„Ampel auf dem Totenbett“? Politologe macht düstere Vorhersage für Regierung
Der ohnehin schwierige Zusammenhalt der Ampel wird mit Blick auf die Debatte zum Haushalt jetzt noch angespannter. Ein Politologe spricht vom „Totenbett“.
Berlin – Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsplanung wird die Ampel-Koalition auf eine harte Beziehungsprobe gestellt. „Es ist eine Koalition, die schlagartig ohne Geschäftsgrundlage dasteht“, sagt Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke. Der Regierung fehle nun das Geld, um FDP und Grüne irgendwie zusammenzubringen.
Die Ampel muss sich jetzt bei allen großen Fragen wie Schuldenbremse, Steuern und Klimaschutz neu zusammenraufen, sagt der Berliner von Lucke – und das mitten in der Legislaturperiode.
Das omnipräsente Thema ist nun: Wo kommt das fehlende Geld her? Grüne und FDP prallen mit ihren unterschiedlichen Staatsverständnissen aufeinander. Als Lösung auf diese Frage bringen die Grünen eine Lockerung der Schuldenbremse ins Spiel. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält die deutsche Schuldenbremse nämlich so, wie sie konstruiert ist, „für wenig intelligent“ und „sehr statisch“.
Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts: Ampel-Zusammenhalt bröckelt
Doch für die FDP widerspricht das dem liberalen Kern und ist ein klares Tabu. Das Staats- und Wirtschaftsverständnis der FDP laute: keine Schulden machen, Schuldenbremse einhalten und keine Steuererhöhungen, erklärt von Lucke.
Demgegenüber stehe das Staatsverständnis der Grünen: Aus Gründen der Zukunftsverantwortung und der sozialen und ökologischen Transformation benötige es einen unternehmerischen Staat, der dafür auch Schulden machen muss. „Ich sehe nicht, welche der beiden Parteien überhaupt in der Lage ist, da grundsätzlich nachzugeben“, sagt der Jurist und Politologe.
Rückendeckung bekommen die Grünen in puncto Schuldenbremse von der SPD. Fraktionschef Rolf Mützenich hält eine Ausnahmeregelung für 2024 – womöglich auch länger – für unumgänglich. Aus der FDP kommt der Vorschlag, den Rotstift bei den Sozialleistungen anzusetzen. Es müsse darüber geredet werden, „wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten kann“, fordert FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Doch für die SPD ist das ein rotes Tuch. Um das Bürgergeld etwa haben die Sozialdemokraten monatelang mit der FDP gerungen. Auch die Grünen lehnen Kürzungen bei den Sozialleistungen ab.
In der Ampel bröckelt es: „Das Einzige, was sie zusammenhält, ist der Kitt der Macht“
All das zehrt an dem Bündnis. In aktuellen Umfragen kommt die Ampel-Koalition längst nicht mehr auf eine regierungsfähige Mehrheit. „Alle drei Parteien wissen: Das Einzige, was sie zusammenhält, ist der Kitt der Macht“, sagt von Lucke. Denn sie alle drei würden bei Neuwahlen massiv verlieren. Laut dem aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer kommt die SPD auf 15, die Grünen auf 14 und die FDP auf fünf Prozent. Stärkste Kraft bleibt demnach die Union mit 30 Prozent. Baldige Neuwahlen hält von Lucke „für sehr gut möglich“.
Ist das nun das Ende der Ampel? „Klinisch tot ist die Ampel nicht, aber sie liegt in gewisser Weise bereits auf dem Totenbett“, resümiert Albrecht von Lucke. „Die Frage lautet, ob sie noch einmal eine Auferstehung erlebt.“ Für eine solche Auferstehung müsse das Bündnis laut Lucke eine zentrale Frage klären: „Wie kann in einer solchen historischen Polykrise mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Möglichkeit umgegangen werden, die Schuldenbremse in Notfällen auszusetzen?“
Dafür muss die Ampel bald eine Lösung finden. „Wenn das noch zwei Jahre so weitergeht, ist das ein enormes Wachstumsprogramm für die AfD“, sagt von Lucke. In der aktuellen Umfrage ist sie mit 21 Prozent bereits zweitstärkste Kraft. (Leonie Hudelmaier)