Stadt hat einen Haushalt: „Wir müssen hier vor Ort unsere Hausaufgaben machen!“

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Der Dachauer Stadtrat hat einen Haushalt für das Jahr 2024 beschlossen. Doch nicht alle stimmten dafür. © Marijan Murat

Dachau hat für das kommende Jahr endlich einen Haushalt. Wer nun dachte, die letzte Sitzung des Jahres, die am Dienstag stattfand, sei nun getragen gewesen vom Geist der Versöhnung, der irrte.

Dachau – Die entscheidende Nachricht zuerst: Die Stadt Dachau hat einen Haushalt für das kommende Jahr. Nach der auf den letzten Drücker erfolgten Einspar-Offensive in den jüngsten Finanzausschusssitzungen wurde am Ende ein Zahlenwerk zusammengezimmert, das zumindest die Pflichtaufgaben ermöglicht. Die sogenannten freiwilligen Leistungen aber wurden gestrichen – was schmerzhafte Kompromisse von allen im Stadtrat vertretenen Parteien erforderte.

Der Haushalt 2024

Nach stundenlanger Diskussionen einigte sich der Stadtrat mit 27 Ja- zu 13-Nein-Stimmen auf folgenden Haushalt für 2024. Der Verwaltungshaushalt beläuft sich in Einnahmen und Ausgaben auf 137,9 Millionen Euro, der Vermögenshaushalt auf 51,6 Millionen Euro. Der Gesamthaushalt summiert sich damit auf 189,5 Millionen Euro – rund 20 Millionen mehr als der Haushalt 2023. Die wichtigsten Einnahmeblöcke sind die zuletzt rekordverdächtig sprudelnden Einkommens- und Gewerbesteuer. Die größten Ausgaben sind Personal (38,45 Millionen Euro), Zuschüsse (19,02 Millionen Euro) und die Kreisumlage (37 Millionen Euro). zip

Wer nun dachte, die letzte Sitzung des Jahres, die am Dienstag stattfand, sei nun getragen gewesen vom Geist der Versöhnung, der irrte. Die neun anwesenden Stadträte der CSU stimmten geschlossen gegen den Haushalt, ebenso der Freie Wähler Markus Erhorn, Wir-Mann Wolfgang Moll sowie die AfD-Räte Jürgen Henritzi und Markus Kellerer.

Bestmöglich

Oberbürgermeister Florian Hartmann war denn auch nicht nach einem lauten „Hosianna“ zumute, wie er in seiner Rede zu verstehen gab. Wie schon in den Vorjahren arbeitete er sich auch in diesem Jahr ab an dem „erstens nicht ausreichenden, zweitens veralteten und drittens ungerechten“ System der Kommunalfinanzierung, das so funktioniere: „Die Gemeinden und die Städte konkurrieren um Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die Landkreise bedienen sich bei den Gemeinden aus der Kreisumlage, und die Bezirke nehmen sich mit der Bezirksumlage das, was sie brauchen, von den Landkreisen.“

Am Ende des Jahres zögen dann die Wahlkreisabgeordneten durch ihre Heimatlandkreise und verkündeten „wie einst die Evangelisten die Frohe Botschaft, nämlich jene, dass von oben ein Segen herabgekommen ist, auf dass die Gemeinden, die Städte und die Landkreise doch bitteschön frohlocken und Hosianna rufen ob der Großzügigkeit des Freistaats“. Hartmann zufolge seien die Schlüsselzuweisungen des Freistaats aber „lediglich der gutsherrenartige Versuch, die Wunden der Ungerechtigkeit zu lindern“.

Das daraus resultierende „Streichkonzert“ habe in Dachau Spuren hinterlassen: etwa bei der Streichung des zweiten Barockpicknicks, dem abgeblasenen Umbau des Musikheims der Knabenkapelle, den Planungen für einen Naturkindergarten oder eine Eishalle.

Politik sei aber nun mal – frei nach der von Max Weber beschriebenen Verantwortungsethik – die Kunst des Machbaren. Der vorliegende Haushalt sei daher, „unter den aktuellen Bedingungen und unter dem von mir kritisierten System der kommunalen Finanzierung der mit Vernunft betrachtet bestmögliche“, so Hartmann.

Mehltau

Dafür bekam er von CSU-Sprecher Florian Schiller zu 98 Prozent Zustimmung. „Zwei bis drei Prozent“ der städtischen Haushaltspolitik könne man aber durchaus auch „unterschiedlich bewerten“. Dank sprudelnder Steuereinnahmen habe die Stadt nämlich kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabeproblem.

Klar könne man die hohe Kreisumlage kritisieren oder die von übergeordneter Stelle verursachte Bürokratie. „Das muss man anprangern“, so Schiller. Dennoch fragte er sich: „Wo sind die Visionen für diese Stadt?“ Immer nur zu hoffen, dass von irgendwoher Geld komme, sei jedenfalls der falsche Weg. „Wir müssen hier vor Ort unsere Hausaufgaben machen!“ Angesichts der vielen ungelösten Probleme und seit Jahren aufgeschobenen Großprojekte – etwa beim ASV und TSV – müsse Dachau aufpassen, „dass sich kein Mehltau über die Stadt legt“.

Weicher Ton

Jasmin Lang (Grüne) gab zu, dass sie unglücklich ist mit dem städtischen Haushalt. Viele der Einsparungen seien „bedauerlich“, manche gar „überzogen“ gewesen. Gerade die Einsparungen beim Klimaschutz seien „kurzsichtig“, sei doch der Klimawandel das aktuell und weltweit größte Problem. „Deutlichste Beispiele“ dafür seien der „Hagel im Sommer und jetzt der Einbruch des Winters“ gewesen.

