Nach der Geburt intelligenter: China nutz Fake News, damit Frauen mehr Kinder kriegen
Frauen in China sollen mehr Kinder bekommen, findet die Regierung in Peking und greift zu teils bizarren Methoden. Ein Experte glaubt, dass sich die Probleme so nicht lösen lassen.
Der Anruf sei im Oktober gekommen, erzählte die 35-jährige Janet Huang kürzlich der Zeitung South China Morning Post. „Sind Sie momentan schwanger?“, habe sie die Stimme am Telefon gefragt. Und: Wann sie denn ihre letzte Periode gehabt habe? Am anderen Ende der Leitung, so Huang, sei ein Sozialarbeiter der chinesischen Regierung gewesen. Der habe dann auch noch angeboten, sie erneut anzurufen, um ihr mitzuteilen, wann der richtige Zeitpunkt für sie sei, schwanger zu werden. „Ich musste laut lachen, als ich meinem Mann davon erzählt habe“, sagte Huang, die in der chinesischen Provinz Fujian lebt und Mutter eines Sohnes ist, der Zeitung.
China hat eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt. Laut Daten aus dem Jahr 2022 bringt in der Volksrepublik jede Frau im Schnitt nur noch 1,09 Kinder zur Welt, in Großstädten wie Shanghai noch deutlich weniger. Allgemein gilt, dass die Bevölkerungszahl eines Landes bei einer Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau stabil bleibt.
China aber schrumpft. Im vergangenen Jahr ging die Bevölkerung des Landes zum zweiten Mal in Folge zurück, Ende Dezember 2023 lebten in China laut offiziellen Zahlen noch 1,41 Milliarden Menschen und damit rund zwei Millionen weniger als im Jahr zuvor. Zwischen 2016 und 2023 hat sich die Zahl der jährlichen Geburten halbiert, auf zuletzt gut neun Millionen im Jahr 2023. Die schrittweise Lockerung der „Ein-Kind-Politik“ hat seit 2016 nur kurzfristig zu einem leichten Anstieg der Geburtenzahlen geführt.
Weil immer weniger Kinder geboren werden, wächst der Druck auf Frauen in China
Die Folge: Chinas Bevölkerung altert rapide, mit verheerenden Konsequenzen etwa für das Rentensystem des Landes. Die Volksrepublik, so Experten, könnte es angesichts einer schwindenden Erwerbsbevölkerung kaum schaffen, wirtschaftlich zu den entwickelten Staaten aufzuschließen.
Während immer weniger Kinder geboren werden, wächst der Druck auf Chinesinnen wie Janet Huang, schwanger zu werden. Zehntausende Frauen im gebärfähigen Alter hätte in den letzten Monaten ähnliche Anrufe erhalten, schreibt die South China Morning Post. Die Kampagne ist Teil eines verzweifelten Versuchs der chinesischen Regierung, die Geburtenrate anzukurbeln. Erst im Oktober beschloss Peking ein neues Maßnahmenpaket. So sollen etwa eine bessere Mutterschaftsversicherung, Mutterschaftsurlaub und eine günstigere Kinderbetreuung eine „neue Kultur der Ehe und des Kinderkriegen“ schaffen, heißt es in einem Regierungsbeschluss.
Kinder in China: ein teures Vergnügen
Der Demografie-Experte Yi Fuxian von der University of Wisconsin-Madison hält wenig von dem Vorstoß der chinesischen Regierung. „Die neu eingeführten Maßnahmen sind vor allem wirtschaftlicher Natur und zielen darauf ab, die Kosten der Kinderbetreuung für Familien zu senken“, sagte Yi zu IPPEN.MEDIA. Chinas Nachbarland Japan sei in der Vergangenheit einen ähnlichen Weg gegangen, und das ohne großen Erfolg. „Japans Ansatz hat sich als teuer und ineffizient erwiesen“, so Yi. Und: China verfüge noch nicht einmal über die finanziellen Mittel, um „Japans Weg vollständig zu folgen“.
Meine news
Kinder zu haben, ist in China teurer als anderswo, und hält viele davon ab, Eltern zu werden. Laut einem Anfang des Jahres veröffentlichten Bericht der chinesischen Denkfabrik Yuwa Population Research kostet ein Kind in China seine Eltern von der Geburt bis zum Schulabschluss im Schnitt rund 680.000 Yuan (etwa 88.000 Euro). In großen Städten wie Shanghai müssen Eltern demnach sogar mehr als eine Million Yuan für ihren Nachwuchs ausgeben. Weil das Pro-Kopf-Einkommen in China deutlich niedriger ist als etwa in Deutschland, verursachen Kinder in China ihren Eltern im Verhältnis fast doppelt so hohe Kosten wie Kinder hierzulande.
„Regierungen können Menschen nicht zwingen, zu heiraten“
Auch in China streben viele junge Frauen eine Karriere an, geheiratet wird immer später, mit zunehmendem Alter nimmt zudem die Fruchtbarkeit ab. Unter dem Schlagwort „neue Produktionskräfte“ will die chinesische Regierung die Zahl der Uni-Absolventen sogar noch steigern. Das dürfte die Geburtenrate weiter unter Druck setzen.
„Die sinkende Geburtenrate in China hat zu einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung, einer alternden Bevölkerung und einem unzureichenden Konsum geführt, was eine Verlangsamung der Wirtschaft zur Folge hat“, erklärt Yi Fuxian. Ein Teufelskreis. Denn das Erlahmen des Wirtschaftswachstums führe auch zu hoher Jugendarbeitslosigkeit. „Junge Menschen in China finden nicht einmal einen Job, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, geschweige denn um zu heiraten und Kinder zu bekommen“, sagt Yi. „Regierungen können keine Verhütungsmittel verbieten oder die Menschen zwingen, zu heiraten.“
Manche Regionen in China greifen mittlerweile zu verzweifelt anmutenden Maßnahmen. So sollen Berichten zufolge Beamte in der Provinz Guangdong kostenlos Folsäuretabletten an Schwangere ausgeben, um Fehlgeburten zu verhindern. Für einen Aufschrei sorgte eine Kampagne der Nationalen Gesundheitskommision, die Frauen ermuntern wollte, schwanger zu werden. In einem online verbreiteten Artikel hatte die Behörde unter anderem behauptet, Frauen würden nach der Geburt eines Kindes intelligenter werden. Nach massiver Kritik in den sozialen Medien wurde der Beitrag Anfang November zurückgezogen.