Großer Automobilzulieferer reduziert Arbeitszeiten tausender Mitarbeiter – und will Entlassungen vermeiden
Ein deutscher Automobilzulieferer will an einem Standort die Arbeitsstunden um zehn Prozent reduzieren. Die Maßnahme soll Stellenabbau vorbeugen – und die Zukunft der Produktion sichern.
Schweinfurt – Im Sommer hatte der Autozulieferer ZF Friedrichshafen erst angekündigt, jede vierte Stelle in Deutschland abbauen zu wollen. Nun strebt das Management für den Standort Schweinfurt weitere personelle Einsparungen an – allerdings in Form von einer drastischen Absenkung der Arbeitszeiten innerhalb der Belegschaft.
Von 35 auf 31,5 Stunden: ZF Friedrichshafen reduziert am Standort Schweinfurt Arbeitszeit der Mitarbeiter
So will ZF die Arbeitszeiten zahlreicher Mitarbeiter aus den Bereichen Verwaltung, Forschung und Entwicklung sowie der Produktion in den kommenden zwölf Monaten kürzen. Laut der WirtschaftsWoche würde der Großteil der betroffenen Beschäftigten künftig statt 35 Stunden pro Woche nur noch 31,5 arbeiten – insgesamt würde ZF dadurch 22.750 Arbeitsstunden einsparen. Das bestätigte auch Personalleiter in einer Unternehmensmitteilung: „Wir planen nicht, 650 Stellen abzubauen, sondern wollen stattdessen die Personalkapazitäten um wöchentlich 22.750 Stunden, also 650 mal 35 Stunden, reduzieren.“ Um Kurzarbeit solle es sich dabei allerdings ausdrücklich nicht handeln.
Bereits jetzt lägen die Kapazitäten am ZF Standort Schweinfurt zehn Prozent über dem Bedarf. Grund dafür ist „eine unerwartet schwache Konjunktur, die zu deutlichen Umsatzrückgängen führt“, wie ein Unternehmenssprecher dem Bayrischen Rundfunk mitteilte. Rund drei Milliarden Euro Umsatz fehle dem Konzern gegen „Ende des Jahres“, hatte Betriebsratschef Achim Dietrich Anfang Oktober im Handelsblatt erklärt. Hinzu kommen zehn Milliarden Euro Schulden aus vergangenen Übernahme-Käufen, laufende Transformationskosten für die Elektromobilität, der Druck der billigeren und flexibleren internationalen Konkurrenz sowie der teure Produktionsstandort in Deutschland.
Betriebsrat muss noch zustimmen – Werksleitung will „Arbeitsplätze mit zukunftsfähigen Produkten sichern“
Derzeit spürt ZF an mehreren Standorten erheblichem Auftragsrückgang, sodass neben Entlassungen auch Werkschließungen nicht mehr ausgeschlossen sind. Die ZF-Spitze erhofft sich damit einen Effekt, der äquivalent zu rund 650 abgebauten Vollzeitstellen wäre. Am Donnerstag (24. Oktober) wurden die rund 9.800 Angestellten von Standortleiter Manfred Süß und Giek über die Maßnahmen in Kenntnis gesetzt. Ausgenommen sind jedoch Teilzeitkräfte, Auszubildende, Mitarbeiter in Altersteilzeit sowie die Unternehmenssparten Aftermarket und RACE Engineering.

Während der Betriebsrat noch final zustimmen muss, soll die Stimmung vor Ort bedrückt gewesen sein. Dennoch betonte das Führungsduo des Standorts, dass der Plan vorsähe, „den Standort wieder in die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückbringen und die Arbeitsplätze mit zukunftsfähigen Produkten langfristig“ abzusichern. Am Standort Schweinfurt werden seit fast 130 Jahren LKW- und Eisenbahn-Dämpfungstechnik hergestellt. Außerdem liegt der Fokus der Produktion seit einigen Jahren verstärkt auf Elektromobilität – rund 60 Prozent der Mitarbeiter sind in diesem Bereich tätig: Neben Elektromotoren für die Automobilindustrie fertigt ZF in Schweinfurt auch Schnell-Ladesysteme für Porsche an.
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Dreistellige Millionensumme für den „Leitwerk“ in Schweinfurt – ZF dementiert Abbau von 2.000 Stellen
Im Rahmen des Transformationsprogramms SCW 2030, auf das sich Betriebsrat und Konzernleitung 2019 geeinigt hatten, hatte ZF in der Vergangenheit laut eigenen Angaben bis zu 360 Millionen Euro in den Standort investiert. Der Großteil soll dabei in Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse in der modernen E-Factory geflossen sein. Zuletzt aufkommende Gerüchte um einen Stellenabbau von 2.000 Jobs, hatte das Unternehmen stets dementiert. Und vielmehr auf den Stellenwert des Standorts Schweinfurt als „Leitwerk“ der ZF Group für E-Motoren hingewiesen: „Denn das zeichnet den Standort aus: Die Innovationskraft seiner Mitarbeitenden und dass alle Kompetenzen von Entwicklung bis Produktion vor Ort vorhanden sind“, hieß es damals auf den Vorwurf der IG Metall.
In Deutschland ist ZF mit mehr als 50.000 Angestellten allein in Deutschland einer der größten Autozulieferer. Inhaber des Konzerns ist mehrheitlich die Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen. Im ersten Halbjahr 2023 ging der weltweite Umsatz um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Der operative Gewinn stieg hingegen von 555 Millionen auf 633 Millionen Euro. Nach der Ankündigung des Konzerns, bis 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Stellen in Deutschland abzubauen, stehen zudem laut Betriebsratschef Achim Dietrich einige Werke der insgesamt 35 Standorte auf der Kippe.