Koalitionsverhandlungen unter Merz: Union und SPD am Scheideweg

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Die Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD stocken. Migration und Steuern sind Streitpunkte. Merz steht unter Druck.

Berlin – Die Verhandlungen zwischen Union und SPD über eine schwarz-rote Koalition ziehen sich nun schon fast eine Woche hin. Trotz einiger Fortschritte in den Fachgruppen bleiben zentrale Streitpunkte ungelöst – und die Zeit wird langsam knapp.

Koalitionsverhandlungen: Union und SPD am Scheideweg

Die „19er-Gruppe“ aus führenden Vertretern von CDU, CSU und SPD arbeitet daran, die letzten Differenzen zu beseitigen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte, dass man am Samstag „ein paar knifflige Aufgaben angehen“ wolle, wie das RND berichtet. Karin Prien, Bildungsministerin aus Kiel (CDU), äußerte gegenüber dem Tagesspiegel die Hoffnung, dass die Gespräche „Richtung Ende der Woche auch weitgehend zum Abschluss gebracht werden können“. Einige SPD-Mitglieder hoffen sogar auf ein Ende bis zum kommenden Donnerstag.

Der Zeitplan bleibt jedoch ehrgeizig: Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags sollen die Parteigremien innerhalb einer Woche entscheiden. Die SPD plant ein Mitgliedervotum per Post, und bei Zustimmung könnte die Kanzlerwahl von Friedrich Merz (CDU) Anfang Mai stattfinden. Einige Beobachter vermuten jedoch, dass sich das Verfahren, bei dem alle 357.000 SPD-Mitglieder Zugangscodes für eine Online-Abstimmung erhalten sollen, bis nach Ostern verzögern könnte.

Neuauflage der Großen Koalition: Migration und Finanzpolitik sorgen für Diskussion

Die Hauptkonflikte betreffen die Migrations- und Steuerpolitik. Die Union besteht darauf, die Ergebnisse der Sondierungen zu „Zurückweisungen irregulärer Migranten“ nicht zu verwässern, so der Tagesspiegel. Die SPD fordert eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 47 Prozent ab einem Einkommen von 83.600 Euro, was intern auf Kritik stößt. Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern (SPD), entgegnete im ZDF: „Mit 83.000 Euro ist niemand reich.“

Die Union lehnt Steuererhöhungen ab und fordert Entlastungen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und CSU-Chef Markus Söder betonen die Notwendigkeit von Einsparungen, etwa beim Bürgergeld oder Heizgesetz. Die Finanzierung bleibt jedoch umstritten, da die SPD die unionsseitigen Forderungen nach 63 Milliarden Euro Steuersenkungen ohne klare Gegenfinanzierung kritisiert.

Friedrich Merz
Die aktuellen Koalitionsverhandlungen könnten über das politische Erbe von Friedrich Merz entscheiden. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Ostdeutscher Unmut und geforderte „Politikwende“

Die ostdeutschen Ministerpräsidenten fordern unterdessen strukturelle Unterstützung. In einer gemeinsamen Erklärung verlangen sie Investitionen in Infrastruktur, Energie und Forschung, wie tagesschau.de berichtet. Schwesig und Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sind in der Verhandlungsrunde vertreten und sehen Gehör, doch viele Punkte sind noch offen. Zudem wünschen sie sich mehr ostdeutsche Kabinettsmitglieder. Kretschmer betonte gegenüber tagesschau.de einen Politikwechsel: „Der Osten hat sich ganz klar gegen die beiden Parteien und für die AfD entschieden.“ Daraus müssten nun Konsequenzen gezogen werden.

In der Union wächst der Unmut. Die Junge Union Köln warnt vor einem „politischen Desaster“ und vor Steuererhöhungen, so das RND. Parteiaustritte in Kreisverbänden und ein Umfragesturz auf 26 Prozent (ARD-Deutschlandtrend), ein Tiefstand seit Oktober 2022, setzen Merz unter Druck. Selbst hochrangige CDU-Mitglieder sollen in einem Brandbrief eine „Politikwende“ gefordert haben.

SPD-Chef Lars Klingbeil bleibt dennoch optimistisch und sagte laut Deutschland Radio: „Ich bin überzeugt, dass wir eine stabile Regierung bilden werden.“ CSU-Chef Söder verspricht „substanzielle Einsparungen“ und betont gemäß dem RND: „Wir werden aus Bürgergeld, wir werden aus dem Heizgesetz konsolidieren.“

Merz, Söder und Klingbeil: Müssen es am Ende die „großen Drei“ richten?

Sollten die Fachgruppen scheitern, müssten Merz, Söder und Klingbeil eingreifen. Bisher gab es kein gesondertes Treffen des Trios, berichtet der Tagesspiegel. Ob Merz die letzten Hürden erfolgreich nimmt, bleibt offen. Klar ist: Die Uhr tickt – und die Erwartungen an die „großen Drei“ sind hoch. Merz müsse beweisen, dass er die „links-grüne Hegemonie“ durchbricht, wie die Neue Zürcher Zeitung analysiert – doch stattdessen wirke die Union „defensiv“.

Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei rechnet laut der Süddeutschen Zeitung damit, dass der Durchbruch erst „nach einer langen Nacht“ gelingt, wenn die Parteichefs im kleinsten Kreis den entscheidenden Kompromiss finden.

Die kommenden Tage werden nicht nur über die Koalition, sondern auch über Merz‘ politisches Erbe entscheiden. Die NZZ kritisiert, dass der designierte Kanzler bereits vor Amtsantritt „angezählt“ wirkt – ein Scheitern wäre für ihn und die Union fatal.

Auch interessant

Kommentare