Wirtschaft auf Schrumpfkurs: Deutschland verharrt in der Rezession
Friedrich Merz (CDU), fordert eine „Agenda für die Fleißigen“. Spielraum für große Steuererleichterungen sieht er aber nicht.
Berlin – Im September sank die Inflation auf 1,6 Prozent – die niedrigste Teuerung seit Februar 2021. Vor allem Energie wurde billiger. Die Konsumlaune bleibt aber mau, die Verbraucher sparen lieber. Und die hohen Zinsen bremsen Investitionen aus. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte noch vor wenigen Monaten ein Wachstum von 0,3 Prozent vorhergesagt. Nun geht Habeck laut dem Bericht davon aus, dass die Wirtschaft heuer preisbereinigt um 0,2 Prozent schrumpft. Deutschland bleibt damit das Wachstumsschlusslicht in Europa.
Zur Jahreswende glaubt die Bundesregierung aber, dass die Wirtschaft die konjunkturelle Schwäche allmählich überwindet und sich wieder dynamischer entwickelt. Habeck rechnet 2025 mit einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 1,1 statt wie bisher um glatt ein Prozent. Für 2026 geht der Minister sogar von 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum aus.

Habeck: Müssen schnell handeln
Auch der Präsident des Weltwirtschaftsforums, Borge Brende, ist zuversichtlich. Deutschland habe eine industrielle Basis und Erfahrung, sagte er in Berlin. „Dieses Wissen kann leicht von einem Bereich der Industrie auf neue übertragen werden. Es steckt in den Köpfen der Menschen, in den Organisationen und Institutionen.“ Bereits jetzt investiere Deutschland mehr in Halbleitertechnologien, Cloud- und Datencenter. Vor 20 Jahren habe Deutschland schon einmal als kranker Mann Europas gegolten und mit strukturellen Reformen zur Wettbewerbsfähigkeit zurückgefunden. Brende forderte, bei den Investitionen nicht nachzulassen. Die Schuldenbremse, mahnte er, sei „selbst auferlegt“.
Als Voraussetzung dafür sieht Habeck, die jüngste Wachstumsinitiative der Ampel rasch und ohne Abstriche umsetzen. Das Paket sieht unter anderem steuerliche Verbesserungen für investitionswillige Unternehmen, Arbeitsanreize für ältere Menschen und ausländische Fachkräfte, den Abbau von Bürokratie sowie dauerhaft niedrigere Strompreise für produzierende Unternehmen vor. „Es besteht nach wie vor großer Handlungsbedarf“, sagte Habeck.
Merz: Kein Spielraum für Steuersenkungen
Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, sagte der SZ, die deutsche Wirtschaft könne mit der Dynamik auf der Welt nicht mehr mithalten. Er fordert eine „Agenda für die Fleißigen“. Spielraum für große Steuererleichterungen sieht er aber nicht. Stattdessen plane er kleine, mehrstufige Entlastungen für Unternehmen. Auch eine Steuerfreistellung von Überstunden nannte er als mögliche Maßnahme, um „die Grundstimmung in Deutschland“ zu verbessern.
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Angesprochen auf seine mangelnde Regierungserfahrung, sagte Friedrich Merz: „Ja, ich habe mein Leben anders gestaltet als Herr Scholz. Ich habe mich nicht nach einer kurzen Zeit im Beruf entschieden, auf Dauer und allein Berufspolitiker zu sein.“ Er habe ein „langes berufliches Leben“ gehabt, für zwei große amerikanische Firmen in Deutschland gearbeitet und viel mit Unternehmen aus dem Mittelstand zu tun gehabt. „Wer immer nur in der Politik war, dem fehlt dieser Teil der Lebenserfahrung“, sagte er. Die Erfahrung mit Olaf Scholz wolle wohl „ein großer Teil der Bevölkerung nicht länger machen“.
Nachdem sich Merz 2009 aus der Politik zurückgezogen hatte, machte er unter anderem als Aufsichtsratschef der deutschen Abteilung der Fondsgesellschaft Blackrock ein Vermögen. Sein Jahreseinkommen gab er 2018 mit etwa einer Million Euro an. Seinen Posten bei Blackrock und weitere Beraterposten in der Wirtschaft legte Merz 2020 nieder. (Theresa Münch und Wolfgang Hauskrecht)