„Wir dürfen länger jung sein“ - Drei Frauen sprechen über das Leben von Seniorinnen heute

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Angeregtes Frauengespräch im Medienhaus in Weilheim: (von links) Steffi Jung-Wirz, Christine Lang, Cornelia Geßner, Stephanie Uehlein und Kathrin Hauser. Das Thema lautete „Frauen und Alter“. © Andreas Jäger

Heute als Seniorin leben – welche Herausforderungen, aber auch welche Chancen sind damit verbunden? Auch darum ging es beim Frauengespräch, zu dem die Heimatzeitung drei Teilnehmerinnen eingeladen hatte.

Landkreis – Am 8. März wird jedes Jahr der Weltfrauentag begangen, der vor etwas mehr als 100 Jahren im Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen entstanden ist. Inzwischen ist es schon fast so etwas wie eine Tradition, dass die Redaktion der Heimatzeitung anlässlich des Internationalen Frauentages zum Frauengespräch einlädt. Heuer haben die beiden Redakteurinnen Stephanie Uehlein und Kathrin Hauser das Thema „Frauen und Alter“ gewählt und die Tierärztin Cornelia Geßner, die Sozialpädagogin Christine Lang (beide im Ruhestand) und die Dienststellenleiterin der Malteser-Kreisgliederung Weilheim-Starnberg, Steffi Jung-Wirz, dafür als Gesprächspartnerinnen gewinnen können (mehr Informationen zu ihnen am Ende des Beitrags).

Welches Bild haben Seniorinnen heute von sich und wie hat sich das aus Ihrer Sicht im Laufe der Jahre gewandelt?

Cornelia Geßner: Ich finde, wir haben unglaubliche Freiheiten im Vergleich zu den Frauen, die vor 30 bis 40 Jahren Seniorinnen waren. Wir dürfen länger jung sein, uns zum Beispiel bunter, peppiger kleiden. Die Kehrseite ist, dass es auch viel Einsamkeit gibt. Vielleicht war früher auch das familiäre Eingebundensein stärker. Generell finde ich es fast unglaublich, was die heute 80- bis 90-Jährigen alles erlebt haben. Das war schon eine Zeitspanne mit unheimlich vielen Veränderungen.

Christine Lang: Wir sind selbstbewusster geworden und wir schätzen unsere Selbständigkeit. Meiner Beobachtung nach werden ältere Frauen sehr oft gebraucht, damit sie auf die Enkelkinder aufpassen. Wenn ich das so anschaue, meine ich, ohne die Omas würde vieles gar nicht funktionieren. Und es stimmt, wir laufen nicht in Schutt und Asche herum. Wenn ich da an meine Oma denke, sie hat nur Schwarz getragen. Die medizinische Versorgung ist besser geworden. Ich wäre zum Beispiel nicht mehr hier, wenn das nicht so wäre.

Steffi Jung-Wirz: Ich muss Ihnen beiden recht geben. Seniorinnen haben sich wirklich verändert. Meiner Beobachtung nach gibt es zwei Lager: die Lebenslustigen, bei denen das Alter gar keine so große Rolle spielt, und die, die in einem Loch hängen und richtig leiden. Und meist erkennt man schnell, in welches Lager die jeweiligen Frauen gehören. Viele Seniorinnen sind heute digital unterwegs.

Lang: Was das Digitale angeht, habe ich oft den Eindruck, dass Senioren damit alleingelassen werden. Wer heute nicht mit dem Computer oder dem Smartphone umgehen kann, bleibt oft außen vor. Diese Menschen werden aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen.

Sie haben jetzt schon Probleme angesprochen, aber welche Probleme stehen für Frauen im Alter nach Ihrer Erfahrung im Vordergrund?

Jung-Wirz: Die Einsamkeit ist sicher ein Problem. Es gibt aber auch einen großen finanziellen Aspekt. Sobald der Partner stirbt, fallen viele Frauen in ein Loch – auch finanzieller Art. Viele Frauen haben nur eine kleine Rente. Diese Seniorinnen von heute haben noch gelernt, mit wenig Geld zurechtzukommen, sodass Miete, Strom und die Lebenshaltungskosten in der Regel bezahlt werden können. Aber das Drumherum wie Brille, Hörgerät, Zähne oder Tierarzt sind oft nicht zu stemmen.

Geßner: Ein Haustier ist oft sehr wichtig für alte Menschen. Tiere sind für viele Sozialpartner, die alles verstehen. Aber natürlich spielt hier auch der finanzielle Aspekt eine Rolle – für viele Seniorinnen kann das eine große Belastung sein. Teilhabe ist überhaupt schwierig, wenn man wenig Geld hat – und für Menschen, die sich nichts leisten können, besteht eine größere Gefahr, einsam zu werden.

