Partystimmung an der Börse: Warum trotz Krieg und Krisen die Korken knallen
An den Börsen läuft die Weihnachtsfeier schon seit Wochen: Gold kostet so viel wie noch nie, die Aktienmärkte kratzen an Rekorden. Dabei sind die Gründe für die Freude oft alles andere als fröhlich.
Frankfurt/New York – Die weiter eskalierenden Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, weltweit schwache Wirtschaftsdaten und daneben auch noch der Haushaltsstreit in Deutschland, wo plötzlich viele Milliarden für die Wirtschaft und die Bürger fehlen: Wer momentan die Zeitung aufschlägt, kommt nicht zwangsläufig in Hochstimmung. An den Börsen scheint die schlechte Laune aber abzuperlen: Der Dax schloss am Dienstag (5. Dezember) über dem Rekord auf 16.533,87 Punkte. Und auch der amerikanische Dow Jones könnte schon bald ein neues Allzeithoch erklimmen. Da fragt man sich schon: Wie passt das bitte mit der Krisenstimmung und der Wirtschaftsschwäche zusammen?
Die Antwort: Es passt, zumindest wenn man über Bande denkt. An den Börsen spielt man nämlich folgendes Szenario: Weil die Teuerung in den USA auf drei Prozent nachgelassen hat, könnte die US-Notenbank Fed bei der Inflationsbekämpfung lockerer lassen und die Zinsen doch schon im Frühjahr wieder etwas senken. Das wäre gut für Aktien. Denn die Zinserhöhungen bis auf 5,5 Prozent in den USA und 4,5 Prozent in Europa haben nicht nur die Wirtschaft gebremst, sondern auch Zinspapiere als Alternative zu Aktien wieder ins Spiel gebracht. Die Zinsen senken können die Notenbanken allerdings nur, wenn die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt nicht überhitzen. Deshalb freut man sich an den Börsen über eher durchwachsene Wirtschaftsdaten. Zugleich setzt man darauf, dass die Wirtschaft schon keine Vollbremsung hinlegen wird, sondern nur eine „sanfte Landung“, wie man es im Börsenjargon sagt.
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Gold und sogar Bitcoin steigen - nächste US-Zinsentscheidung steht an
Diese Spekulationen schieben die Aktienmärkte schon seit der Fed-Sitzung am 1. November an. Nun haben sie neue Nahrung erhalten. Christopher Waller, Mitglied der Fed, hat jüngst eine Debatte über Zinssenkungen losgetreten. Am Freitag hatte Fed-Chef Jerome Powell dann bekräftigt, dass er die Zinsen für die Inflationsbekämpfung notfalls nochmals anheben werde, Zinsentscheidungen aber nie vorbestimmt seien. Mit viel Fantasie konnte man das auch als Hinweis auf Zinssenkungen verstehen.
Die Aussage reichte jedenfalls, um die Kurse weiter zu treiben. Auch der Goldpreis kletterte am Montag auf ein Rekordhoch von 2135 Dollar je Feinunze. Das Edelmetall gilt als Krisenwährung in schwierigen Zeiten, zahlt aber weder Zins noch Dividenden – weshalb das Angstgeld ebenfalls zunächst unter den starken Zinserhöhungen gelitten hatte. Sogar die Kryptowährung Bitcoin stieg erstmals seit April 2022 wieder über die Marke von 42.000 Dollar. Das lag aber auch daran, dass der Finanzriese Blackrock in den USA bald ein Bitcoin-ETF auf den Markt bringen könnte, das viel Geld in die Anlageklasse locken dürfte.
Wie es weitergeht, hängt davon ab, was die Notenbanker der Fed tun. Bei den letzten beiden Sitzungen erhöhte sie den Leitzins zur Freude der Börsianer zumindest nicht mehr. Die nächste Zinsentscheidung steht nun am 13. Dezember an. Bis dahin werden die Investoren die Daumen drücken, dass etwa die Arbeitsmarktdaten in dieser Woche nicht zu gut ausfallen. Das würde der Fed den Spielraum geben, um weitere Hinweise auf eine baldige Zinssenkung zu platzieren. Tut sie das, dürfte die Börsenparty trotz Konjunkturflaute weiterlaufen. Tut sie es nicht, könnte der Kursanstieg aber auch jäh enden.