Ukraine, China, Abschreckung: Das wird auf dem Nato-Gipfel in Washington besprochen
Fokus des Nato-Gipfels wird die Unterstützung der Ukraine und die Verteidigung Europas sein. Mit Gästen soll auch über Chinas Ansprüche im Indopazifik gesprochen werden.
Washington D.C. – Am Dienstag (9. Juli) kommen in Washington D.C. die Regierungschefs und Staatsoberhäupter der Nato-Mitgliedsländer zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen zusammen. Bis Donnerstag (11. Juli) steht einiges auf der Tagesordnung. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fasste die Agenda, in einer Pressemitteilung, in drei Punkten zusammen: Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland, Aufbau weiterer Abschreckungskapazitäten, insbesondere im Osten des Bündnisses und globale Zusammenarbeit mit Fokus auf den Indopazifik.
Nach Russlands Raketenangriff: Liefert die Nato mehr Luftverteidigung für die Ukraine?
Überschattet wird der Gipfel von einem russischen Raketenangriff auf die Ukraine am Montag (8. Juli) der, nach ukrainischen Angaben, dutzende Zivilisten tötete. Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow forderte über Telegram daraufhin mehr Luftverteidigungssysteme für sein Land. Ein hoher US-Beamter kündigte bereits an, dass auf dem Nato-Gipfel mehr Luftverteidigung für die Ukraine beschlossen werden soll, wollte aber nicht ins Detail gehen, was US-Präsident Joe Biden hier konkret plant. Das geht aus dem vom Weißen Haus veröffentlichten Transkript eines Hintergrundgesprächs hervor.

Bundesregierungs-Insider schätzt 40 Milliarden Euro jährlich aus Nato-Staaten für Ukraine-Hilfe
Generalsekretär Stoltenberg sagte, er gehe davon aus, dass die Mitgliedsstaaten ihre finanziellen Versprechen an die Ukraine erneuern werden. Ein deutscher Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass er mit Zusagen von 40 Milliarden Euro jährlich an die Ukraine rechne. Während die Ukraine auf ihre Einladung in die Nato auch nach dem Gipfel warten wird, kündigte Stoltenberg an, dass es mehr bilaterale Sicherheitsabkommen, zwischen der Nato-Staaten und der Ukraine geben werde. „Brücke in die Nato“, nannte Joe Biden das US-ukrainische Vorbildabkommen, das im Juni unterzeichnet wurde.
Vor Nato-Gipfel: Selenskyj unterzeichnet Sicherheitsabkommen mit Polen – Weitere Verträge geplant
Ein solches Abkommen unterzeichneten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Montag in Warschau. „Wer heute die Ukraine verteidigt, verteidigt auch sich selbst“, sagte Tusk. Selenskyj bezeichnete den Vertrag als „ambitioniert“. „Er ist geeignet, das Leben unserer Menschen zu schützen und dem russischen Übel zu widerstehen“, sagte Selenskyj. Ein Fokus des Vertrages sei die Abwehr von russischen Raketen von polnischem Territorium. Ziel der bilateralen Abkommen, so der anonyme US-Beamte, sei es, dass die Ukraine „von Tag eins ihrer Mitgliedschaft an, bereit ist, Verantwortung im Bündnis zu übernehmen“. Selenskyj ist zum Gipfel eingeladen, beim letzten Nato-Gipfel im litauischen Vilnius verlangte er klarere Antworten, wann sein Land in das Bündnis aufgenommen werde.
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Weitere Themen bei Nato-Gipfel: Rüstungsindustrie und China im Indopazifik
Innerhalb des Bündnisses soll auf dem Gipfel, die transatlantische Kooperation in der Rüstungsindustrie vertieft werden, sagte Stoltenberg. Weiter solle eine Abfangraketenbasis in Polen beschlossen werden. Abschließend verwies Stoltenberg auf Gespräche mit Partnerstaaten aus dem Indopazifik-Raum. Die US-Regierung betonte dahingehend wenig überraschend, dass diese sich um Herausforderungen durch Chinas Ansprüche in der Region und seiner Beteiligung an Russlands Aufrüstung drehen werden.
Vor Nato-Gipfel: Orbán fliegt nach Russland – Trump-Jünger wollen sich zurückziehen
Elefant im Raum ist der Rechtsruck auf beiden Seiten des Atlantiks. Der US-Beamte gab sich „besorgt“ über Viktor Orbáns Besuch in Moskau, der „nicht hilfreich für die Selbstverteidigung der Ukraine“ gewesen sei. Orbáns EU-Ratspräsidentschaft, die er für solche Auftritte gerne nutzt, endet zum Jahresende. Dann könnte der US-Präsident schon bald wieder Donald Trump heißen.
Die Berliner Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations, warnte in der Zeitschrift Internationale Politik eindringlich vor den Auswirkungen einer zweiten Trump-Amtszeit für Europa. Die rechtsradikale Heritage-Stiftung hat mit dem „Projekt 2025“ bereits einen detaillierten Plan dafür vorgestellt: Die USA sollen sich mehr oder weniger auf eine „stille Teilhabe“ in der Nato zurückziehen. Dies würde weniger bis keine US-Truppen in Europa bedeuten, und würde auch den nuklearen Schutzschirm der USA, den Puglierin als „Lebensversicherung“ Europas bezeichnete, infrage stellen.
Expertin Jana Puglierin: Europa muss seine Verteidigung selbst stemmen
Puglierin warnte, die europäischen Staaten dürften sich in ihrer Sicherheitspolitik nicht auf die USA verlassen. Selbst wenn Biden wiedergewählt werden sollte, so würden die USA trotzdem zunehmend militärische Ressourcen im Indopazifik brauchen. Die Unterstützung der Ukraine müsse ebenfalls langfristig ohne US-Unterstützung organisiert werden, hierzu gibt es bereits Pläne. Antworten darauf, wie die Biden-Regierung gedenkt, mit Trumps Ablehnung der Nato umzugehen, blieb der anonyme US-Beamte im Interview trotz mehrfacher Nachfrage schuldig. (kb mit dpa)