Lang: Ich erlebe viele alte Frauen, die Angst vor Demenz haben, vor Abhängigkeit, vor Pflegebedürftigkeit. Was ich auch oft beobachte, ist, dass Frauen ihre pflegebedürftigen Partner versorgen und da natürlich sehr eingespannt sind. Dabei vermeiden viele, Hilfe von ihren Kindern oder anderen anzunehmen.

Geßner: Mir tun am meisten die älteren Menschen leid, die nicht mehr gesehen werden. Alte Leute, die nur noch allein sind. Die vereinsamen völlig.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Problemen zu begegnen?

Lang: Ich meine wirklich, dass nicht alles digitalisiert werden darf. Das würde gerade für die Frauen vieles erleichtern.

Geßner: Ich finde, es gibt schon viele Möglichkeiten für Seniorinnen, aber man muss sie auch wahrnehmen. Es gibt verschiedene Angebote in verschiedenen Bereichen. Immer vorausgesetzt, man ist gesund und fit genug, dann liegt es ein Stück weit auch an einem selber, ob man noch soziale Kontakte und Freunde hat.

Lang: Es gibt ja einfach auch zurückgezogene Menschen, für die wird es im Alter natürlich schwierig.

Jung-Wirz: Ich denke auch, die Entscheidung, ob man im Alter noch Kontakte hat, die trifft man viel früher.

Geßner: Meiner Meinung nach sollten sich alle frühzeitig Gedanken machen, was sie im Alter wollen. Sich zum Beispiel fragen, wie sie wohnen möchten.

Jetzt haben wir viel über die Probleme von Seniorinnen gesprochen, wie sieht es mit deren Chancen aus? Welche Möglichkeiten eröffnet das Alter?

Lang: Ich finde, wir leben in einer wirklich guten Zeit. Vieles hat noch Platz im Leben, es gibt zahlreiche Angebote. Wir können ins Theater gehen, nach München fahren, auch für die, die sich sportlich betätigen wollen, gibt es Einiges. Es gibt viele Möglichkeiten, sich irgendwo anzuschließen. Und ich bin auch eine Verfechterin des Ehrenamtes. Meinem Selbstwertgefühl tut die ehrenamtliche Arbeit sehr gut. Und es herrscht großer Bedarf nach ehrenamtlicher Arbeit. Ohne die würde es in der Gesellschaft viel schlechter aussehen. Ich meine, uns Alten geht es schon gut.

Geßner: Ich finde es schön, nicht mehr so zuständig zu sein wie früher mit Familie, Hausarbeit und der Sorge um Eltern und Schwiegereltern. Und ich finde es wichtig, zu sehen, wie viel Zeit wir noch haben. Als alter Mensch hat man eine gewisse Narrenfreiheit, so empfinde ich das. Mir ist aber auch bewusst, dass wir hier zu den Privilegierten gehören: Wir haben genug Geld und sind im Großen und Ganzen gesund. Da geht es anderen viel schlechter.

Jung-Wirz: Meiner Beobachtung nach genießen die Senioren, dass im Alter viel Druck genommen ist – auch Zeitdruck. Der Haushalt, die Familie und der Mann sind nicht mehr so fordernd, wie sie das in jungen Jahren oft sind. Relativ häufig beobachte ich auch, dass die Frauen, wenn sie verwitwet sind, bei all der Trauer darüber, dass ihr Mann verstorben ist, es auch ein Stück weit genießen, dass sie dann mehr ihr Leben leben können. Dass sie zum Beispiel über das Fernsehprogramm bestimmen können, sich mit Freundinnen treffen können, wann sie möchten. Das Ehrenamt sehe ich auch als gute Möglichkeit, weiter an der Gesellschaft teilzuhaben. Bei den Senioren schlummert ja ein großer Erfahrungsschatz, viel Wissen. Im Ehrenamt können sie das weitergeben und erfahren, wie wertvoll ihre Erfahrungen und ihre Weisheit für die Gesellschaft sind.

Geßner: Zumal viele im Ruhestand ja noch voll in der Kraft sind. Wenn sie etwas von ihrem Wissen weitergeben, ist das absolut wertvoll.

Jung-Wirz: Diesen erfahrenen Blick aufs Leben, dass die, die so viel erlebt haben, weitergeben können, wie viel man als Mensch überstehen und meistern kann: Wenn das in der Gesellschaft ankommt, profitieren alle ungemein. Die Weisheit und Ruhe, die viele alte Menschen haben, ist absolut wichtig für die Jüngeren.

