„Provokation mit Kampfhund“: Klimaaktivisten räumen Protestcamp gegen Gasbohrungen
Um gegen die geplanten Erdgasbohrungen in Reichling zu demonstrieren, hatten Klimaaktivisten ein Camp errichtet. Wegen „gezielter Provokation“ mit einem „Kampfhund“ haben sie es nun geräumt. Dennoch geht der Protest weiter.
Er habe das Camp jetzt aufgelöst, erklärt Aktivist Chris Baier. Er ist deutlich verärgert: Ein Mitarbeiter, der bei den Vorarbeiten für die geplante Probebohrung öfters vor Ort sei, würde ständig einen Kampfhund frei herumlaufen lassen. „Ich kann die Sicherheit am Camp nicht mehr gewährleisten“, so Baier.
Auch die Polizei war eingeschaltet und hatte den Hund begutachtet. Das Tier würde jedoch offiziell nicht als Kampfhund gelten: Es handle sich zwar um einen Hund der Klasse 2, der in Bayern ein Negativgutachten bräuchte, um nicht als Kampfhund zu gelten, teilt die Polizeidienststelle in Dießen auf Anfrage mit. Da das Tier aber in Nordrhein-Westfalen lebe und dort andere Regeln gelten würden, bräuchte der Hund laut Polizei auch kein solches Gutachten.
Der Mitarbeiter mit dem Hund wohnt laut Baier nur vorübergehend in einer Ferienwohnung in Reichling. Baier hatte wegen des Hundes Anzeige erstattet. Dafür gebe es aber keine rechtliche Handhabe, erklärt der Dienststellenleiter der Polizei Dießen, Alfred Ziegler. Allein die Tatsache, dass der Hund frei herumlaufe, rechtfertige keine Anzeige. Dies wäre nur der Fall, wenn es einen konkreten Vorfall gebe. Oder wenn der Mitarbeiter den Aktivisten mit dem Hund drohen würde – dann könnte es eine Anzeige wegen Nötigung geben.
Auf einen möglichen Vorfall wollen die Aktivisten aber nicht warten – sie fühlen sich durch die ständige Präsenz des Hundes bedroht, der im Übrigen auch auf landwirtschaftlichen Flächen allein herumlaufen würde – zum Unmut des betroffenen Bauern. Baier erklärt, er selbst sei noch öfters am Camp vor Ort, da immer wieder Gruppen oder Politiker vorbeikämen. „Aber es schläft hier niemand mehr.“
Dass der Mitarbeiter mit dem unangeleinten Hund direkt am Protestcamp – auf privatem Grund – aus dem Auto ausgestiegen sei, sei eine gezielte Provokation und außerdem eine Störung der Versammlung gewesen, meint der Aktivist.
Bürgermeister Johannes Hintersberger sieht die Sache nicht so dramatisch und mutmaßt, dass es den Aktivisten vielleicht einfach zu kalt geworden sei zum Übernachten.
BR-Sendung zum Thema
Das BR Fernsehen kommt mit seiner Sendung „jetzt red i“ am Mittwoch, 2. Oktober, nach Dießen. Ist es tatsächlich „rückwärtsgewandt“ im Landkreis Landsberg nach Erdgas zu bohren? Schließlich will Bayern bis 2040 klimaneutral sein. Oder ist das Gas die wichtige Brückentechnologie, ohne die die Energiewende nicht gelingen kann?
Über diese und andere Fragen diskutieren bei „jetzt red i“ Bürger mit Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (FW) und Lisa Badum (Grüne), Mitglied des Klima-Ausschusses im Bundestag.
Kostenlose Karten können Interessierte reservieren via E-Mail an jetztredi@br.de oder unter der Telefonnummer 089/5900-25299. Beginn der Sendung ist um 20.15 Uhr, Einlass in die Halle der Carl-Orff-Schule ist bereits ab 19.15 Uhr.
Weiterer Protestbrief gegen Gasbohrung
Indes hat nach dem Protestbrief von Landrat Thomas Eichinger auch Reichlings zweiter Bürgermeister der Gemeinde Reichling, Bernhard Pössinger, einen Brief an Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger geschrieben. Darin teilt er mit, dass die Gemeinde das Vorhaben ablehne. Innerhalb des Gemeinderates und der Bevölkerung gebe es erhebliche Bedenken hinsichtlich der geplanten Erdgasbohrung.
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Das Schreiben wurde bereits am 19. September versendet, wie die Gemeinde der Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen jetzt bestätigt hat. Der Gemeinderat hatte das Verfassen des Schreibens einstimmig in seiner Sitzung vom 22. Juli beschlossen (wir berichteten). In derselben Sitzung hatte sich der Gemeinderat auch einstimmig gegen die geplante Bohrung der Firma Genexco Gas ausgesprochen. Bernhard Pössinger führt in seinem Schreiben „Zweifel und Ängste“ vieler Einwohner ins Feld.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit großer Schäden gering sei, „könnten die Auswirkungen im Fall eines Unglücks sehr groß sein“, argumentiert er. „Eine Gefährdung unseres kostbaren Trinkwassers kann und darf nicht in Kauf genommen werden.“ Von Minister Aiwanger fordert er, „die Genehmigung sorgfältig zu überprüfen“. Die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger müssten höchste Priorität haben. „Eine umfassende und transparente Untersuchung sowie die Einbeziehung alternativer Energiequellen sind unerlässlich.“
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hält das Schreiben für ein wichtiges Signal: „Das Schreiben ist ein weiteres Zeichen, dass die Gas-Firma Genexco in der Region nicht willkommen ist“, sagte Stefan Krug, Leiter des Greenpeace-Landesbüros Bayern. „Die geplante Bohrung in Reichling ist überflüssig, umweltschädlich und gefährlich. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger muss die Ablehnung der Gemeinde ernst nehmen und die geplante Bohrung stoppen.“
Bürgermeister Johannes Hintersberger kennt den Inhalt des Schreibens, hat aber nicht mitunterschrieben. Die Sitzung sei damals von seinem Stellvertreter geleitet worden, deshalb habe er auch den Brief verfasst, erklärte Hintersberger. Er selbst sei ja bei der Diskussion im Gemeinderat nicht dabei gewesen und wisse auch nicht, was alles gesprochen worden sei. Unabhängig davon glaubt der Bürgermeister, dass der Brief „nichts bringt“: „Man schürt damit nur noch die Hysterie.“
Kein Infoabend
Für alle Reichlinger und Ludenhausener, die schon seit langem auf eine unabhängige Infoveranstaltung über die geplanten Bohrungen warten, hatte der Gemeindechef schlechte Nachrichten: Es wird nun doch keine Infoveranstaltung geben. Das Bergamt habe es abgelehnt, bei einer Infoveranstaltung in Reichling zu sprechen. Verantwortlich für die Absage an die Gemeinde macht Hintersberger die PR der Bürgerinitiative, die in seinen Augen sehr negativ sei. Da die Gemeinde so aufgehetzt sei, wolle das Bergamt nicht mehr kommen, teilte Hintersberger mit. Und ohne die Beteiligung des Bergamtes könne die Gemeinde keine unabhängige Infoveranstaltung mehr machen.