Erdogans dschihadistische Kämpfer in Syrien bereiten Sturm auf Raqqa vor
Dschihadistische Milizen der pro-türkischen „Syrischen Nationale Armee“ wollen die Städte Rakka und Kobane erobern. Eine humanitäre Katastrophe droht.
Rakka - Die Lage nach dem Bürgerkrieg in Syrien bleibt weiterhin unübersichtlich. Besonders im Noden (Kurdisch: Rojava) droht eine Eskalation. In den vergangenen Tagen war es immer wieder zu Kämpfen zwischen der pro-türkischen Syrischen Nationalarmee (SNA) und den kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF). Inzwischen haben sich Kämpfer der dschihadistischen SNA vor den Toren von Rakka und Kobane versammelt, um sich auf einen Sturm auf die beiden nordsyrischen Städte vorzubereiten.
Pro-türkische Milizen bereiten neue Angriffe vor: Experten fürchten humanitäre Katastrophe in Nordsyrien
Eine Einnahme dieser Städte durch die pro-türkischen Dschihadisten könnten eine humanitäre Katastrophe nach sich ziehen. Für die gesamte Region bedeutet eine Besatzung durch die von der Türkei unterstützten Söldner weitere Destabilisierung, Vertreibung, ethnische Säuberungen. „Was ihre Herrschaft für die ethnischen Minderheiten und die Frauen bedeutet, haben wir nach der Besatzung Afrins 2018 erleben müssen. Dies droht nun auch in anderen Teilen Nordostsyriens“, sagt Bianca Winter vom Vorstand der Städtefreundschaft Frankfurt-Kobane e.V. im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA.
„In Kobane musste das von uns unterstützte Waisenhaus evakuiert werden. Die geschätzten 120.000 geflüchteten Menschen können von der Selbstverwaltung nur notdürftig versorgt werden, stellenweise ist das Versorgungssystem bereits kollabiert. Die Türkei setzt also auch die Geflüchteten ein, um die Region zusätzlich zu destabilisieren“, so Winter.

Folge von türkischen Anfriffen in Nordsysrien – IS könnte wieder erstarken
Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker fürchtet für die Erstürmung der beiden Städte eine humanitäre Katastrophe. „Im Falle einer erneuten türkischen Aggression werden sie und Hunderttausende Kurden, aber auch Assyrer/Aramäer, Armenier, Christen, Jesiden, Aleviten und viele Sunniten, die ein islamistisches Regime in Syrien ablehnen, ihre Heimat verlassen müssen. Auch der IS wird durch türkische Angriffe gestärkt. Zudem könnten sich ca. 11.00 IS-Mitglieder aus den Gefängnissen in Rojava befreien und auch über die Türkei nach Deutschland und Europa kommen und Anschläge z.B. auf Weihnachtsmärkte verüben. Deutsche Politiker, die diese Gefahren nicht sehen und Erdogan unterstützen, handeln verantwortungslos und gefährden das Leben der Menschen in Deutschland“, warnt der Nahostreferent der GfbV, Dr. Kamal Sido, im Gespräch mit unserer Redaktion.
HTS zu Zusammenarbeit mit Kurden in Syrien bereit
Die Nahostexpertin Kristina Helberg sieht einen Hoffnungsschimmer. „HTS und SDF sind zur Zusammenarbeit bereit. Aber wer stoppt Erdogan und seine Söldner von der SNA in Nordsyrien? Mehr als 100.000 Menschen sind vertrieben, Drohnenangriffe gehen weiter, eine Offensive auf Kobanê steht bevor. Syriens Kurden (PYD, KNC) müssen sich jetzt aussöhnen“, schreibt Helberg auf X. Die HTS „Hai’at Tahrir al-Sham“ (Komitee zur Befreiung der Levante) ist die größte Gruppe unter den Aufständischen in Syrien und habe eine Art Übergangsregierung in dem Land gebildet.
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich bereits zuvor zu seinen Plänen in Nordsyrien bekannt. Die „separatistische Terrororganisation“ wolle die Gunst der Stunde nutzen. „Ich möchte, dass wir als Türkei wissen, dass wir nichts zulassen werden, was unsere nationale Sicherheit und unsere Interessen gefährden könnte“, schreibt Erdogan auf X. Gemeint ist in dem Falle die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und YPG, die Erdogan mit der SDF gleichsetzt. Sein Außenminister Hakan Fidan wird in einem TV-Programm deutlicher. „Unser strategisches Ziel ist, dass die YPG verschwindet“.
Krieg in Syrien: Kurden fordern Ende aller Kämpfe – Türkei nimmt Angriffe wieder auf
Vertreter in den autonomen kurdischen Gebieten im Nordwesten Syriens haben unterdessen ein Ende aller Kämpfe in dem Land gefordert und der neuen Übergangsregierung in Damaskus die Hand ausgestreckt. Der Vorsitzende des Exekutivrats Hussein Othman forderte am Montag in Raka „einen Stopp der Militäreinsätze auf dem gesamten syrischen Territorium, um einen konstruktiven, umfassenden nationalen Dialog zu beginnen.“
Zugleich hatte die Türkei ihre Angriffe auf kurdisch kontrollierte Gebiete in Syrien wieder aufgenommen und die Einnahme von Manbidsch und Tal Rifaat verkündet. Am Mittwoch erklärten kurdische Kämpfer, in Manbidsch eine von den USA vermittelte Waffenruhe mit der Türkei vereinbart zu haben. Seit Jahren greift die Türkei immer wieder Ziele in der Region an. Nach dem Sturz des Assad-Regimes hatten die türkischen Luftangriffe erneut zugenommen. (erpe/AFP)