Habeck geht in Brandrede auf Merz los: „Nicht so viel mit Jens Spahn reden“

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Bei seiner Erklärung zur Scholz-Vertrauensfrage holt Habeck zum Schlag gegen Merz aus. Damit legt er sich kurz vor der Bundestagswahl mit der Union an.

Berlin – Knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl geht es zwischen den beiden Kanzlerkandidaten Robert Habeck (Die Grünen) und Friedrich Merz (CDU) hoch her. So ging Habeck bei der Debatte rund um die Vertrauensfrage von Kanzler Scholz auf Merz los, und warf der Union zahlreiche Versäumnisse und Realitätsverweigerung vor.

Habeck kritisierte, dass die Union bis zur im Februar geplanten Neuwahl wichtigen Vorhaben nicht mehr zustimmen wolle. Er nannte etwa einen Vorschlag der rot-grünen Rumpfregierung, mit einem Bundeszuschuss Unternehmen im kommenden Jahr bei den Netzentgelten und damit bei den Stromkosten entlasten. Merz hatte zuvor gesagt, die Union werde dem nicht zustimmen und geht vor allem mit Vorschlägen zu Steuersenkungen in den Wahlkampf. Darauf platzte Habeck bei seiner Rede im Bundestag der Kragen.

Scholz-Vertrauensfrage vor Bundestagswahl: Habeck zerpflückt Merz und die Union in Wutrede

Die Ampel habe ein schweres Erbe angetreten, sagte Habeck bei seiner Erklärung zur Scholz-Vertrauensfrage. Deutschland befinde sich in einer tiefen Strukturkrise. Probleme seien von den unionsgeführten Regierungen ausgesessen worden. Warum nur war der Haushalt der Union stets ausgeglichen, fragte Habeck. Möglich sei das durch „eine heruntergewirtschaftete Bundeswehr, bröselnde Brücken, verspäteten Bahnen, bei nicht sanierten Schulen, bei fehlender Investitionstätigkeit im Lande“ gewesen.

Mit Blick auf früheres billiges Erdgas aus Russland sagte er, es sei eine grandiose historische Fehleinschätzung gewesen, den Wohlstand des Landes auf die ewig freundlichen Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin aufzubauen. Die Normalität der Merkel-Jahre sei „erkauft“ worden durch „politische Verdrängung und Leugnung der Wirklichkeit“.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht rund zwei Monate vor der Bundestagswahl zur Vertrauensfrage von Olaf Scholz.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht rund zwei Monate vor der Bundestagswahl zur Vertrauensfrage von Olaf Scholz. © Kay Nietfeld/dpa

Kritik am Wahlprogramm: Merz-Pläne laut Habeck unrealistisch – „Sie können das alles vergessen“

„Blind“ habe die Union darauf vertraut, dass „alles immer so weitergeht“ und dabei die wachsende Wirtschaft Chinas übersehen und sich auch nie auf eine mögliche zweite Amtszeit des designierten US-Präsidenten Donald Trump vorbereitet. Habeck sprach von mehreren „historischen Fehleinschätzungen“. Die finanzpolitischen Pläne der Union würden doch „nicht einmal das Wochenende überleben“, jetzt, wo Merz und seine CDU sich vor der Bundestagswahl mit der Realität beschäftigen müssen.

SPD und Grüne werfen der Union vor, in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl Versprechen im Volumen von rund 100 Milliarden Euro zu machen, ohne zu sagen, woher das Geld kommen soll. Der Wirtschaftsminister zerpflückte daher die Wahlkampf-Vorschläge der Union: „Alle Unternehmerinnen und Unternehmer gut hingehört: Die Vorschläge der Union sind nicht gegenfinanziert. Sie können das alles vergessen.“ Habeck sagte weiter, mit der Union in der Regierung werde nichts im Klimaschutz passieren. „Wer die Union wählt, kriegt unsolide Finanzen, kriegt keinen Klima- und Naturschutz.“

Zoff um Strompreis: Habeck rät Merz während Vertrauensfrage-Rede, „nicht so viel mit Jens Spahn“ zu reden

Richtung Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sagte Habeck: „Wenn man sich bewirbt um dieses Amt, dann muss man die Oppositionsrhetorik fahren lassen. Dann muss man die Verantwortung für das Land mit Haut und Haaren wollen. Das vermisse ich bei Ihnen in dieser Debatte.“

Dann nahm der Grünen-Politiker noch Bezug auf Merz‘ Kritik an der Wirtschaftspolitik Habecks: „Übrigens Herr Merz, der Strompreis heute beträgt 4,6 Cent ungefähr. Heute fließt wahrscheinlich Strom nach Frankreich, und nicht umgekehrt – ist jedenfalls günstiger, als bei denen. Also, nicht so viel mit Jens Spahn reden und auch mal die Analysen sich anschauen.“

Vor Bundestagswahl: Habeck wirft Opposition bei Scholz-Vertrauensfrage Naivität vor

In seiner Rede zur Scholz-Vertrauensfrage hatte Merz einer Koalition mit den Grünen zuvor eine Absage erteilt – zumindest unter einer Führung von Robert Habeck. Der Vizekanzler sei „das Gesicht der Wirtschaftskrise in Deutschland“, sagte Merz. Mit seinen Plänen für höhere Steuern und mehr Umverteilung setze Habeck komplett falsche Akzente. „Da kann ich Ihnen nur sagen: gute Reise mit Ihren Vorschlägen“, sagte Merz an Habeck gewandt. „Dann suchen Sie sich mal einen Koalitionspartner, der das mitmacht – wir werden es nicht sein, um es mal ganz klar zu sagen.“

Habeck warnte davor, mit Naivität auf die geplante Bundestagswahl und die Zeit danach zu blicken. „Alle tun so, als wäre danach alles besser“, sagte er bei seiner Erklärung zur Vertrauensfrage. Schwierige Bündnisse, die von den Beteiligten die Fähigkeit zum Kompromiss erfordern, seien auch in Zukunft zu erwarten. Es gebe auch keine Garantie, dass Deutschland nach der für den 23. Februar geplanten Neuwahl zu einer schnellen Regierung kommen werde. Die Grünen und er persönlich wollten dafür arbeiten, „dass das Land in dieser schwierigen Phase handlungsfähig bleibt“.

Zwei Monate bis zur Bundestagswahl: Rückt Schwarz-Grüne in weite Ferne?

Rund neun Wochen vor der Bundestagswahl hatte sich Friedrich Merz zuletzt offener für eine Zusammenarbeit mit den Grünen gezeigt. CSU-Chef Markus Söder erteilte Schwarz-Grün hingegen mehrfach eine Absage; auch im Merkur-Interview polterte er gegen Habeck und dessen Partei.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa zur Bundestagswahl käme die Union derzeit auf 31,5 Prozent, die SPD auf 17 und die Grünen auf 11,5 Prozent der Stimmen. Derweil rangierte Robert Habeck als Kanzlerkandidat zuletzt knapp hinter Merz. (nak)

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