Ärger nach Bürgergeld-Aussage: Linnemann soll Empfänger persönlich kennenlernen

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Die Bürgergeld-Reform ist beschlossene Sache, doch die Debatte brodelt weiter. Eine Diskussion um Kürzungen und Sanktionen entfacht neue Spannungen.

Berlin – Obwohl die Reform des Bürgergelds bereits beschlossen ist, reißen die Diskussionen darüber nicht ab. Besonders die Themen Kürzungen und Sanktionen sorgen für Spannungen. Die Union bleibt jedoch bei ihrem Standpunkt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordert tiefgreifende Änderungen beim Bürgergeld. „Wir müssen wirklich an die Substanz des Systems gehen“, äußerte er kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) reagiert darauf mit Kritik.

Der SoVD lädt Carsten Linnemann nach seinen jüngsten Äußerungen zu einer Sozialberatung ein. „Machen Sie sich selbst ein Bild davon, wie schwierig die Lage vieler Menschen wirklich ist“, erklärte die Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Nach Bürgergeld-Aussage: Sozialverband lädt Linnemann zur Sozialberatung ein

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, das Bürgergeld in eine neue „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umzuwandeln. Die Vermittlung in Arbeit soll für arbeitsfähige Personen Vorrang haben und erleichtert werden. Zudem sollen Mitwirkungspflichten und Sanktionen verschärft werden. Ein zentraler Punkt für Linnemann ist: „Wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann, dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr.“

CDU-Generalsekretär Linnemann
CDU-Generalsekretär Casten Linnemann ist dafür, mutmaßlich Arbeitsunwilligen das Bürgergeld komplett zu streichen. (Archivfoto) © Kay Nietfeld/dpa

Engelmeier entgegnete: „Die meisten Menschen, die Bürgergeld beziehen, wollen arbeiten. Aber viele geraten unverschuldet durch Krankheit, Alter oder familiäre Belastungen wie etwa durch Pflege Angehöriger in diese Situation.“ Bevor man bei der neuen Grundsicherung Kürzungen vornehme, solle man mit den Betroffenen sprechen. Engelmeier schätzte den Anteil der sogenannten Totalverweigerer auf unter ein Prozent. „Es gibt also kein flächendeckendes Problem beim Bürgergeld“, betonte die SoVD-Chefin.

Debatte um Reform des Bürgergelds – Sanktionen sollen geprüft werden

Die Debatte ist nicht neu, erhält jedoch durch die gemeinsame Regierung von Union und SPD neue Impulse. Bereits im vergangenen Sommer hatte Linnemann in der Diskussion über die steigende Zahl der Bürgergeldempfänger und die erhöhten Kosten für die Leistung vorgeschlagen, mutmaßlich arbeitsunwilligen Empfängern die Grundsicherung komplett zu streichen. Damals stieß er auf Widerstand, unter anderem von der SPD.

Arbeitsministerin Bärbel Bas kündigte an, die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten im Bürgergeld zu überprüfen. „Diejenigen, die arbeiten können, müssen es auch tun.“ „Wir werden uns das Instrumentarium anschauen – und die Sanktionen anschärfen, wenn dies angezeigt ist“, sagte Bas im Mai den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Wer Sozialleistungen beziehe, habe die Pflicht zur Mitwirkung. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“

Diskussion über Maßnahmen für Empfänger von Bürgergeld

Eine vollständige Streichung der Grundsicherung lehnt Bas jedoch ab. „Das Geld komplett zu streichen, ist in extremen Fällen schon heute möglich“, erklärte die Ministerin. Seit Ende März 2024 können Jobcenter den Bürgergeld-Regelsatz für zwei Monate streichen, wenn Erwerbslose innerhalb von zwölf Monaten zwei Jobangebote ablehnen. Aufgrund hoher Hürden und der geringen Anzahl der sogenannten „Totalverweigerer“ kam es bisher wohl nicht zu Totalsanktionen. Offizielle Statistiken dazu fehlen.

Derzeit beziehen in Deutschland etwa 5,4 Millionen Menschen Bürgergeld. Davon stehen 2,7 Millionen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, etwa weil sie nicht erwerbsfähig sind oder sich in einer Weiterbildung befinden. Weitere 830.000 Menschen sind Aufstocker, das heißt, sie arbeiten, aber ihr Einkommen reicht nicht zum Leben. 1,9 Millionen sind tatsächlich arbeitslos. (bohy mit Material der dpa)

Auch interessant

Kommentare