So viele Künstler wie noch nie präsentieren ihre Werke bei der Kunstmeile in Wolfratshausen. 65 Geschäfte öffnen dafür ihre Türen. Die Kunstmeile geht bis 12. Oktober.
Soll niemand sagen, für diese zehnte Kunstmeile würde nicht genug getrommelt. Bereits 20 Minuten vor Beginn der Eröffnungsfeier im Innenhof des Wolfratshausener Rathauses macht eine achtköpfige Abordnung der Brasil-Trommelgruppe „Via-Jante“ ordentlich Tamtam entlang des Ober- und Untermarktes. Ein paar neugierige Passanten bleiben stehen, immerhin. Kunst im Stillen, das ist nix.
Lautstarker Auftakt also am späten Freitagnachmittag. Der Startschuss für die nächsten 16 Tage (bis 12. Oktober), bei dem der Innenstadtring eben auch tolle Kunstmeile sein soll, eine „Art Open-Air-Galerie“ wie es der Veranstalter, der Verein Lebendige Altstadt Wolfratshausen“ (LAW), auch nennt. 101 Künstler stellen hier aus, die meisten in den zahlreichen Geschäften. 101 – das ist Rekord, seit dieses Event 2009 zum ersten Mal stattgefunden hat. „65 Gewerbetreibende haben dafür Räume zur Verfügung gestellt“, betont LAW-Chef Ernst Gröbmair in seiner Eröffnungsrede nicht ohne Stolz. Der edel gestaltete Ausstellungskatalog umfasst 200 Seiten. Verkaufsflächen zu Ausstellungsflächen, Kunst und Kommerz. Orangefarbene Luftballons weisen den Weg, markieren die Ausstellungsorte. Und warum auch nicht? Raus aus dem Elfenbeinturm könnte man auch sagen.
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Elegante Holz-Skulpturen im Kosmetik-Geschäft
So sieht das etwa Miriam Altinisik. Sie betreibt das Geschäft Jungbrunnen, Beauty & Kosmetik. „Ich will die Kunst fördern“, sagt sie. Einem Künstler „was Gutes tun“ und es geht ihr darum, „Wolfratshausen zu unterstützen“. Im konkreten Fall unterstützt sie vor allem Thomas Böllmann aus Harburg in Schwaben, Böllmann stellt seine eleganten Holz-Skulpturen in dem Geschäft am Obermarkt schon zum vierten Mal aus, wie er erzählt. Die kommen nach seinen Worten beim Publikum an, „ab dem nächsten Jahr will ich nur noch von der Kunst leben“.
Die Kunstmeile lädt uns ein, stehenzubleiben, genauer hinzuschauen und ins Gespräch zu kommen.
Kommunikation im öffentlichen Raum. „Die Kunstmeile lädt uns ein, stehenzubleiben, genauer hinzuschauen und ins Gespräch zu kommen“, postuliert Bürgermeister Klaus Heilinglechner. Es gehe um Inspiration und „Räume der Begegnung.“ In einem dieser Räume präsentiert in diesen Tagen Carolin Kunz ihre zumeist bunten Gemälde zwischen Jacken, Pullovern und Hosen, genauer gesagt im Damenmodengeschäft Bonita. Petzold ist zur Kunstmeilen-Eröffnung aus Oberhaching gekommen, zusammen mit ihrer Freundin und Nachbarin Angela Petzold. „Mir ist Haptik wichtig“, weshalb sie etwa, fast unmerklich, zum Beispiel Federn unter die Acryl-Farben gelegt hat. Das verleiht ihren Werken etwas unruhig Mehrschichtiges. Freundin Petzold hat es hingegen nicht so mit bildender Kunst, sie singt lieber im Chor.
Kunst sollte berühren, bewegen oder zum Schmunzeln bringen
Thomas Holz ist auch angereist. „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“, zitiert der Stellvertreter von Landrat Josef Niedermaier und CSU-Stimmkreisabgeordnete den berühmten Pablo Picasso. Seine Definition von Kunst: „Wenn es uns berührt, bewegt oder zum Schmunzeln bringt“, sagt Holz.
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Jemand wie Renate Thalhammer hält sich mit Schmunzeln indes nicht lange auf. Die Wolfratshauser Künstlerin denkt sprichwörtlich groß, sie stellt im ehemaligen Poco Loco aus, wo bis vor Kurzem italienische Mode angeboten wurde. „Der Laden ist hier kurzfristig freigeworden“, sagt sie. Zu seiner Eröffnung 2012 hatte sie ihn mit zwei großformatigen Acrylbildern auf Leinwand mit gestaltet. Drei Meter hoch, eineinhalb Meter breit. Ihre Ausstellung in der Loisachstadt sei auch eine Art Abschied. „Ich will Gefühle wecken, ästhetisches Bewusstsein fördern“, sagt Thalhammer.
Am Anfang waren es nur 25 Künstler
Ideen liegen ja auf der Straße, findet Hans-Werner Kuhlmann. Damals, 2007, hat er festgestellt, dass es in Wolfratshausen viele leerstehende Schaufenster gab. Die wollte er beleben, die Idee zur Kunstmeile war geboren. Es ging bescheiden los: „Auf der ersten Ausstellung hatten wir nur 25 Künstler“, erinnert sich Kuhlmann. Das Konzept sprach sich rum, die Kunstmeile wurde immer länger. Irgendwann hat Kuhlmann die Leitung abgegeben, „da mussten auch neue Leute, mit neuen Ideen ran“.
Freitagabend, 19 Uhr: Die Trommelgruppe hat aufgehört, Stimmung zu machen. Unter- und Obermarkt sind menschenleer. Es ist wieder still um die Kunst geworden.