Während ein Propagandist im Stadtzentrum eine Flagge hisst, dementiert die Ukraine den Fall von Pokrowsk. Wie unabhängige Fachleute die Lage einschätzen.
Pokrowsk – Immer wieder hatte Russland im Ukraine-Krieg den Fall der seit Monaten umkämpften Stadt Pokrowsk vermeldet. Anfang Dezember gab der russische Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich die Einnahme bekannt. Nun gab es erneut Meldungen, russische Truppen hätten die Kontrolle erlangt, doch Kiew dementiert dies.
Allerdings: Unabhängige Quellen wie DeepStateMap zeigen fast das gesamte Stadtgebiet als russisch besetzt. Die Einnahme von Pokrowsk wäre der wichtigste Gebietsgewinn Russlands seit Anfang 2024, denn sie ist Teil des Festungsgürtels und ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in der Oblast Donezk.
Mitten im Ukraine-Krieg: Putin-Propagandist hisst in Pokrowsk eine Russland-Flagge
Wladimir Solowjow, Fernsehmoderator im russischen Staatsfernsehen und eines der wichtigsten Sprachrohre Putins, reiste nach Pokrowsk, wie der Militärblogger „War Translated“ berichtete. In Aufnahmen ist zu sehen, wie der Propagandist in Helm und Uniform mit einer russischen Flagge in der Hand neben Soldaten steht.
Zusammen mit einem Kommandeur und Truppen des 506. Regiments „hissen wir die Flagge im Zentrum von dem, was heute Krasnoarmeisk ist und früher Pokrowsk genannt wurde“, sagt Solowjow in dem Video. Die russische Bezeichnung Krasnoarmeisk stammt aus der Zeit der Sowjetunion und bedeutet in etwa: „Stadt der Roten Armee“.
Schlüsselstadt im Osten: Warum Pokrowsk Putins Vormarsch beschleunigen würde
Putins Ziel ist, den gesamten Donbass einzunehmen. Der Fall von Pokrowsk wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Sollte Russland die Kontrolle über die Stadt gewinnen, könnte es von dort aus militärisch in Richtung Kramatorsk und Slowjansk vorstoßen – zwei der größten Städte in der Region, die noch unter ukrainischer Kontrolle stehen. Auch die westlich gelegene Region Dnipropetrowsk würde dadurch stärker unter Druck geraten. Ein militärischer Erfolg würde auch ein politisches Signal an die USA senden. Derzeit laufen Verhandlungen mit US-Vertretern über ein mögliches Ende des Krieges.
Für Putin wäre der Fall von Pokrowsk auch ein großer Propaganda-Erfolg. Experten halten es für wahrscheinlich, dass sich die ukrainischen Truppen in Kürze aus Pokrowsk zurückziehen müssen. Doch noch ist es nicht so weit: Russische Streitkräfte setzten ihre Offensivoperationen in Richtung Pokrowsk am Freitag (12. Dezember) fort, machten jedoch keine bestätigten Geländegewinne, hieß es in der jüngsten Analyse der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW). Auch ein russischer Militärblogger schrieb am Donnerstag, ukrainische Streitkräfte würden weiterhin im Nordosten von Pokrowsk eindringen.
Russland erhöht aber den Druck: Derzeit setzen russische Truppen rund 30 Fahrzeuge in der Region ein, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Armeekreisen erfuhr. Damit handelte es sich um den bislang größten Angriff in der Pokrowsk. „Die Konvois versuchten, von Süden her in den nördlichen Teil der Stadt durchzubrechen“, so die ukrainische Armee am Mittwoch. Laut ISW-Lagebericht gehen die russischen Vorstöße aber „mit unverhältnismäßig hohen Verlusten und erheblichen Zeitkosten einher, und die russischen Streitkräfte mussten allein in Richtung Pokrowsk 150.000 Soldaten einsetzen.“ (Quellen: AFP, dpa, Reuters, DeepState, ISW, X) (bme)