Nicht wohnen „wie ein Maulwurf“: Wolfratshauser Bauausschuss lehnt Flüchtlingsunterkunft ab

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Im Gebäude an der Schießstättstraße 100 will ein privater Investor Unter- und Erdgeschoss für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen. Die Mitglieder des Bauausschusses des Stadtrats lehnten das in ihrer jüngsten Sitzung ab. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Mit 0:10 Stimmen lehnte der Wolfratshauser Bauausschuss eine Flüchtlingsunterkunft ab. Mit den Gegebenheiten dort waren die Mandatsträger nicht einverstanden.

Wolfratshausen – Die Zugangszahlen von Asylsuchenden nach Bayern sind deutlich gesunken. Das bilanzierte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor wenigen Tagen. Bis Ende August seien rund 8900 Asylsuchende in den Freistaat gekommen, im selben Zeitraum vergangenen Jahres seien es etwa 23 000 Männer, Frauen und Kinder gewesen. Nichtsdestotrotz beantragten zwei private Investoren, eine in der Flößerstadt bestehende Unterkunft aufzustocken beziehungsweise eine neue zu errichten. Beide Projekte lehnte der Bauausschuss des Stadtrats in seiner jüngsten Sitzung ab.

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„Ja, der Druck ist aktuell nicht sehr hoch“, sagte Rathauschef Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung) vor der Sitzung im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch er gehe davon aus, dass zeitnah die Zahl der Geflüchteten, die der Loisachstadt zugewiesen werden, wieder steigt. Eine Unterbringungsmöglichkeit will ein Investor im Gebäude an der Schießstättstraße 100 herstellen. Sein Plan: Lagerflächen im Untergeschoss und Verkaufsflächen im Erdgeschoss umbauen, um Platz für 52 Betten zu schaffen. Konkret beantragte er eine Nutzungsänderung, diese allerdings zeitlich unbegrenzt.

Rathauschef und Vize warnen vor einem Präzedenzfall

Für Rathauschef Heilinglechner war das Thema damit schon abgehakt. Eine unbefristete Nutzung der Immobilie als reines Wohngebäude in einem Mischgebiet? Das wäre ein Präzedenzfall, auf den sich andere Bauwerber berufen könnten. „Da werde ich so nicht mitgehen“, sagte der Bürgermeister. Ins selbe Horn stießen sein Stellvertreter Günther Eibl (CSU) und Josef Praller (Bürgervereinigung). Letzterer konstatierte, dass das Objekt „gänzlich ungeeignet für die Unterbringung von 52 Personen sei“.

Scharfe Kritik kommt von den Grünen-Vertretern

Hans-Georg Anders (Grüne) pflichtete Praller bei. Ins „Kellergeschoss“ des Gebäudes an der sogenannten Tapsi-Kreuzung dringe kaum Tageslicht. Die Männer, Frauen und Kinder, die dort leben müssten, kämen sich mutmaßlich „wie ein Maulwurf“ vor, so Anders. Sein Parteifreund Dr. Hans Schmidt empörte sich angesichts einer Raumhöhe im Untergeschoss von zwei Metern: „Das ist unzumutbar.“ Mit 0:10 Stimmen fiel das Nein der Stadträte zur beantragten Nutzungsänderung eindeutig aus.

Denkbar knapp war dagegen die Entscheidung mit Blick auf die bestehende Unterkunft für derzeit 150 Geflüchtete an der Königsdorfer Straße 40. Der Eigentümer hatte wie berichtet bereits im Juni beantragt, das auf dem Grundstück östlich gelegene eingeschossige Gebäude – eine ehemalige Betriebsunterkunft – zur Unterbringung von 16 weiteren Asylsuchenden umbauen sowie zusätzliche Duschcontainer und Toiletten aufstellen zu dürfen. Der Stadtrat lehnte das mit großer Mehrheit ab. Nach einer Umplanung – zahlreiche noch im Juni gewünschte Befreiungen vom Bebauungsplan hatten sich dadurch erledigt – unternahm der Investor nun einen zweiten Anlauf. Fünf Mitglieder des Bauausschusses waren mit dem Vorhaben einverstanden, fünf nicht. Ein Patt heißt Nein, der Antrag gilt als abgelehnt.

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Container auf dem Grundstück „nur zwischengelagert“

Ihrem Unmut machte in der kurzen Debatte CSU-Stadträtin Renate Tilke Luft. Das Freigelände auf dem Grundstück an der Königsdorfer Straße 40 sehe „entsetzlich“ aus. Einen Grünstreifen, den der Investor anlegen wollte, würde es nicht geben – stattdessen sei das Areal mit Wohncontainern übersät. „Tierwohl wird beachtet, aber auch Menschen sind wichtig“, gab Tilke zu Bedenken. Sie sei mit dem Status quo „ganz und gar unzufrieden“.

„Die Container sind da nur zwischengelagert, sie werden nicht belegt“, berichtete Rathauschef Heilinglechner. Die Blechbüchsen stammen nach seinen Worten aus Lenggries und sollen nach Geretsried weitertransportiert werden. Wann genau, könne er nicht sagen. Dort, konkret im Geltinger Gewerbegebiet, will ein Investor eine Flüchtlingsunterkunft für 260 Menschen bauen. Ein Ansinnen, das wie berichtet in der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Geretsrieder Stadtrats für Unmut sorgte.

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