Ein Bär belagert ein Wahllokal, ein anderer spaziert durch einen Ort am Gardasee. Das lässt Rufe nach einer „stärkeren Zukunftsstrategie“ laut werden.
Tremosine - Spätestens seit April 2023 sind die Bären in der Provinz Trient im Norden Italiens ein Thema, das europa-, wenn nicht weltweit für Aufsehen sorgt. Damals wurde nördlich des Gardasees im Val di Sole ein Jogger von einer Bärin angegriffen und getötet. Das Tier meinte offenbar, seinen Nachwuchs vor dem Mann verteidigen zu müssen. Die Bärin Gaia wurde eingefangen und soll demnächst in einem Bärenpark im Schwarzwald eine neue Heimat finden.
Sie ist jedoch bei weitem nicht die einzige ihrer Art, die in Italien für Aufruhr sorgt. Erst am Wochenende (8./9. Juni) wurden zwei Bären in verschiedenen italienischen Ortschaften gesichtet.
Polizei entdeckt Bären vor Wahllokal und warnt die Auszähler – Forstbehörde muss intervenieren
Am Abend der Europawahl (9. Juni) sorgte ausgerechnet in der Gemeinde Caldes, in der der 26-jährige Jogger Andrea Papi von der Bärin Gaia getötet wurde, ein Artgenosse für Aufruhr: In dem Weiler Bozzana hörten Polizisten, die im Wahllokal anwesend waren, kurz vor Mitternacht – in Italien wurde bis 23 Uhr abgestimmt – plötzlich merkwürdige Geräusche. Laut ildolomiti.it gingen die Beamten nach draußen, um nach dem Rechten zu sehen – und entdeckten einen Bären in weniger als zehn Meter Entfernung, der sich für eine abgestellte Mülltonne interessierte. Die Polizeibeamten rieten den Leuten, die sich im Wahllokal aufhielten, nicht hinauszugehen und alarmierten die zuständige Forstdienststelle im Nachbarort Malé.
„Als sie vor Ort intervenierten hat die Forstbehörde abschreckende Maßnahmen ergriffen und die Situation wurde ohne Schaden gelöst“, erklärt Bürgermeister Maini, ohne auf die Details einzugehen. „Zurück bleiben Angst und eine Situation, die unhaltbar geworden ist“, so das Gemeindeoberhaupt. „Die Anwesenheit von Bären in bewohnten Zentren ist nicht länger tolerierbar“, erklärte Maini weiter.
Der Ort, an dem der Bär auftauchte, sei kein isoliertes Gebiet. „Die Menschen haben Angst und sind auch weniger tolerant. Sie bitten mich, etwas zu tun.“ Es gebe Regeln, die befolgt werden müssten. „Wenn die Voraussetzungen für eine Tötung vorliegen, ist es am besten, sie zu vollstrecken. So können wir nicht weitermachen.“
Weitere Bären-Sichtung in Italien: Exemplar spaziert seelenruhig durch Ferienort am Gardasee
Auch am Gardasee sorgte ein Bär für Aufregung. Er streifte durch den Gemeindebereich des Ferienortes Tremosine am lombardischen Westufer des Sees und wurde in den Weilern Voltino und Vesio gesichtet. Ein Autofahrer fotografierte das auf der Straße spazierende Tier Ende Mai.
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Laura Facchetti, die Präsidentin der Sektion Brescia des italienischen Bauernverbandes Coldiretti, ist alarmiert „Die Situation ist jetzt außer Kontrolle: Wir brauchen eine noch stärkere Zukunftsstrategie, die sich nicht darauf beschränkt, sich der Notlage des Tages zu stellen.“ Gefährdet sei nicht nur die Landwirtschaft, sondern „auch das Leben der Bürger“.
Die Bären vermehren sich und vergrößern ihr Revier bis nach Bayern
Im Mai sprang im Val di Sole ein Bär vor ein Auto. Die Fahrerin konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und erfasste das Wildtier mit ihrem Fahrzeug. Der Bär flüchtete. Anfang Mai verfolgte ein Tier einen Wanderer nahe des Gardasees. Anfang des Jahres wurde der Bär M90 auf Anordnung der Provinz erschossen, nachdem er im Trentiner Val di Sole zwei Wanderer verfolgt hatte.
Unterdessen liegen neue Zahlen über die Bärenpopulation im Trentino vor: Dem Großraubtierbericht 2023 der Provinz Trient zufolge wird die Anzahl der Bären auf 98 Tiere geschätzt, mit einer Bandbreite zwischen 86 und 120. Zwei Jahre zuvor waren es 85 Tiere, mit einer Bandbreite von 79 bis 103. Außerdem wurden 13 Würfe mit insgesamt 22 Jungen registriert. Diese Zahlen wurden durch Genproben und direkte Sichtungen sowie Aufnahmen von Wildkameras ermittelt. Dabei wurden acht tote Exemplare gezählt, von denen zwei von anderen Bären (M62 und F56) getötet worden seien. Bei den anderen Exemplaren wurde die Todesursache nicht ermittelt.
Allgäu rechnet schon mit dem nächsten Bärenbesuch
„Was die Verbreitung betrifft, so wird eine Vergrößerung des Territoriums der Weibchen im westlichen Trentino bestätigt (2227 Quadratkilometer Fläche, ein Anstieg von neun Prozent im Vergleich zu 2022), während sich einzelne männliche Exemplare über ein etwa 40.000 Quadratkilometer breites Gebiet bewegt haben, zu dem auch die Lombardei, Bayern und Friaul Julisch Venetien gehören.“ Ein Exemplar streift seit Monaten durch das Lechtal und Vorarlberg und ließ sich bereits im Allgäu blicken. Dort bereitet man sich auf den nächsten Bärenbesuch vor.