Wenn Sie persönlich zurückblicken: Welches war die schönste und welches die anstrengendste, herausforderndste Zeit in Ihrem Leben?

Geßner: Ich war richtig gerne Mutter und Familienfrau und immer nur teilweise berufstätig. Mein Mann, unsere Kinder, die Tiere, die wir hatten, alles war gut. Ich fühlte mich in diesem Familienkokon ganz aufgehoben. Nach dem Tod meines Mannes hat sich vieles geändert, ich musste dazulernen und meinen Platz neu finden. Mit dem Alleinsein komme ich gut zurecht, aber es belastet auch. Es ist wichtig, zu einem Menschen zu gehören und für jemand anderen die Nummer eins zu sein – das muss kein Partner sein.

Lang: Ich kann das gar nicht so eindeutig sagen. Es gab immer Zeiten, die belastend waren und andere. Ich komme aus einfachen Verhältnissen, aus der Einöde. Ich bin in der Wildnis aufgewachsen. Das war als Kind und Jugendliche oft hart, hat mir aber später sehr viel geholfen. Meinen Eltern war unsere Bildung sehr wichtig. Für mich waren die Jahre der Ausbildung nicht leicht. Ich musste mich viel trauen. Ich hatte etwas anderes gelernt. Auch der Berufseinstieg war holprig. Dann ist das gelaufen, dann habe ich noch eine berufsbegleitende Ausbildung gemacht und hatte eine Leitungsfunktion inne. Für mich waren neue Aufgaben immer erst mit Unsicherheit verbunden. Das war dann hart, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer wieder aufwärts geht. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich als Frau so leben konnte, wie ich es getan habe. Mein Beruf wurde mir zur Berufung und das hilft mir auch heute noch in der ehrenamtlichen Arbeit.

Und zum Schluss vielleicht noch ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich denn nach Ihrer Einschätzung die Welt von Seniorinnen verändern?

Jung-Wirz: Ich denke, dass ich länger arbeiten muss. Ich denke, dass wir künftig offener bleiben – auch, weil wir es müssen. Generell glaube ich, dass sich die Alterszeiten nach hinten verschieben. Die Möglichkeiten sind ja heute schon andere als früher.

Lang: Das ist eine schwierige Frage, weil man ja nicht in die Zukunft schauen kann. Manchmal mache ich mir schon Sorgen. Ich hoffe, dass die nächsten Generationen mit dem, was auf sie zukommt, umgehen können. Eigentlich mag ich positiv in die Zukunft schauen, andererseits sorge ich mich. Ich hoffe immer noch, dass alle gut zurechtkommen.

Geßner: Die Sorgen teile ich. Andererseits wächst da eine neue Generation heran, die anders mit den Dingen umgeht. Was wir Frauen vielleicht noch lernen könnten ist, dass wir uns besser vernetzen, unsere Kraft bündeln und solidarisch sind. Ich habe Hoffnung, wenn ich sehe, welche unglaubliche Entwicklung Frauen in den vergangenen 50 bis 60 Jahren genommen haben.

Zur Person: Cornelia Geßner

Cornelia Geßner ist 71 Jahre alt, promovierte Tierärztin – inzwischen im Ruhestand –, verwitwet, hat zwei Kinder und zwei Enkel. Sie lebt seit rund 40 Jahren in der Region und inzwischen in Weilheim. Sie engagiert sich dort ehrenamtlich im Team des Weltladens. Zudem singt Cornelia Geßner im Chor der Apostelkirche, wo sie neben dem Singen diverse Aufgaben übernommen hat.

Zur Person: Steffi Jung-Wirz

Steffi Jung-Wirz ist 55 Jahre alt, arbeitet als Dienststellenleiterin der Malteser-Kreisgliederung Weilheim-Starnberg, ist verheiratet und hat drei Kinder sowie ein Enkelkind. Sie lebt in Oberhausen. Bei ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie, wie sie erklärt, die Senioren im Fokus und sieht einen großen Bedarf an Angeboten für diese Gruppe.

Zur Person: Christine Lang

Christine Lang ist 73 Jahre alt, Sozialpädagogin – seit rund zehn Jahren im Ruhestand –, ledig, pflegt aber intensive Kontakte zu ihrer Familie, ist zum Beispiel aktive Tante, wie sie sagt. Seit dem Jahr 2002 ist sie die Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes Mariä Himmelfahrt in Weilheim. Ihre anderen Ehrenämter, zum Beispiel die Mitgliedschaft im Pfarrgemeinderat, hat sie inzwischen abgegeben. Sie stammt ursprünglich von einem kleinen landwirtschaftlichen Anwesen auf einem Weiler und lebt schon lange in Weilheim.

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