„80-jährige Ära amerikanischer Führung vorbei“: Kanadas Premier kontert Trumps Zölle

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Die kanadische Wahl wird von Zöllen dominiert: Carney setzt Tour für Krisentreffen aus. Konservative garantieren Stopp der Bundessteuer für kanadische Autos.

Ottawa – Im Handelskonflikt mit den USA hat Kanadas Premierminister Mark Carney am Donnerstag (3. April) Vergeltungszölle auf US-Autoimporte verhängt – eine direkte Antwort auf die von Präsident Donald Trump eingeführten Abgaben. Carney, seit März 2025 im Amt, warnte in einer emotionalen Pressekonferenz auf dem Parliament Hill in Ottawa vor den Folgen der US-Politik.

Kanadas Premier geht wegen Trumps Zöllen auf diplomatische Barrikaden

„Schmerz“ und „Schaden“ für amerikanische Familien stünden bevor, so Mark Carney laut Newsweek und AP News, bis die Regierung in Washington „ihren Kurs ändert“. Die Gegenmaßnahmen, so der Premier, seien gezielt darauf ausgelegt, „maximalen Schaden in den USA und minimalen in Kanada“ anzurichten.

Carney, ehemaliger Chef der Bank of Canada und der Bank of England, kritisierte Trumps am Mittwoch in Kraft getretene „Liberation Day“-Zölle als „ungerechtfertigt, unbegründet und irreführend“, zitiert ihn das Portal Fortune. Die US-Maßnahmen, die neben Autos auch Stahl, Aluminium, Pharmazeutika und Halbleiter betreffen, würden „die Weltwirtschaft erschüttern“, so Carney.

Besonders hart trifft es die Autoindustrie: Kanada führt jährlich Fahrzeuge im Wert von über 50 Milliarden US-Dollar in die USA aus. Als Reaktion verhängte Ottawa nun seinerseits 25 Prozent Zölle auf US-Autoimporte – ausgenommen sind jedoch Autoteile, um die vernetzte Produktion beidseits der Grenze zu schonen. „Ein Motorblock kann sechsmal die Grenze überqueren, bevor er fertig ist“, erklärte Carney gemäß der New York Times und betonte die Absurdität der US-Politik.

Trumps-Zollpolitik: Fabrikschließungen und Arbeitsplatzverluste

Die Folgen sind bereits spürbar: Der Automobilriese Stellantis, zu dem etwa Opel, Jeep und Fiat zählen, kündigte an, sein Werk in Windsor (Ontario) ab dem 7. April für zwei Wochen zu schließen – 3.600 Arbeiter stehen vorübergehend auf der Straße.

Wie die New York Times berichtet, könnten auch Zulieferer in Michigan und Indiana betroffen sein, darunter die Werke in Warren, Sterling und Kokomo. James Stewart, Gewerkschaftschef von Unifor Local 444, warnte: „Wir kämpfen um unser Überleben.“ Carney verwies auf einen zwei Milliarden kanadische Dollar (ca. 1,3 Mrd. Euro) schweren „Strategiefonds“, um Jobs zu retten, und kündigte Hilfen für betroffene Regionen an.

Kanadas Premier Carney (links) verhängt Vergeltungszölle auf US-Autos – warnt vor „Schmerz“ für Amerikaner. Trump (rechts) beharrt auf Kurs: „Unser Land wurde geplündert.“ © Beide Fotos: IMAGO / ZUMA Press Wire

US-Präsident Donald Trump: „Amerika wurde ausgeraubt“

Präsident Trump verteidigte indes seine Politik erneut als notwendige Maßnahme, um die US-Wirtschaft zu befreien. „Jahrzehntelang wurde unser Land von Nationen geplündert – das wird nicht länger hingenommen“, erklärte er am Mittwoch gemäß Newsweek.

Ökonomen widersprechen: Ernie Tedeschi von der Yale University prognostiziert auf dem genannten Online-Portal, die Zölle könnten das US-Wachstum 2025 halbieren und Preise um „mehr als ein Jahr Inflation“ anheben. Die US-Börsen reagierten am Donnerstag mit deutlichen Verlusten.

Wenn die USA nicht länger führen wollen, wird Kanada es tun.

Internationale Empörung und Kanadas neuer Führungsanspruch

Die Welle der Kritik reicht weit über Nordamerika hinaus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte Trumps Zölle einen „schweren Schlag für die Weltwirtschaft“, Japans Premier Shigeru Ishiba warnte vor einem „Kollaps des multilateralen Handelssystems“, heißt es ebenfalls in der Newsweek.

Carney nutzt derweil die Krise, um Kanada als neue globale Stimme zu positionieren: „Wenn die USA nicht länger führen wollen, wird Kanada es tun“, sagte er in einem Social-Media-Video. Er kündigte an, eine „Koalition gleichgesinnter Länder“ zu formen, um eine alternative Handelsordnung zu schaffen – ein direkter Affront gegen Washington.

Kanadische Innenpolitik: Junge Wähler als Schlüssel

Der Handelskrieg könnte Carneys Liberalen unerwarteten Rückenwind verschaffen. Laut Canada’s National Observer führen die Liberalen erstmals seit Jahren wieder in der Wählergruppe der 18- bis 35-Jährigen. „Junge Menschen sehen Carney als Bollwerk gegen Trumps Protektionismus“, analysiert Politikwissenschaftler Alex Marland.

Die Jugendorganisation Young Politicians of Canada, geleitet von Jaden Braves, fordert von der Regierung klare Maßnahmen zu Klimaschutz, bezahlbarem Wohnraum und sauberem Wasser in indigenen Gemeinden – Themen, die Carney in seinen Wahlkampf integriert hat.

Kanada: Neuwahlen am 28. April

Carney unterbrach diese Woche seinen Wahlkampf für die anstehende vorgezogenen Neuwahlen am 28. April, um die Krise zu bewältigen. Oppositionsführer Pierre Poilievre (Konservative) konterte mit dem Versprechen, Bundessteuern auf kanadische Fahrzeuge abzuschaffen. Ontarios Premier Doug Ford, dessen Provinz das Herz der Autoindustrie bildet, unterstützte Carneys „abgemessene Reaktion“ – ein Zeichen nationaler Einheit in der Krise, so AP News.

Mark Carney, der die Zollpolitik der USA als „Rückfall in die 1900er-Jahre“ bezeichnete, zog gegenüber der New York Times düstere Bilanz: „Die 80-jährige Ära amerikanischer Führung in der Weltwirtschaft ist vorbei.“ Während Trump auf „America First“ pocht, setzt Ottawa auf Allianzen – und positioniert sich als Verteidiger einer liberalen, globalisierten Ordnung. Ob diese Strategie die Wähler überzeugt, wird sich am 28. April zeigen. Bis dahin bleibt die Frage: Wie viel „Schmerz“ können beide Seiten ertragen?

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