SPD-Gegenwind für Merz: Kanzlermehrheit laut Umfrage auf der Kippe

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Im Bundestag haben CDU/CSU und SPD erste Sondierungsgespräche geführt. Eine Umfrage zeigt, wie dringend ein neues Miteinander nötig ist – besonders für Merz.

Berlin – Nach der Bundestagswahl hat die Union gefeiert. Sicher ist: CDU und CSU sind nach der Wahl die stärkste Kraft im Bundestag. Als sehr wahrscheinlich gilt: Parteichef Friedrich Merz wird Kanzler. Um tatsächlich zu regieren, müssen allerdings Union und Merz noch einige Hürden nehmen. Neben mutmaßlich schwierigen Koalitionsverhandlungen muss der CDU-Chef im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Derzeit scheint eine absolute Mehrheit für Merz alles andere als gesichert, das zeigt eine Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Einige SPD-Abgeordnete wollen laut Umfrage keinen Kanzler Merz

Demnach gibt es unter den 120 SPD-Abgeordneten im neuen Bundestag mindestens acht, die ein Problem damit haben, Merz zum Bundeskanzler zu wählen. Die Koalition von SPD und Union hätte aber nur eine knappe Mehrheit von 12 Stimmen – weshalb die Kanzlermehrheit aktuell noch alles andere als gesichert ist. 

Kritik an CDU-Chef aus der SPD: „Muss Friedrich Merz meine Stimme nicht geben“

„Ich muss Friedrich Merz meine Stimme nicht geben, wenn er zum Bundeskanzler gewählt werden sollte. Ich bin nur meinem Gewissen verpflichtet“, zitierte die Zeitung den SPD-Abgeordneten Sebastian Roloff. Er bezifferte die Zahl der SPD-Abgeordneten, die Merz kritisch gegenüberstünden, sogar auf „drei Hände voll“. Sie begründeten ihre Zweifel nach Angaben der Zeitung auch mit dem Verhalten der Union bei der Migrationsabstimmung im Bundestag und einer daraus abgeleiteten fehlenden Verlässlichkeit der Union.

Der Vorwurf ist nicht neu. Auch die SPD-Spitzen wie Partei- und mittlerweile auch Fraktionschef Lars Klingbeil haben Merz für die Abstimmung mit Stimmen der AfD scharf kritisiert. Noch immer ist bei SPD-Politikern von „tiefen Gräben“ die Rede, die Merz mit seiner Kompromisslos-Ansage und der Abstimmung gegraben hätte. So auch von Juso-Chef Philipp Türmer. In der ZDF-Sendung Markus Lanz erklärte er mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen: „Die Gespräche sind keine Selbstläufer“. Von Merz fordert er eine Entschuldigung.

Mögliche Koalition aus SPD und CDU/CSU: Merz‘ Union führt Sondierungsgespräche mit Sozialdemokraten

Klingbeil hatte bereits angekündigt, ob die Sozialdemokraten mit Merz‘ Union koalieren, das sollen die Mitglieder der SPD in einer Abstimmung entscheiden. Am Freitag haben sie Union und SPD mit jeweils neun Vertretern zu einem ersten Sondierungsgespräch getroffen. „Die Sondierungsrunde trifft sich kommende Woche wieder“, teilten die Generalsekretäre von CDU, CSU und SPD, Carsten Linnemann, Martin Huber und Matthias Miersch, in einer Stellungnahme nach der fast viereinhalb stündigen ersten Runde mit. „Die Sondierungsgespräche haben in einer offenen und konstruktiven Atmosphäre begonnen“, hieß es weiter.

Wackelt CDU-Chef Friedrich Merz als Bundeskanzler
Wackelt für CDU-Chef Friedrich Merz die Kanzlermehrheit? (Symbolbild) © John MACDOUGALL / AFP

Dem Vernehmen nach sollte es bei dem ersten Treffen auch darum gehen, atmosphärische Unstimmigkeiten aus dem Wahlkampf zu bereinigen. Die Rede war auch davon, „ein Gefühl füreinander zu entwickeln“. Im Wahlkampf wurde viel Vertrauen zwischen den Parteien zerstört. Die SPD warf Merz einen Wort- und Tabubruch wegen einer gemeinsamen Abstimmung mit der AfD vor. Der CDU-Chef wetterte zuletzt scharf gegen „linke Spinner“ und handelte sich dafür den Vorwurf der SPD ein, wie ein „Mini-Trump“ aufzutreten. Auch eine Anfrage der Union über die Finanzierung von NGOs sorgte nach der Wahl für Kritik der SPD. Mit Blick auf die Umfrage unter SPD-Abgeordneten zeigt sich noch einmal, wie dringend ein neues Miteinander notwendig ist.

Bundeskanzlerwahl: Im ersten Wahlgang absolute Mehrheit nötig – Kanzlermehrheit ungewiss

Um die Bundeskanzlerwahl zu gewinnen, benötigt ein Kanzlerkandidat die absolute Mehrheit, das heißt, er muss mindestens die Hälfte aller Stimmen plus eine erhalten. Ist kein Kandidat im ersten Wahlgang erfolgreich, hat der Bundestag 14 Tage Zeit, um mit absoluter Mehrheit einen Kanzler zu wählen, dabei ist die Zahl der Wahlgänge unbegrenzt. Führt das nicht zum Erfolg, ist direkt im Anschluss ein Wahlgang durchzuführen, bei dem für den Sieg die einfache Mehrheit ausreicht (der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt). (pav/dpa)

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