Kursverluste bei Tech-Aktien: „Das ist eine normale Korrektur“

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Ein Börsenhändler an der Wall Street in New York zeigt einem Basketball-Star das Auf und Ab der Kurse. Beim amerikanischen Technologieindex Nasdaq ging es zuletzt kräftig abwärts. © Michael M. Santiago/Getty Images/AFP

Kapitalmarktexperte Heiko Böhmer spricht im Interview über die jüngsten Kurskapriolen bei Aktien, die Zinswende, Unternehmensgewinne und den Konflikt im Nahen Osten.

München - Erst lange bergauf, dann heftig bergab, nun wieder steil bergauf: Die Nervosität an den Börsen ist zurück. Der US-Technologieindex Nasdaq ist vergangene Woche um mehrere Prozent eingeknickt, auch für den deutschen Dax, den Nikkei in Japan oder den europäischen Eurostoxx ging es nach unten. Diese Woche nun die Trendwende, plötzlich ist die Stimmung wieder gut. Was die Börsen im Moment umtreibt, erklärt Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege der Fondsgesellschaft Shareholder Value Management.

Kapitalmarktexperte Heiko Böhmer: „2023 war ein Jahr der Resilienz an den Börsen“

Herr Böhmer, Die Nervosität ist an den Börsen momentan hoch. Was ist da los?

Seit Anfang November haben nicht nur viele Einzelwerte, sondern auch viele Indizes um mehr als 30 Prozent zugelegt. Das passierte auch im Hinblick auf die bevorstehende Zinswende. Die scheint nun später zu beginnen und eine geringere Dynamik zu haben. Genau so etwas ist dann der Nährboden für eine leichte Korrektur an den Börsen und die haben wir zuletzt auch gesehen. Grundsätzlich ist das Gesamtbild aber noch in Ordnung, in den vergangenen Tagen ging es ja auch bereits wieder aufwärts.

Weshalb ist es für die Börsen so wichtig, wie sich die Zinsen entwickeln?

Zinsen sind nun einmal der Preis für das Geld. Und frisches Kapital ist der Treibstoff für die Börse. Die Aussicht auf wieder sinkende Zinsen ist somit positiv für die Aktienmärkte. Dass die Zinswende später kommt als erwartet, hat die Anleger aber eben etwas enttäuscht.

Wieso trifft das vor allem die Technologiewerte?

Auch hier wirken auf den ersten Blick einfache Mechanismen: In der Regel sind Technologieunternehmen viel mehr auf Fremdkapital durch Kredite angewiesen als beispielsweise etablierte Industriekonzerne. Sollte die Zinswende nun später beginnen, müssen die Technologiewerte noch längere Zeit im Umfeld der höheren Zinsen agieren. Deshalb trifft es sie besonders, wenn die Zinswende später beginnt und vorsichtiger ausfällt als erwartet.

Anders als lange gedacht dürften die Zinsen in Europa früher fallen als in den USA. Ist das ein Plus für europäische Aktien?

Eine mögliche vorgezogene europäische Zinswende wäre für europäische Aktien zunächst positiv. Aber: Die USA sind der wichtigste Börsenplatz der Welt. Wie wichtig er ist, sieht man daran, dass die dort gelisteten Unternehmen im Weltaktienindex MSCI World ein Gewicht von fast 70 Prozent haben. Insofern gibt die Wall Street schlicht den Takt vor und bestimmt letztendlich die Stimmung an den Börsen – auch für europäische Aktien.

Welche Rolle spielt der Konflikt im Nahen Osten? Gibt es an den Börsen Ängste, dass die Lage eskaliert?

2023 war ein Jahr der Resilienz an den Börsen. Da haben die vielen geopolitischen Konflikte wie vor allem der in der Ukraine oder die brenzlige Lage in Taiwan einfach keine nennenswerte Rolle gespielt. Bislang sieht es auch 2024 so aus, als ob sich dieser Trend trotz der Eskalation des Nahost-Konfliktes grundsätzlich fortsetzt – auch wenn viele Indizes zuletzt etwas verloren haben. Doch das ist eine normale Korrektur, wie sie an den Märkten immer wieder vorkommt, nachdem die Kurse zuvor so stark gestiegen sind wie zuletzt in den vergangenen sechs Monaten.

Viele Unternehmen legen gerade Quartalsberichte und Ausblicke für das Geschäftsjahr vor. Wie steht es um die Unternehmensgewinne? Zu Wochenmitte haben gute Zahlen den Dax ja wieder über 18000 Punkte gehoben.

Unternehmensgewinne sind neben der Zinsentwicklung der zweite wichtige Faktor für die langfristige Entwicklung der Aktienkurse. Daher lohnt sich der Blick darauf natürlich schon. Bei den im US-Aktienindex S&P 500 gelisteten Unternehmen, die bisher ihre Zahlen zum ersten Quartal vorgelegt haben, sind die Gewinne um rund elf Prozent gestiegen. Beim Umsatz ging es im Durchschnitt um knapp fünf Prozent nach oben. Das liegt deutlich über den Erwartungen. Doch bislang haben auch erst knapp 20 Prozent der Unternehmen ihre Bilanzdaten vorgelegt, in Deutschland ist der Wert sogar noch geringer. Komplett aussagekräftig ist das also noch nicht. Deshalb sollte man im Blick behalten, wie die Bilanzsaison weiter läuft.

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