Lang tröstete sich damit, dass ihre grünen Herzensthemen nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben seien. In der Zwischenzeit mahnte sie ihre Kollegen, doch bitte die „Polemik-Keule“ einzupacken. Mit einem weihnachtlich-frommen Wunsch schloss sie ihre Rede: „Wir müssen nicht in der Sache weich werden, aber vielleicht manchmal im Ton.“

Harter Ton

Michael Eisenmann (Bündnis für Dachau), der seine Energie in den vergangenen Monaten im Stadtrat vorwiegend auf die Forderung nach weiteren Radwegen konzentrierte, mahnte seine Kollegen ebenfalls, künftig wieder konstruktiver zusammenzuarbeiten. Bei der CSU aber wollte beziehungsweise konnte er die Bereitschaft dazu nicht erkennen, wie Eisenmann mehrfach betonte.

In Dachau wie auch im gesamten Freistaat würden die Christsozialen vielmehr „polarisieren“, „spalten“, „verhindern“ und „mit hohlen populistischen Phrasen“ auf andere eindreschen. „Selbst der Ministerpräsident schwadroniert etwas davon, Atomkraftwerke weiter zu betreiben – entgegen jeglicher wissenschaftlicher Expertise“!

Angesichts größter Herausforderungen – der Verkehrswende, des wachsenden Defizits bei der Kinderbetreuung et cetera – sollte aber nicht „auf niedrigem Niveau gegeneinander agitiert“ werden. Sein Weihnachtswunsch: „Streiten wir um die besten Konzepte, statt immer wieder die Ideologie-Keule aus dem Sack zu holen!“

Evergreens

Ideologie will Dr. Peter Gampenrieder (ÜB) auch erkannt haben – aber gerade auf der anderen Seite des politischen Stadtrats-Spektrums. Bestes Beispiel für ihn: das MVG-Mietradsystem, das im Umwelt- und Verkehrsausschuss – auch vom OB – als großer Schritt gefeiert, tags darauf aber im Haupt- und Finanzausschuss – wieder auch vom OB – begraben wurde. Gampenrieder zufolge sei es „bezeichnend“, dass andere Gemeinden zuvor das Mietradsystem klar und mit guten Argumenten abgelehnt hätten, kritische Nachfragen dazu in Dachau aber „lange belächelt“ worden seien.

Seine düstere Prophezeiung daher: „Wahrscheinlich hüpft das Mietradsystem wie der Haushalts-Streich-Evergreen Armbadbecken gleich nach Weihnachten wieder aus der Versenkung.“ Dennoch und trotz „echter Magenschmerzen“ stimmte Gampenrieder dem Haushalt zu – als Zeichen seiner „unveränderten Konsenswilligkeit“.

Grüße aus Pisa

Wolfgang Moll (Wir) kritisierte den Stellenzuwachs der Stadtverwaltung. Die „schier durch die Decke gehende Kostenentwicklung“ erfordere ein Umdenken. So müsse, unter anderem, das Antragswesen endlich digitalisiert werden! Zudem solle man überlegen, bestimmte Outsource-Maßnahmen zuzulassen.

Die zuletzt vorgenommenen Einsparmaßnahmen erkannte Moll zwar an, fand aber, dass zumindest an einer Stelle falsch gespart worden sei. Die von ihm geforderte Vollzeitstelle zur Leseförderung von Kindern in der Bücherei wurde nur eine 0,8-Teilzeitstelle. Moll: „Schade, dass die aktuellen Pisa-Ergebnisse erst nach der Abstimmung bekannt geworden sind.“

Dank an den Kassier

Wolfgang Moll (Wir)
copy-of-ullmann-horst-kn_1_.jpg © dn

Horst Ullmann (BfD) war der Meinung, „dass wir uns immer besser zusammengerauft haben“. Einige in seinen Augen sogar beleidigende Aussagen seiner Vorredner wollte er daher gern einem „Faktencheck“ unterwerfen. Ansonsten dankte das Stadtrats-Urgestein „unserem Herrn Kassier“, also Kämmerer Thomas Ernst, „der es immer wieder fertig bringt, das Ganze schiffbar zu machen“. Dafür gab es Applaus und – erstmals in der Sitzung – auch gelöstes Lachen aus dem Publikum.

Disziplin

Jürgen Henritzi (AfD)
Jürgen Henritzi (AfD) © dn

Jürgen Henritzi (AfD) forderte – wie auch nach ihm Anke Drexler von der SPD – eine höhere Einkommenssteuerbeteiligung der Kommunen. Die Einnahmen daraus sind – bislang – ab einer bestimmten Höhe gedeckelt. Henritzi findet: „Der Deckel muss weg, damit wir vollen Zugriff auf die Einkommenssteuer haben!“ Ansonsten mahnte der AfD-Mann zu einer „größeren Haushaltsdisziplin“ sowie „gesundem Menschenverstand“. Dafür bekam er sogar vereinzelten Applaus.

Bloß kein Barth

Anke Drexler machte sich Sorgen um die Demokratie und rief ihre Kollegen dazu auf, „fair zu bleiben und eine Sprache zu sprechen, die der Demokratie nützt und nicht schadet“. Zudem sollten die Stadträte darauf achten, „auf welche Medien wir setzen. Stichwort: Mario Barth.“

Zu Erinnerung: Der TV-Komiker hatte sich auf RTL über das Dachauer Hallenbad lustig gemacht. Drexler nannte den stockenden Millionen-Bau tatsächlich eine „Herausforderung – finanziell und auch im Hinblick auf unsere Geduld“. Der Problembau zeige aber, wie „diese Stadtverwaltung mit problematischen Themen“ umgehe: „transparent, frühzeitig und mit Informationen an die Bürger“. Da Drexler die letzte Rednerin des Abends war, konnte ihr niemand mehr widersprechen.

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