Es geht um Prävention von Rechtsradikalisierung. Der Uttinger Schauspieler Luis Lüps (ELLE Kollektiv) und Theaterpädagogin Theresa Meidinger und ihr Klassenzimmer-Theaterstück „Meine Helden - Deine Träume“.
Utting – „Du bist Deutscher, mach was draus!“, kräht AfDler Maximilian Krah auf TikTok seinen Followern ins Ohr – und findet massig Gehör. Dass rechtes Gedankengut bei Jugendlichen zieht, zeigt die U18-Bundestagswahl: Die Afd kam in Bayern auf 18 Prozent, 2021 waren es 5,6. Ein Prozess, dem Theresa Meidinger und Luis Lüps, beide aus Utting, mit dem Klassenzimmer-Theaterstück „Deine Helden – Meine Träume“ entgegentreten wollen.
Zwei Uttinger Schauspielende und ihr Klassenzimmer-Theaterstück „Meine Helden - Deine Träume“
„Rechte Ideen sind bei Jugendlichen selbstverständlicher geworden“, sagt Luis Lüps, der in „Meine Helden – Deine Träume“ den Protagonisten Jonas spielt. Lüps ist Mitglied im ELLE-Kollektiv, das sich mit der immersiven Theater-Trilogie „Die schlafende Vernunft“ einen Namen weit über den Landkreis hinaus gemacht hat (der KREISBOTE berichtete). Das Projekt „Meine Helden – Deine Träume“ stemmen das ELLE Kollektiv und Theaterpädagogin Theresa Meidinger zusammen.
Demnächst spielt das ELLE Kollektiv auch wieder „Der Bau“
Es ist ein Stück, mit dem Lüps und Meidinger die Themen Vorbilder, Gruppenzugehörigkeit und persönliche Verantwortung in den Fokus nehmen wollen. „Eine Coming-of-Age-Geschichte über die Verführungskraft rechtsradikaler Ideen“, fasst Lüps zusammen – ein brandaktuelles und gesellschaftlich relevantes Thema. Trotz Ein-Personen-Stück, das weder Bühnenbild noch Kostüm benötigt, ist es ein Stück, dass in Bann zieht. „Es ist schnell, mit unglaublicher Sogkraft“, sagt Meidinger. „Denn von Anfang an brennt die Frage im Raum: Was wird passieren?“
Geschrieben hat das Stück hat Karen Köhler, selbst Schauspielerin, 2013 im Auftrag des Deutschen Nationaltheaters Weimar. Insgesamt eine Trilogie, ist „Meine Helden – Deine Träume“ der erste Teil. Der Plot: Jonas, ca. 15 Jahre alt, wächst mit einem aggressiven Stiefvater auf, einer Mutter, die der Aggression nichts entgegensetzen kann. Als Jonas ein Foto seines leiblichen Vaters als Boxer sieht, fängt er selbst im Verein mit Boxen an. Das Boxen verändert Jonas Körper, stärkt sein Selbstbewusstsein – und er lernt den 20-jährigen Heiko kennen, mit Job, Auto, Männlichkeit, der für ihn zum Bruder-Vater-Ersatz avanciert. Zudem ist er der Bruder von Jessica: dem Mädchen, das alle in Jonas‘ Klasse anhimmeln.
Heiko nimmt Jonas auf Konzerte und Feiern mit – wie sich zeigt Veranstaltungen der rechtsradikalen Szene, denen Jonas ambivalent gegenübersteht: Da ist die Gemeinschaft, die Energie, wenn die Hemmschwelle sinkt und die Masse Parolen brüllt. Aber da ist auch das Unwohlsein gegenüber den Inhalten – denn Jonas bester Freund ist Mo, ein Junge mit Migrationshintergrund. Als Heikos Truppe aus dem Boxverein dann Mo fast zu Tode prügelt, steht Jonas vor einer Entscheidung.
Lüps und Meidinger waren früher auf der selben Schule, danach beide zeitgleich im Staatstheater Braunschweig engagiert. Jetzt leben sie, jeweils als Eltern zweier Kleinkinder, in Utting – und haben beschlossen, ihre Fähigkeiten im Projekt „Meine Helden –Deine Träume“ zu bündeln.
Klassenzimmer-Theaterstück mit Workshop: Die Schülerinnen und Schüler thematisch abholen
„Das Stück verwendet einen formalen Kniff“, beschreibt Lüps. „Es ist unsichtbares Theater, insofern, dass nur der Lehrer eingeweiht ist. Die Schüler wissen nicht, was da geschieht, wenn Jonas plötzlich in ihr Klassenzimmer kommt.“ Wobei der Protagonist dabei höflich ist, ruhig. „Es entsteht keine Atmosphäre der Angst“, versichert Lüps. Auch, wenn das Stück eindeutig beklemmende Momente hat.
Auch nach dem Stück werden die Schülerinnen und Schüler aufgefangen: Theresa Meidinger gestaltet einen theaterpädagogischen Workshop. „Stück und Workshop zusammen benötigen eine Doppelstunde“, sagt die Regisseurin, die unter anderem auch im HAU Hebbel am Ufer in Berlin gearbeitet hat. Wobei sie es als sinnvoll ansieht, die Thematik des Stücks theaterpädagogisch ausführlicher aufzuarbeiten. Beispielsweise in einem Projekttag – oder auch einer Projektwoche.
„Wir beginnen mit einem Warm-Up, mit Fragen, zu denen sich die Jugendlichen mit Ja oder Nein positionieren – Positionen, die dann hinterfragt werden können. Und das regt Diskussionen an“, beschreibt Meidinger den Workshop. Je nach Schwerpunkt, den die Lehrkräfte legen können, stehen Themen wie Sprache, Vorbilder oder auch Gruppendynamik im Fokus. Sollte die Lehrkraft das Thema im Unterricht weiter aufgreifen wollen, bietet Meidinger auch eine Materialmappe an.
Geeignet ist das Stück für Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse bis hin zur 13., „gerne auch in der Erwachsenenbildung“, betont Meidinger. „Das Klassenzimmerstück bietet insofern andere Möglichkeiten, weil sich viele Jugendliche gar nicht trauen, ihre Ängst, ihre Wünsche anzusprechen“, erzählt sie. Da die Jugendlichen das Stück in der ‚Formation‘ als Klasse in ihrem schulischen Umfeld sehen, könne die Thematik auch langfristig immer wieder aufgegriffen werden. „Zum Beispiel auch der Aspekt: Wie komme ich aus der rechten Szene wieder heraus? Das verlangt ja, dass man sein ganzes Selbstbild in Frage stellt.“
Schon jetzt bekommen die beiden von Schulen in der Region äußerst positive Resonanz. Die ‚Schul-Premiere‘ ist am 21. Oktober in Landsberg. Wer Interesse an dem Stück hat, kann direkt Theresa Meidinger kontaktieren: E-Mail an theaterindieschule@gmail.com, Telefon: 0157/36689427.
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