China simuliert „bewaffnete Invasion Taiwans im großen Stil“: Das steckt hinter Pekings Muskelspielen

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Die ersten Tage des neuen Präsidenten Taiwans Lai Ching-te sind überschattet von politischer Unruhe. Und nun startet China auch noch ein Großmanöver rund um die Insel.

Erst seit wenigen Tagen ist Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te im Amt – und schon stürzen mehrere Krisen gleichzeitig auf die neue Regierung ein. Am Donnerstag begann China ein zweitägiges Großmanöver rund um die Insel, das laut einem chinesischen Armeesprecher eine „harte Bestrafung für die separatistischen Aktionen der taiwanischen ‚Unabhängigkeitskräfte‘ ist“. Schiffe und Flugzeuge sollten sich Taiwan im Norden und Süden für sogenannte „Patrouillen“ nähern. Die harte Rhetorik ist ein klares Signal gegen Lai, den Peking wiederholt als gefährlichen Separatisten bezeichnet hat – ebenso wie zuvor seine Vorgängerin Tsai Ing-wen.

Die BBC zitierte Militäranalysten, dass erstmals auch Taiwans direkt vor der chinesischen Küste gelegenen Inseln auf den von der Volksbefreiungsarmee veröffentlichten Karten als Ziele verzeichnet sind. Laut taiwanischen Medien sagte der Militärexperte Chieh Chung, die laufende Übung ziele darauf ab, „eine bewaffnete Invasion Taiwans im großen Stil zu simulieren“. Dass Lai die Wahl gewonnen hat, und nicht einer der beiden chinafreundlicheren Kandidaten, war für Peking eine Niederlage. Schon im Umfeld der Amtseinführung schickte China Dutzende Kampfjets und Schiffe in die Nähe Taiwans.

Taiwans neuer Präsident Lai kritisiert Chinas „Grauzonen-Bedrohung“

Zwar hatte sich der aus der Unabhängigkeitsbewegung stammende Lai immer wieder gesprächsbereit gezeigt und betont, den gesellschaftlichen Austausch wieder stärken zu wollen. Doch in seiner Antrittsrede übte der 64-Jährige am Montag direkte Kritik an Peking: „Chinas militärische Aktionen und Grauzonen-Bedrohungen stellen heute die größte strategische Herausforderung für Frieden und Stabilität in der Welt dar.“ Auch forderte Lai Peking auf, die Existenz der Republik China, wie Taiwan offiziell heißt, anzuerkennen. Peking sieht Taiwan dagegen als abtrünnige Provinz an.

Parallel wird das politische Taipeh zum Auftakt der Amtszeit von Lai von Unruhe überschattet, die in einer handfesten Prügelei im Parlament gipfelte. Am Dienstag demonstrierten in Taipeh Zehntausende für den Erhalt der Demokratie und gegen die oppositionellen Parteien.

Politischer Aufruhr in Taipeh: Demo und Prügelei im Parlament

Was war los? Lais Demokratische Fortschrittspartei (DPP) hatte mit ihm an der Spitze zwar die Präsidentenwahl gewonnen – ihre Mehrheit im Parlament aber an die beiden chinafreundlicheren Parteien Kuomintang (KMT) und Taiwanische Volkspartei (TPP) verloren. Und die demonstrierten sofort, dass sie nicht auf Kooperation mit Lai setzen: Sie schlossen sich zusammen und brachten in der ersten Sitzung schon am Freitag eine Gesetzesvorlage ein, die dem Legislativ-Yuan genannten Parlament eine stärkere Kontrolle über die Regierung ermöglichen würde. Weil die beiden Parteien ihren Entwurf ohne Debatte eilig durchdrücken wollten, kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen den Parlamentariern, fünf Abgeordnete mussten im Krankenhaus behandelt werden.

Taiwans neuer Präsident ballt die Faust bei seiner Rede zur Amtseinführung in Taipeh
Entschlossenheit bei der Amtseinführung: Schon in den ersten Tagen steht Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te einem chinesischen Großmanöver und politischer Unruhe gegenüber. ©  Kyodo News/IMAGO

Das zeigt, dass die Nerven einigermaßen blank liegen. In Taiwan herrscht aufgrund des prekären Status quo ohnehin kaum je Normalzustand: Von China als Teil der Volksrepublik beansprucht, fehlt ihm die diplomatische Anerkennung eines Großteils der Welt. Und die Aussicht, nun für vier Jahre im Angesicht eines zunehmend forsch auftretenden China eine Regierung ohne Parlamentsmehrheit zu haben, ist alles andere als rosig. Schon zwischen 2000 und 2008 hatte der erste DPP-Präsident Chen Shui-bian einem von der Opposition kontrollierten Parlament gegenübergestanden. „Das war eine politische Katastrophe für Taiwan, weil der Legislativ-Yuan über Jahre nahezu paralysiert war“, sagte der Taiwan-Experte Gunter Schubert kürzlich im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „.Das droht heute wieder.“

Opposition will mehr Kontakt zu China

Zumal die Parteien sich gerade im Umgang mit Peking nicht einig sind. Während Lai wie seine Vorgängerin Tsai Ing-wen für eine größtmögliche Selbstständigkeit Taiwans eintritt, setzen KMT und TPP zwar nicht auf eine rasche Wiedervereinigung, aber auf mehr Dialog und mehr Kooperation mit Festlandchina. Sie hatten vor der Wahl einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufstellen wollen – dessen Sieg nicht unwahrscheinlich gewesen wäre. Doch das scheiterte letztlich am Ego der beiden Spitzenkandidaten: Keiner von beiden wollte Vize sein. So siegte Lai mit nur rund 40 Prozent der Stimmen.

Taiwans Verteidigungsministerium verurteilte die chinesische Militärübung am Donnerstagmorgen als „irrationale Provokation“, die den Frieden und die Stabilität in der Taiwanstraße gefährde. Man habe Streitkräfte zu Wasser, am Boden und in der Luft entsendet, um seine Souveränität zu verteidigen. Nach Angaben des chinesischen Militärs konzentrieren sich diese Übungen auf gemeinsame See-Luft-Kampfbereitschaftspatrouillen, Präzisionsschläge auf wichtige Ziele und integrierte Operationen, um die „gemeinsamen realen Kampffähigkeiten“ der Streitkräfte zu testen. An Taiwans Ostküste liegt das Manövergebiet ungewöhnlich dicht an der Insel.

China schickt seit Jahren regelmäßig Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in die Nähe Taiwans, um etwa gegen Besuche ausländischer Politiker in Taiwan zu protestieren. Doch die Intensität solcher Übungen nimmt zu.

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