – und damit häufig und schlicht ergreifend einfach mehr Übung im Umgang mit dem Kind und in der Organisation des Alltags haben als die Väter.

Während Vätern also nicht etwa das Talent oder gar „das Auge“, sondern eben sehr viel mehr die Übung fehlt, mangelt es den Müttern häufiger an Vertrauen: Oft gibt es zum einen eine ganz genau Vorstellung davon, wie die Dinge zu laufen haben, und zum anderen die Angst vor seinen Fehlern: Was wenn er das Wasser vergisst? Oder noch schlimmer: Das Kind Schaden davon trägt? Als Löwenmama kann ich diese Sorgen nachvollziehen.

Wenn Sie möchten, dass sich etwas ändert, muss sich auch etwas ändern. Und dazu gehören in einer Beziehungsfrage in den allermeisten Fällen zwei.

Der männliche Beitrag zur Lösung

Als Vater ist es wichtig, dass Sie den Vorsprung anerkennen, den sie sehr wahrscheinlich und schlicht und ergreifend hat – und genau das würdigen, in dem Sie ihr wirklich zuhören und sich lernbereit zeigen. Ohne Ihren eigenen Stil dadurch schleifen lassen zu müssen.

Wenn sie also der Meinung ist, dass die Regenjacke essenziell ist für Ihren Nachmittagsausflug mit den Kids – dann nehmen Sie sie doch einfach mit, um im schlimmsten Fall aus Ihrer eigenen Erfahrung schöpfend beim nächsten Mal zu sagen: Ich brauche sie wirklich nicht. Oder eben: Stimmt, danke für die Erinnerung.

Der weibliche Beitrag zur Lösung

Als Mutter ist es wichtig, die Balance zwischen konstruktiven Hinweisen und Loslassen zu finden. Natürlich sollen und dürfen Sie sich mit Ihrer Kompetenz und mit Ihrem Wissen einbringen – um dann aber auch die Tatsache anzuerkennen, dass er seinen Weg gehen und vielleicht sogar auch erst mal finden muss. Und dass da Fehler dazugehören.

Selbst wenn auf der Beziehungsebene in Ihren Augen Fehlern passieren, führen Sie sich vor Augen, dass es seine Beziehung zu seinen Kindern ist. Und richten Sie den Fokus auf das, was wirklich unter Ihrem Einfluss liegt.

Lassen Sie ihn in der Verantwortung

Ein weiterer wichtiger Hebel, den Sie in der Hand haben, ist sich ihm gegenüber nicht mehr in die Mutterrolle zu begeben; indem Sie ihm ungefragt Aufgaben abnehmen oder versuchen, durch Ihre Aktionen negativen Konsequenzen vorzubeugen oder auszubessern, die er durch seine Handlungen verursacht hat. Lassen Sie das konsequent los – und ihn in der Verantwortung.

Er war verantwortlich für den Rucksack für den Tagesausflug, aber hat das Wasser vergessen? Lassen Sie es sein Problem sein, etwas zu besorgen.

Oder – ein Lieblingsbeispiel aus meiner Beratung: Sie kommt hungrig und müde um 19 Uhr von der Arbeit nach Hause, in der Hoffnung, dass er Abendessen bereits vorbereitet hat, die Kinder vielleicht sogar schon bettfertig sind. Stattdessen trifft sie ihn an, im Inbegriff sich mit hungrigen Kindern einen Film anzuschalten.

Statt sich jetzt in die Küche zu stellen, habe ich ihr geraten, das nächste Mal auf der Türschwelle umzudrehen, eine Freundin anzurufen und essen zu gehen – um ihn die Konsequenzen dieser Aktion in Gänze tragen zu lassen.

Wichtig ist hier: Die ausführende Person muss die Konsequenzen auch vollständig tragen können. Wenn er bis 22 Uhr Bücher vorliest, sie das Kind aber am nächsten Morgen wecken und die negativen Konsequenzen tragen muss, ist das ein No-Go und er muss sich in seinen Handlungen entsprechend nach ihren Strukturen richten.

Es ist also tatsächlich auch für Sie ein befreiender Schritt, wenn Sie es sich erlauben, die Mutterrolle als ewige Caretakerin und Familienmanagerin phasenweise bewusst abzulassen, um Raum für ihn zu öffnen, in dem er sich mit seinen väterlichen Kompetenzen auf seine Art und Weise einbringen kann.

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.