Gesetzliche Rente reicht nicht – 10 Millionen Rentner fallen unter Armutsgrenze

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Ein Großteil der gesetzlichen Renten in Deutschland liegt unter der Armutsgrenze. Das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert politisches Eingreifen. Die Regierung sieht das anders.

Berlin – In der Ampel-Koalition bahnt sich hinsichtlich der Rente ein neuer Konflikt an. Das sogenannte Rentenpaket II, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich angekündigt hatten, sorgt den Grünen zufolge nicht für die notwendige Entlastung. Wie dringend eine solche notwendig ist, zeigt eine Anfrage des Bündnis Sahra Wagenknecht. Diese zeigte, dass Millionen von Deutschen weniger als 1.100 Euro aus ihrer gesetzlichen Rente erhalten. Damit würden sie unter die Armutsgrenze fallen.

Armutsgrenze in Deutschland (Destatis) 1.250 Euro
Rentner, die weniger als 1.100 Euro monatliche gesetzliche Rente erhalten 10,1 Millionen
Anteil der Deutschen, die privat fürs Alter vorsorgen 47 Prozent (Altersgruppe 18 bis 24)

Gesetzliche Rente reicht nicht aus – 10,1 Millionen Deutsche rutschen in die Altersarmut

Insgesamt betrifft diese Zahl mehr als die Hälfte (54,3 Prozent) der gesetzlichen Renten in Deutschland. Wie das Bundessozialministerium auf eine Anfrage des BSW hin mitteilte, sind es rund 10,1 Millionen Menschen, die weniger als 1.100 Euro monatlich erhalten. Zuerst hatte das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berichtet. Millionen von Menschen würden somit im Alter in die Armut entlassen, kritisierte die Parteivorsitzende Wagenknecht. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) liegt die Armutsgrenze deutschlandweit bei 1.250 Euro Monatseinkommen.

Sahra Wagenknecht in der 157. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude.
Sahra Wagenknecht in der 157. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Ein Großteil der gesetzlichen Renten in Deutschland liegt unter der Armutsgrenze. Das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert Veränderungen. © IMAGO / Future Image

Weiter fallen 12,4 Millionen Rentner unter die Grenze von 1.300 Euro monatliche Rente (66,6 Prozent) und 15,1 Millionen unter die 1.600 Euro monatlich (81,1 Prozent). Bei allen Zahlen berief sich das Bundessozialamt auf die aktuelle Statistik der Rentenversicherung. „Wenn mehr als die Hälfte der gesetzlichen Renten im Land unter 1100 Euro liegt, dann ist das Versprechen von Arbeitsminister Heil, das Rentenniveau dauerhaft auf dem heutigen Niveau festzuschreiben, keine Verheißung, sondern eine Verhöhnung der Menschen“, erklärte Wagenknecht. Sie forderte „mehr Einfluss der Bürger auf die Zukunft ihrer Renten.“

Das Bundessozialministerium zeigte sich ein Stück weit weniger besorgt, immerhin können Deutsche ja noch privat vorsorgen.

Junge Generation setzt eher auf private Vorsorge

In der Tat raten Versicherer immer wieder dazu, die eigene Altersvorsorge auf drei Säulen zu stellen: betriebliche, private und gesetzliche Vorsorge. Eine Umfrage des Versicherers Axa zeigte, dass besonders die junge Generation genau das bereits verinnerlicht hat – zumindest zum Teil. 47 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sorgen privat fürs Alter vor. In der Altersgruppe 25 bis 34 sind es 63 Prozent.

Allerdings spart etwa ein Drittel der Deutschen (32 Prozent) weniger, seitdem der Ukraine-Krieg tobt. Ein weiteres Drittel gab an, gar nicht privat vorzusorgen. Diejenigen, die vorsorgen, tun das mit eher geringen Beträgen. Das Bewusstsein für die Vorsorge ist allerdings da. 59 Prozent hatten bei der Axa-Umfrage angegeben, gern mehr sparen zu wollen. Allerdings würden ihre Finanzen das nicht zulassen.

Niedrige gesetzliche Rente ist kein Anhaltspunkt für tatsächliche Altersarmut

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gab gegenüber Wagenknecht an, dass sie aus einer niedrigen Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung „grundsätzlich nicht auf ein niedriges Alterseinkommen“ schließen könne. Rentenempfänger hätten weitere Einkünfte, zum Beispiel aus „Betriebsrenten, Einkünften von Partnern oder daraus abgeleiteten Ansprüchen auf Hinterbliebenenleistungen“, zitierte das RND einen Sprecher der Deutschen Rentenversicherung.

Wagenknecht forderte trotzdem mehr Kontrolle der Bürger über ihre Altersvorsorge. Bei der Bundestagswahl 2025 soll eine Volksabstimmung über das Rentensystem stattfinden, forderte die BSW-Vorsitzende. „Es sollte um ein faires System gehen, in das endlich alle Bürger einzahlen“.

„Alle“ Bürger würde auch Beamte umfassen – Experten zufolge würde sich eine solche Eingliederung zunächst negativ auf die Rententöpfe auswirken, weil die Pensionen um einiges höher seien und die Rententöpfe eher be- als entlasten.

Rentenpaket II soll Einkommen im Alter stabilisieren

Zuletzt hatten sich die Ampel-Parteien auf einen Kompromiss beim Rentenpaket II geeinigt. Dieser basiert auf zwei Säulen – erstens soll das Rentenniveau auf dem heutigen Stand stabilisiert bleiben und zweitens einen Weg in die Gesetzschreibung finden. Am Kapitalmarkt erwirtschaftete Gewinne sollen für die Finanzierung sorgen. Diese Einigung zog bereits Kritik nach sich. „Ich hoffe, dass die FDP das nicht mitträgt“, sagte zum Beispiel Franziska Brandmann, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, beim ZDF gegenüber Maybrit Illner. „Bei Ihnen, Herr Heil, fehlt komplett das Konzept.“

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