Merz unter Druck: Wut-Welle wegen Koalitionsgesprächen – neuer Umgang mit AfD gefordert
Die CDU-Spitze löst Unmut in ihrer eigenen Partei aus: Man richte sich zu sehr nach den Wünschen der SPD. Forderungen nach rechter Politik werden laut.
Berlin – CDU-Fraktionschef Friedrich Merz befindet sich derzeit im politischen Kreuzfeuer: Es hageln internationale Krisen auf Deutschlands Politik ein, gleichzeitig muss eine neue Regierung gebildet werden – und nun wenden sich auch noch Parteianhänger und Mitglieder gegen den designierten Bundeskanzler. Enttäuschung herrscht vor allem angesichts der laufenden Sondierungsgespräche mit der SPD: Hält Merz seine konservativen Versprechen, oder knickt er vor seinem Koalitionspartner gerade vollständig ein?
Die Gespräche zwischen SPD und der Union sollen sich nach Angaben der CDU-Spitze in der Schlussphase befinden. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Dobrindt (CSU) sagte, dass am Donnerstag „sehr viel Dynamik im Raum“ gewesen sei und „Dinge miteinander gelöst werden konnten“. Er gehe deswegen davon aus, „dass wir jetzt am heutigen Tag und am Wochenende große Fortschritte machen werden“. Am Samstag wolle man „ein paar knifflige Aufgaben“ angehen, denn noch immer stünden „große Aufgaben“ vor den Verhandlern.
Interne Konferenz der CDU sorgt für Aufstand an der Basis: „Das Sondierungspapier ist eine Schande“
Doch vor allem die Basis der CDU zeigt sich mit den bisherigen Ergebnissen unzufrieden. Von den erwarteten bürgerlich-konservativen Lösungen, mit denen die Partei stets wirbt, würde man aktuell wenig sehen. Laut Insider-Informationen der Welt hagelte es deshalb am Mittwochabend bei einer Video-Konferenz mit dem Titel „CDU Live – Update zu den Koalitionsverhandlungen“ mächtig an Kritik aus den eigenen Reihen.

In der Konferenz hätten der Mitgliederbeauftragte Philipp Amthor und Schatzmeisterin Franziska Hoppermann unter anderem versucht, das beschlossene milliardenschwere Schuldenpaket für die Infrastruktur zu verteidigen. Der Kompromiss mit der SPD über das „Sondervermögen“ sei als „Schutzschirm“ gedacht, einerseits eine „solide Grundlage“ für die Verteidigungsausgaben zu haben und andererseits, um „die Schuldenbremse im Kern“ zu erhalten, wird Amthor von der Welt zitiert.
Der Schlichtungversuch blieb erfolglos: „Ich kann kein Selbstbewusstsein in der CDU-Führung erkennen! Wir üben auf die SPD keinerlei Druck aus“, habe ein Mitglied in dem Chat geschrieben, der den Informationen zufolge parallel zu dem Meeting und für alle sichtbar lief. Ein anderes schrieb wohl unverblümt: „Das Sondierungspapier ist eine Schande“. Ein Kommentar, der das Stimmungsbild vielleicht am besten einfangen dürfte, sei gewesen: „Wir bekommen doch SPD pur und nicht wie versprochen CDU pur.“
„Brandmauer weg“: CDU-Mitglieder fordern neuen Umgang mit der AfD
Die Kritik spitzte sich laut der Welt so weit zu, dass in dem Chat Rufe nach einem anderen Umgang mit der AfD laut wurden. „Brandmauer weg, Minderheitsregierung und in Sachfragen und Inhalten Zusammenarbeit mit der AfD. Keine Kompromisse mit der SPD. Sofort-Stopp der Verhandlungen“, forderte ein Mitglied demnach. Ein weiteres habe beigepflichtet: „Durch die Brandmauer gegenüber der AfD hat sich die CDU in eine Gefangenschaft der Linken begeben“
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Ähnliche Forderungen waren am Freitag auch von dem ehemaligen Vorsitzenden der CDU-Grundwertekommission, Andreas Rödder, zu vernehmen. Im Podcast „Bosbach&Rach - Die Wochentester“ für das Redaktionsnetzwerk Deutschland und dem Kölner Stadt-Anzeiger betonte Rödder zunächst, dass er trotz den Austrittsgerüchten weiterhin Mitglied seiner Partei bleibe. „Was für mich und für viele CDU-Mitglieder [aber] passiert ist: dass wir irritiert sind über das, was in den letzten Wochen passiert ist. Und wir wären schlechte Parteimitglieder, wenn wir das einfach nur so geschehen lassen würden.“
Ihm persönlich gehe das „Gerede über Geschlossenheit“ immer „auf die Nerven“. Die CDU sei mit dem Versprechen des Politikwechsels in den Wahlkampf gegangen. Wenn dieses Versprechen erneut einkassiert wird, „dann ist das ein Glaubwürdigkeitsproblem nicht nur für die Union, sondern für das politische System.“ Rödder fordert von CDU-Chef Friedrich Merz deshalb „rote Linien“ statt „Brandmauern“ im Umgang mit der AfD: „Ich plädiere für eine konditionierte Gesprächsbereitschaft mit der AfD. Indem man die klaren roten Linien zieht im Hinblick auf Themen und Sachfragen und Personen, aber auch im Hinblick auf den Habitus der Verächtlichkeit, den die AfD gerne trägt.“ Wobei das umgekehrt bedeute, dass man ihn auch ablegen solle.
Merz und CDU verlieren an Zuspruch - SPD äußert Sorge über Rechtsruck in der Bevölkerung
Dass das Vertrauen in Merz auch zunehmend in der Bevölkerung schwindet, hat am Donnerstag (3. April) der ARD-„Deutschlandtrend“ gezeigt. 70 Prozent der Befragten in Deutschland zeigten sich wenig oder gar nicht zufrieden mit dem CDU-Parteivorsitzenden und designierten Bundeskanzler. Die Partei verlor in der Umfrage insgesamt drei Prozentpunkte und erreichte damit einen neuen Tiefstand seit 2022 (26 Prozent). Die AfD gewann wiederum drei Prozentpunkte hinzu und rückte damit deutlich auf (24 Prozent).
Das Erstarken der AfD und die Umfrageschwäche der CDU bereiteten auch dem wahrscheinlichen Koalitionspartner SPD Sorge. „Die sinkenden Umfragewerte der Union zeigen eine Vertrauenskrise“, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Mast diagnostizierte einen „Rechtsruck“, dem sich „alle in der Gesellschaft“ entgegenstellen müssten. (nz/dpa/afp)