Auch in Egling wird das Thema 80 Jahre Kriegsende aufgegriffen. Korbinian Hasch erarbeitete dafür einen Vortrag. Der Heimatreferent stieß auf schockierende Ereignisse, von denen er bis dato zum ersten Mal hörte.
Egling - Das grausame und menschenverachtende Regime der Nationalsozialisten fand im Mai 1945 mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht sein Ende. Heuer jährt sich dieses historische Datum zum 80. Mal. Auch in der Gemeinde Egling wird das Thema aufgegriffen – in Form einer Gedenkstunde in der Thanninger Kirche.
Der Vortrag steht unter dem Leitmotiv: „Erinnern – nicht beklagen; benennen – nicht verurteilen“. Erarbeitet hat ihn Heimatreferent Korbinian Hasch. Der Feldkirchner und gebürtige Öhnböcker weiß viel über Eglings Heimatgeschichte. Bei seinen jüngsten Recherchen stieß der 62-Jährige auf teils schockierende Ereignisse, von denen er bis dato zum ersten Mal hörte. Dazu später mehr.
80 Jahre Kriegsende: Vortrag in Egling - Kinder von Mooshamer Familie zwangssterilisiert
Zum Kriegsende hin wurden auch Eglings Pfarrer aufgefordert, sogenannte Einmarschberichte zu verfassen. „Die weltliche Ordnung war zerstört, aber die kirchliche Struktur existierte noch. Deshalb hat das funktioniert“, erklärt Hasch. Abgesehen davon dienten ihm etwa Schilderungen von Zeitzeugen als Quellen. Mit mehreren konnte er noch persönlich sprechen. Was Hasch sich nach und nach erarbeitete, ließ den Feldkirchner nicht kalt.
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Etwa als er von Euthanasie und Zwangssterilisation im Ort erfuhr, über die in den betroffenen Familien bis heute nicht gesprochen wird. „Nach dem Krieg wollten die Leute davon nichts mehr wissen. Ein Stück weit war das sicher eine Art Selbstschutz“, so der 62-Jährige. In Moosham traf das Programm zur „Auslöschung unwerten Lebens“ gleich eine ganze Familie: Vier Kinder eines Bauern wurden zwangssterilisiert.
Wir möchten durch den Vortrag keine Schuld aufbauen. Aber wir wollen bewusst machen, zu was der Menschen in der Lage ist, wenn er in die falsche Richtung geht.
In Deining lebte eine Frau, die laut den Nationalsozialisten „in sittlicher Beziehung nicht recht gut“ war: Ständig sollte die Deiningerin zwei Burschen nebeneinander gehabt haben. Eine Sterilisation blieb damit aus Sicht der Nationalsozialisten unausweichlich. „Ich habe wirklich nicht gewusst, dass es solche Vorfälle unmittelbar bei uns gab“, sagt Hasch. „Für mich war das alles komplett neu.“
Ich habe wirklich nicht gewusst, dass es solche Vorfälle unmittelbar bei uns gab.
In den Kriegsjahren waren aus dem heutigen Gemeindegebiet fast Männer 500 zum Kriegsdienst eingezogen worden. Gut 235 von ihnen fielen oder blieben vermisst. Derweil bangten die Daheimgebliebenen nicht nur um ihre Männer, Väter und Söhne. Nachdem meist auch Pferde beschlagnahmt worden waren, mussten die Bäuerinnen das, was vorher der Bauer mit zwei Pferden erledigte, fortan mit einer Kuh schaffen.
80 Jahre Kriegsende: Nebenstrecke des Todesmarschs führte durch Deining
Hasch: „Keine Frage, das Leid der Soldaten im Feld ist unbestritten. Aber einen großen Teil des Leids trugen ebenso die Frauen.“ Im gleichen Zug betont der 62-Jährige: „Wir wollen mit dem Vortrag keine Schuld aufbauen. Aber bewusst machen, zu was der Mensch in der Lage ist, wenn er in eine falsche Richtung geht.“
Tausende Häftlinge trieb die SS in einer Nacht im April 1945 vom KZ-Außenlager Dachau in Richtung Süden. Eine Nebenstrecke führte auch durch das Gebiet der heutigen Großgemeinde. Laut Aufzeichnungen, die Hasch vorliegen, hat sich der Todesmarsch bei einem damals sechsjährigen Deininger für immer eingeprägt.
Keine Frage, das Leid der Soldaten im Feld ist unbestritten. Aber einen großen Teil des Leids trugen ebenso die Frauen.
„Solange ich lebe, bleibt mir der Elendszug im Gedächtnis. Ich sah viele Häftlinge, die auf der Wiese neben der Straße auf Händen und Füßen daher krochen und Gras aßen, um ihren Hunger zu stillen“, schrieb der Deininger.
Als einige der Erschöpften nicht reagierten, sprangen die Bewacher demnach mit ihren schweren Stiefeln auf die Hilflosen. Keine Frage, der etwa 40-minütige Vortrag in der Thanninger Kirche wird bedrückend werden. Trotzdem hofft Hasch, dass möglichst viele Eglinger kommen: „Weil sie dort erfahren, was die allermeisten von uns so nicht gewusst haben. Über uns und ein Stück Eglinger Vergangenheit in der NS-Zeit.“ kof
Gedenkstunde
Die Gemeinde Egling lädt für Mittwoch, 7. Mai, um 19 Uhr zur Gedenkstunde in die Thanninger Kirche ein. Musikalisch begleitet wird der Vortrag vom Ensemble Vorbuchner-Kracht. Im Anschluss legt Bürgermeister Oberhauser am Kriegerdenkmal einen Kranz für alle Kriegsopfer nieder. Die musikalische Gestaltung übernimmt die Blaskapelle Thanning.