Moraltest von Trump-Behörden: Nachbarn entscheiden mit, wer Bürger wird

Wer eine US-Staatsbürgerschaft beantragt, hat es künftig schwerer als bisher: Die Einbürgerungstests sind komplexer. Postings in sozialen Medien werden überprüft. Eine weitere neue Regel: Auch Nachbarn und Kollegen können über "den moralischen Charakter" von Antragstellern befragt werden.

Deutschland und USA: Gegensätzliche Entwicklungen bei der Einbürgerung

In der Bundesrepublik wurde die Einbürgerung unter der Ampel-Regierung vereinfacht. Durch die im Juni 2024 in Kraft getretene Staatsangehörigkeitsreform wurde die Mindestaufenthaltsdauer für Einbürgerungsbewerber in Deutschland von 8 auf 5 Jahre reduziert.

Weitere Verkürzungen von 5 auf 3 Jahre für Bewerber mit besonderen Integrationsleistungen – wie etwa sehr guten Deutschkenntnissen, ehrenamtlichem Engagement oder herausragenden beruflichen Leistungen - wurden im Oktober wieder gestrichen. Die Mindestaufenthaltsdauer liegt jetzt also bei 5 Jahren. Die Berliner Regierung wollte mit ihren Reformen die Integration fördern und Deutschland als Einwanderungsland attraktiver machen.

USA unter Donald Trump: Fokus auf „moralischen Charakter“

Die USA unter Präsident Donald Trump schlagen einen anderen Kurs ein: schwierigere Tests zur Staatsbürgerkunde, strengere Überprüfungen aller Aktivitäten in sozialen Medien – sowie Nachbarschaftsuntersuchungen über den “moralischen Charakter” der Bewerber. Bisher mussten Antragsteller einige Jahre lang eine Green Card besitzen, eine Gebühr zahlen, ein Interview, eine Zuverlässigkeitsprüfung, einen Englisch- und Staatsbürgerschaftstest bestehen sowie einen Eid schwören.

Doch Bundesbeamte fanden das bisherige System zu lax. Sie wollen Bewerber aggressiver als bislang auf ihre kulturelle Integration hin und möglicherweise antiamerikanische Ansichten untersuchen. Interessengruppen für Einwanderer befürchten, als “antiamerikanisch” könnte jeder gelten, der die Haltung der Regierung, etwa in Fragen zum Gazastreifen, kritisch sieht.

Im August appellierte die US-Einwanderungsbehörde an ihre Beamten in einem internen Schreiben, mehr auf “positive sowie auch auf negative Eigenschaften und Beiträge” von Antragstellern zu achten. Nachweise “eines guten moralischen Charakters” müssten verschärft werden.

Kritik an unklaren Standards

Zwar gab es die Anforderung schon lange, um Bewerber mit Vorstrafen oder anderen Vergehen, wie etwa der Nichtzahlung von Kindesunterhalt, auszusieben. Nun aber will man auch “positive Eigenschaften” berücksichtigen: beispielsweise Bildungsabschlüsse, soziales Engagement, eine feste Arbeit oder familiäre Betreuungspflichten.

Die Einwanderungsanwältin Susan Ramos kritisierte die Maßstäbe als zu subjektiv: “Wie viel ehrenamtliche Arbeit reicht aus, um die Chancen des Antragstellers zu verbessern? Wer legt die Formel fest und anhand welcher Analyse? Und was sieht die Behörde als ausreichende Leistung für jemanden, der nicht arbeitet?”, fragte die Juristin im US-Sender CNN.

Doch laut der Behörde dürfe es bei der Beurteilung von Einwanderern nicht nur um das “Fehlen von Fehlverhalten” gehen, sondern man müsse auch die positiven Charaktereigenschaften der Bewerber erkennen können.

“Die US-Staatsbürgerschaft ist der Goldstandard der Staatsbürgerschaften – sie sollte nur den Besten der Welt angeboten werden”, so der Sprecher der US-Einwanderungsbehörde Matthew Tragesser in einem Statement. “Es sollte kein Kinderspiel sein, sie zu bekommen, und wir werden sie ganz sicher nicht verschenken.”

Nachbarschaftsüberprüfungen und Empfehlungsschreiben

Für Bewerber seit dem 20. Oktober sind jetzt sogenannte Nachbarschaftsüberprüfungen vorgesehen. Damit sind die Befragung von Nachbarn, Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder Geschäftspartnern gemeint, “die fundierte Informationen über den Ausländer liefern können”.

Antragsteller sollen Empfehlungsschreiben von Amerikanern, “die den Bewerber gut kennen", einreichen. Wenn die Behörde weitere Nachweise anfordert und der Antragsteller diese nicht vorlegt, werden die Beamten eine Untersuchung seines Wohnumfeldes durchführen. Diese Praxis war in den USA früher gängig, wurde aber 1991 eingestellt.

Die Anwältin einer Rechtsberatungsstelle, Caroline Matthews, berichtete in der "New York Times", dass der große Ermessensspielraum von Beamten bei ihrer Beurteilung von “moralischer Integrität” viele Bewerber nervös mache. Einige sorgten sich um ihre Postings in sozialen Medien oder darum, wie sie die neuen Standards erfüllen sollen.

Vorwurf der Abschreckung

Nicole Melaku, Leiterin eines Verbands von Einwandererrechtsgruppen, befürchtet ebenfalls, dass die Änderungen Antragsteller abschrecken könnten: “Das ist eine Einschüchterungstaktik und Angstmache dieser Regierung, um möglicherweise Einzelpersonen davon abzuhalten, an dem Verfahren teilzunehmen”, meinte sie in der Tageszeitung.

Auch der Einbürgerungstest ist komplexer geworden. Bislang mussten die Bewerber 6 von 10 Fragen richtig beantworten – nun sind es 12 von 20. Die Liste der möglichen Fragen wurde von 100 auf 128 erhöht. Laut Behörden bestehen aktuell 91 Prozent aller Prüflinge den Test.