Nicht finanzierbar: Der Haushalt, so wie ihn sich die Politik vorstellt

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Die Knabenkapelle braucht ein neues Musikheim. Die bereits zugesagten Millionen aber wurden nun gestrichen. © hab

Zwölf Monate lang haben die Dachauer Stadträte freigiebig Geld ausgegeben. Am Mittwoch zog Kämmerer Thomas Ernst aber den Stecker: Der Haushalt ist so nicht finanzierbar.

Dachau – Die MVV-Mietradsystem für Dachau? „Ein wichtiger Schritt in Richtung Verkehrswende!“ Das neue, 4 Millionen Euro teure Musikheim der Knabenkapelle? „Gut investiertes Geld!“ Ein Armbadbecken nach Kneipp am Max-Mannheimer-Platz? „Eine reizvolle Geschichte!“ Überhaupt die ganze Energiewende? „Dachau muss klimaneutral werden, und zwar so schnell wie möglich!“

Wer die Diskussionen in den Dachauer Stadtratsausschüssen in den vergangenen Monaten verfolgte, konnte sich schon manchmal fragen, ob die Gremiumsmitglieder an chronischer Leseschwäche leiden. Denn unter jede Ausgabe, die beschlossen wurde, fügte die Kämmerei einen schriftlichen Zusatz an: So sei die „Finanzierbarkeit der Maßnahmen (insbesondere freiwillige Leistungen) (...) im Detail auf ihre unabdingbare Notwendigkeit zu prüfen“!

Doch selbst als Kämmerer Thomas Ernst Anfang Oktober seinen ersten Haushaltsentwurf für das kommende Jahr präsentierte und im Verwaltungshaushalt ein Loch von knapp 5 Millionen Euro klaffte, wollten die Stadträte ihre vermeintlich unabdingbaren Notwendigkeiten nicht auf den Prüfstand stellen.

Bis Mittwoch: Da sollte der Haushalts- und Finanzausschuss den Haushalt für 2024 beraten und dem Stadtrat für dessen Dezember-Sitzung zum Beschluss empfehlen. Doch der Ausschuss konnte sich selbst nach mehrstündiger Beratung nicht einigen. Fest steht nämlich: Für das, was politisch gewünscht ist, fehlt in der Realität das Geld. Wenn der Stadtrat laut Ernst daher nicht endlich anfange zu sparen, werde es eben die Rechtsaufsicht des Landkreises tun. „Die Politik muss sich ehrlich machen“, so Ernst. Das, was aktuell in Berlin passiere, sei im Kleinen seit Jahren auch in Dachau zu beobachten.

Wie das 5-Millionen-Euro-Loch aber auf die Schnelle gestopft werden soll, darin gingen die Meinungen am Mittwoch weit auseinander. Oberbürgermeister Florian Hartmann, der am Dienstag ebenfalls noch zu den Handhebern für die Mieträder gehört hatte (wir berichteten), wollte nicht vorangehen in Sachen Einsparungen.

Wie jedes Jahr verteidigte er vehement den von der CSU so kritisierten Stellenaufwuchs im Rathaus: Das Gros der neuen Mitarbeiter sei „von übergeordneter Stelle aufgezwungen“. Jüngstes Schmankerl im Bürokratie-Schlaraffenland Deutschland: das neue Hinweisgebergesetz, das Hartmann zufolge wohl ebenfalls eine neue Stelle erfordert.

Die Kritik von CSU-Sprecher Florian Schiller, dass ein Unternehmer in der freien Wirtschaft auch nicht einfach immer „draufsatteln“ könne, konterte Hartmann mit der Feststellung: „Der Unternehmer kann bestimmte Dienstleistungen einstellen. Wir müssen Daseinsvorsorge betreiben. Ich kann nicht einfach sagen, ich betreibe jetzt keine Kitas mehr!“

Dass Sparen mitunter einfacher klingt als es ist, musste dann auch die Grüne Luise Krispenz erfahren. Sie forderte, pauschal zehn Prozent von allen städtischen Zuschüssen zu streichen. Allerdings sind diese Zuschüsse, etwa für die Träger von Kitas und Kindergärten, durch jahrelange Verträge und jahrzehntelange Zusammenarbeit gebunden und etabliert. Anke Drexler (SPD) weigerte sich daher, „das jetzt aus der Lamäng zu entscheiden. Dafür müssen wir uns Zeit nehmen!“ Auch Kämmerer Ernst merkte an, dass Krispenz es sich zu einfach mache: Der Stadtrat müsse sich Posten für Posten anschauen. „Da werden schmerzhafte Entscheidungen fallen müssen!“

Dachau braucht eine neue Kunsteisbahn, darin herrscht im Stadtrat Einigkeit. Über die Finanzierung dagegen nicht.
Dachau braucht eine neue Kunsteisbahn, darin herrscht im Stadtrat Einigkeit. Über die Finanzierung dagegen nicht. © hab

Wobei, und das betonte Ernst auch, der große Schmerz erst kommen wird. Denn die richtig wichtigen Ausgaben, etwa eine fünfte Dachauer Grundschule, die für die sogenannte Wärmewende nötige energetische Sanierung der städtischen Gebäude und Liegenschaften, das Jugendkulturzentrum auf dem MD-Gelände, die Mitfinanzierung der TSV-Aussiedlung sowie der Neubau der Scherer-Halle für den ASV, sind allesamt im nun vorliegenden Haushalts- und Finanzplan noch gar nicht enthalten. Dafür, so viel ist klar, wird eine dicke dreistellige Millionensumme nötig!

Schützenhilfe vom Bund ist laut Ernst nach heutigem Stand nicht zu erwarten. Für den Kämmerer ist daher klar, dass sich das Milliarden-Loch in Berlin auch auf Dachau „auswirken“ wird. Die Umsetzung des Klimaschutzkonzepts und dabei vor allem das Ziel der Dachauer Klimaneutralität bis 2040 ist für ihn nicht mehr darstellbar.

Das Armbadbecken nach Kneipp dagegen schaffte es unbeschadet durch die Diskussion am Mittwoch. Ein Antrag Jürgen Seidls (FDP), doch zumindest diesen, mit 28 000 Euro vergleichsweise kleinen Posten aus dem Haushalt zu streichen, scheiterte an der Ausschussmehrheit. CSU-Mann Schiller attestierte den städtischen Finanzen denn auch: „Da ist kein Land in Sicht.“

Am Donnerstag wurden die Haushaltsberatungen fortgesetzt.

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