Die Steilvorlage „Energieautark bis 2030“ ist für den Abwasserverband Obere Iller (AOI) nicht nur eine Absichtserklärung. Mehrere Projekte, die auf dieses Ziel hinführen sollen, sind bereits angestoßen und in der Umsetzung. Jetzt soll ein Konzept eine attraktive Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dazu koppeln.
Oberallgäu – Der Verbandsvorsitzende des AOI, Dieter Fischer, sprach von „viel ma sott“ als er die Aufgaben, denen sich der AOI widmen sollte und wolle aufzählte: Photovoltaik, Molkenutzung, Digitalisierung, Faulschlammtrocknung. „Alles wichtige Ideen für die Zukunft.“ Orientierung auf diesem Weg zeigte in der jüngsten Verbandsversammlung Arthur Dornburg vom Beratungsbüro bluemove-consulting auf. Ein Weg, den ein zweistufiges Verfahren jetzt ebnen soll.
Der erste Schritt wurde bereits getan, indem der AOI eine „Skizze“ seiner Projekte und Pläne für eine klimaneutrale Abwasserbehandlung einreichte. Konkret geht es um den Auf- und Ausbau der Photovoltaik-Schiene, die bessere Faulgas-Ausbeute, Digitalisierungspotenzial und die Klärschlammtrocknung. Knapp zehn Millionen Euro Investvolumen bei einer Förderquote von 50 Prozent. Der entscheidende Meilenstein für den Zugang zur Fördermaßnahme „Investive kommunale Modellprojekte“ soll nun nach dem „Anklopfen“ durch die Skizze mit einem „richtigen“ Antrag“ beim Bundes-Wirtschaftsministerium passiert werden.
Damit signalisiere man Sicherheit, dass alles zur Ausführung komme und das Projektpaket die beträchtliche begleitenden Förderung verdiene, betont Dornburg. „Dann kann man es nur noch selbst verbocken“, so sein Kommentar, denn an dem eingereichten Marschplan dürfe nicht mehr gerüttelt werden, wenn er angelaufen sei. Losgehen soll es schon im kommenden Jahr mit einer geplanten Fertigstellung im Jahr 2029. Bis Mitte Juni muss der Abwasserverband den Antrag stellen. Der Beschluss dazu fiel in der Versammlung einstimmig.
Das Konzept, das das Büro bluemove-consulting vorstellte und das Grundlage des Antrags sein wird, sieht Bausteine vor, die der AOI ohnehin in den kommenden Jahren anpacken wolle. Vor allem die wichtige Klärschlammtrocknung erweist sich bislang als sehr energie- und damit kostenintensiv. Inzwischen seien mehrere Varianten zu unterschiedlichen Kosten auf dem Markt. „Heute fahren Sie viel Wasser weg“, beschrieb Frank-Steffen Schmid vom Ingenieurbüro Jedele & Partner in Stuttgart den Ist-Zustand.
Statt bisher rund 5000 Tonnen pro Jahr könnte man auf 1500 Tonnen kommen. Mit moderner Technik könne man den Trockenmasseanteil auf bis zu 92 Prozent steigern: Und durch die dann aus dem gewonnenen Granulat zu erreichende hohe Energieausbeute schaffe man „völlig andere Rahmenbedingungen“. Schmids Rechnung: Weniger Masse, weniger Kosten für Entsorgung – und zugleich Erlös aus Brennstoff. Trocknung lohne sich, wenn gratis Abwärme aus der eigenen Anlage genutzt werden könne. Im Prinzip erzeuge man „Braunes Gold“, brachte es Schmid auf den Punkt, also wertvollen Brennstoff.
Aus dem aktuellen Förderprogramm im Rahmen der Nationalen Klimaschutz-Initiative des Bundes für fließen vier bis sechs Millionen Euro an den Verband. In zehn Jahren soll sich die Investition amortisieren, so die Kostenschätzung. Optimistisch nahm Verbandsvorsitzender Dieter Fischer die präsentierten Szenarien auf: „Das kriegen wir finanztechnisch hin, ohne andere Vorhaben zu vernachlässigen. Geschäftsführer Siegfried Zengerle findet vor allem das Potenzial der Klärschlammtrocknung beeindruckend: „Ein großer Schritt nach vorn. Wasser durch die Gegend zu fahren, das kann’s nicht sein.“ Und Verbands-Vize Alois Ried verweist auf die gute Förderung „für Dinge, die wir ohnehin brauchen“. Ohnehin habe der AOI viele Sachen schon angepackt und „super abgearbeitet“, lobt Schmid die Zukunftspläne des Verbandes. „So kann es weitergehen.
Der rote Faden
Denn nach dem aktuellen Förderprojekt sieht Schmid weiteren Handlungsbedarf und stellte eine Gesamtkonzeption für die Jahre bis 2036 vor – den „Roten Faden“. Darin sollen weitere Optimierungen und zukunftsorientierte Komponenten abgearbeitet werden, unter anderem die Sanierung des Faulturms 1 oder von Betriebsgebäuden. Unterm Strich kommt die Kostenplanung dafür auf rund 36 Millionen Euro in einem Zeitraum von zwölf Jahren. Effektiv treffe es den AOI mit insgesamt 30 Millionen Euro, wobei der Verband erklärtermaßen planmäßig jedes Jahr drei Millionen investieren will. „Die Kosten für den Verband können damit konstant gehalten werden“, wirbt Schmid für das Konzept.
Durch die schrittweise Umsetzung von effektiven und wirtschaftlichen Maßnahmen werde das Ziel einer klimaneutralen Kläranlage erreicht. Mit dem Modellprojekt für kommunale Abwasserverbände sei nicht das Ende der Entwicklung erreicht, deutet Schmid weiter an. Verschärfte Vorschriften stünden ins Haus und ebenso die sogenannte 4. Reinigungsstufe bei der es unter anderen um Substanzen im Abwasser gehe, die aus Arzneimitteln oder Kosmetika stammten. Inwieweit die Hersteller bei den Kosten der Abwasserbehandlung im Boot seien, bleibe erst einmal offen.
Beim aktuellen „Tagesgeschäft“ kann der AOI ebenfalls gute Nachrichten liefern. So ist seit wenigen Wochen das zweite Blockheizkraftwerk in Betrieb. Zusammen leisten beide Anlagen bis zu 81 Prozent der Eigenstromerzeugung. Die Arbeiten für die neue Gebläsestation sind im Zeit- und Kostenplan. Durch hohe Förderquote und gute Ausschreibungen sei es gelungen, rund eine Million Euro unter den ursprünglichen Plankosten zu bleiben. Ende des Jahres soll die neue Gebläseeinheit in Betrieb gehen.
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