Unterwegs mit völlig verzweifelter Wiesn-Besucherin: „Auf dem Heimweg hat sie dann alles erzählt“
Oft sind seine Gäste reichlich betrunken, wenn sie bei ihm aufkreuzen. Ein Rikschafahrer verrät, wie er die Oktoberfest-Zeit in München erlebt.
München – Eigentlich sei die Rikscha auch nichts anderes als ein Fahrgeschäft, sagt Thomas R.* „Die meisten machen es wegen der Gaudi. Und man fährt schon so, dass die Leute ihren Spaß haben.“ Während der zurückliegenden Wiesn war der 35-Jährige fast jeden Tag unterwegs. Auch 2024 wartet er an den einschlägigen Haltepunkten auf Fahrgäste.
Zum Rikschafahren ist R. einst über seinen damaligen Mitbewohner gekommen. „Er hat mir von einem coolen Nebenjob mit vielen Freiheiten vorgeschwärmt.“ R. probierte es aus und gab ihm recht. In den Sommermonaten sitzt der Münchner zwischen vier- und sechsmal im Sattel. Bis er dann zum Anstich sein Pensum wieder hochfährt.
Rikschafahrer während Oktoberfest unterwegs: „Reingespiehen hat mir noch keiner“
„Es ist schon verrückt, wie viele Leute das Wiesn-Bier (2024 kostet die Mass in einigen Zelten über 15 Euro, d. Red.) komplett unterschätzen“, berichtet der Rikschafahrer von seinen Beobachtungen. Er wolle das aber nicht verurteilen. „Viele von uns waren wahrscheinlich schon selbst mal in einer ähnlichen Situation.“

Als Rikschafahrer ist R. oft die letzte Hoffnung für Betrunkene. „Taxifahrer nehmen sie oft gar nicht mehr mit. Dann ist das eine ganz gute Lösung.“ Wenn seinen Passagieren der Fahrtwind nicht bekommt, fährt der 35-Jährige rechts ran. „Reingespiehen hat mir noch keiner“, sagt R. mit einem Schmunzeln.
Wie Rikschafahrer Preise während der Wiesn festlegen:
Es gebe Standardtarife, die sich unter den Fahrern etabliert hätten, erzählt R. „Das folgt einem ganz normalen Prinzip. Abends sind die Preise höher.“ Von den ausgewiesenen Stellplätzen an der Festwiese bis zum Bereich am Hauptbahnhof, in dem viele Hotels liegen, müsse man mit etwa 30 Euro rechnen. „Ich will niemanden abziehen, das fände ich ungerecht“, sagt der 35-Jährige. „Wenn ich eine nette Familie mit Kindern fahre, gehe ich mit dem Preis auch mal ein bisschen runter. Auf die Wiesn zu gehen, ist schon teuer genug.“
Fahrt während Wiesn 2023: Heimweg mit „komplett verzweifelter“ Dame
Eine Fahrt aus dem vergangenen Jahr ist ihm in besonderer Erinnerung geblieben. Gestützt von einer Helferin sei eine „völlig verzweifelte“ Dame an seiner Rikscha aufgetaucht. Ob er sie nicht nach Hause fahren könne? Ihr Angebot lag unter dem Normalpreis, R. strampelte trotzdem los. „Stehen lassen konnte ich sie auch nicht.“
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„Auf dem Heimweg hat sie mir dann alles erzählt“, erinnert sich der 35-Jährige. Dass sie einen Mann und Kinder habe, die zu Hause auf sie warten würden. Und, dass sie sich überhaupt nicht erklären könne, warum sie in den vergangenen Stunden so betrunken geworden sei. „Sie war dann sehr froh, als wir vor ihrer Haustüre gestanden sind.“
„Männer wollen öfter nochmal losziehen, obwohl sie schon am Hotel angekommen sind“
Den Wiesn-Erlebnissen der Rikschafahrer hat der Journalist Alexander Gutsfeld einen eigenen Podcast gewidmet. Er sei im vergangenen Jahr erst durch Kunden auf das „Lederhosen-Kartell“ aufmerksam geworden, sagt R. Was Gutsfeld seinen Hörern erzählt, könne er nur bestätigen. „Meinen Fahrgästen sage ich jetzt immer: Hört euch das an, genau so läuft's ab.“
Gutsfeld lässt in seinem Podcast dreiste BWL-Studenten zu Wort kommen, spricht mit einem Drogendealer und behandelt ein Thema, das auch R. bei seinen Fahrten immer wieder unterkommt. „Männer wollen öfter nochmal losziehen, obwohl sie schon am Hotel angekommen sind. Letztes Jahr ist es ungefähr fünfmal passiert, dass ich noch ein Bordell ansteuern musste.“
*Name von der Redaktion geändert.