Verspätungen, Zugausfälle und ein schlecht organisierter Schienenersatzverkehr: Am Wochenende sorgte ein defektes Stellwerk im Münchner Netz für einen Totalausfall. Im südlichen Landkreis steckten hunderte Fahrgäste stundenlang am Gleis fest. Von der Bahn fühlten sich die Ausflügler im Stich gelassen.
Landkreis – Es ist kurz nach 12 Uhr mittags, als Sophia Huber am Sonntag in den Filzenexpress steigt. Mit einer Freundin hat sich die 26-jährige Wasserburgerin in München verabredet. Gemeinsam wollen sie im Deutschen Theater das Musical „Sister Act“ ansehen. Die Karten dafür hat Sophia Huber bereits vor einigen Monaten gekauft. Die Vorfreude ist groß. Doch zur langersehnten Vorführung wird sie es nicht rechtzeitig schaffen.
Stellwerkstörung zieht Zugausfälle nach sich: Ebersberger Pendler stecken fest
Ein defektes Stellwerk bei Pasing sorgt schon am Samstagabend für eine schicksalhafte Reihung von Störungen im Münchner Schienennetz. Züge fahren plötzlich nicht mehr weiter, S-Bahnen fallen aus und der beorderte Schienenersatzverkehr kann nur einen Bruchteil der völlig überforderten Fahrgäste aufsammeln. „Es war ein Wahnsinn“, berichtet die Wasserburgerin von dem Katastrophentag der Münchner S-Bahn.
Bereits in Grafing-Bahnhof bleibt sie das erste Mal stecken. Vom Filzenexpress möchte die 26-Jährige dort in die Regionalbahn nach München umsteigen. Nach wenigen Minuten Verspätung fährt der Zug auch ein – nur weiter geht es nicht mehr. Kurz nachdem sich die Reisenden in die überfüllte Bahn gequetscht hatten, ertönt eine Durchsage. „Es hieß, die Fahrt endet hier und alle müssen aussteigen“, erzählt Huber. Der Grund für den plötzlichen Stopp in Grafing-Bahnhof wird nicht genannt.
Bahnmitarbeiter vor Ort heillos überfordert
Zahlreiche Ausflügler stehen nun vor der Frage, wie es weitergeht. Fährt der nächste Regio? Wie sieht es mit der S-Bahn aus? Auf den Anzeigetafeln finden Sophia Huber und über hundert weitere Fahrgäste keine Antwort. Ebenso wenig Aufschluss gibt die App des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), betont die 26-jährige. Bis auf die von der Bahn angekündigte Sperrung der Stammstrecke wegen Bauarbeiten seien keine weiteren Störungen angezeigt worden.
Hilfe erhofft sich Huber daher von einem Bahnmitarbeiter, der gerade versucht, die Menschenmasse am Bahnsteig zu koordinieren. „Der hatte aber auch keine Ahnung, was überhaupt los ist“, sagt sie. Mittlerweile wartet die 26-Jährige seit fast einer Stunde. Es herrscht absoluter Stillstand. „Irgendwann hieß es dann, wir sollen mit der S-Bahn weiterfahren“, berichtet sie. In der Folge strömen hunderte Menschen auf das S-Bahn-Gleis in Richtung München. „Das waren bestimmt über 300 Leute“, erinnert sich die Wasserburgerin an dichtes Gedrängel und viele genervte Gesichter.
Überfüllte S-Bahnen und schlecht organisierter Schienenersatzverkehr
Als kurz darauf die S 6 einfährt, wiederholt sich das Spiel: Wieder drängen Menschen in die Abteile, wieder ist der Zug überfüllt. Dennoch: Für Sophia Huber geht es weiter – zumindest eine knappe viertel Stunde, dann steckt sie erneut fest. Diesmal in Zorneding. Die S-Bahn endet dort, Großraumtaxis sollen die Fahrgäste an den Ostbahnhof bringen, teilt ein Mitarbeiter den ÖPNV-Kunden vor Ort mit.
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Erst jetzt erfährt die Wasserburgerin über die Webseite der Deutschen Bahn auch von den Stellwerkstörungen. Der Konzern spricht dort von Verspätungen von bis zu 20 Minuten. „Das fand ich amüsant. Ich hatte einen Puffer von einer Stunde eingeplant, der war schon längst verbraucht“, betont Huber. Und ihre Aussicht auf eine baldige Weiterreise schmilzt – genauso wie ihre Nerven – mit jeder verstrichenen Minute weiter dahin. „Es herrschte absolutes Chaos. Keiner wusste, wo dieser Schienenersatzverkehr abfährt“, berichtet sie frustriert von den Zuständen am Zornedinger Bahnhof. Auf der Suche nach einem Halteschild seien die Menschen samt Koffern und Reisetaschen ziellos am Straßenrand umhergeirrt.
„Das ist einfach ärgerlich“: Wasserburgerin (26) verpasst Musical
Schließlich rückten vier Taxis zum Bahnhof an. „Das hat bei der Masse an Leuten vorn und hinten nicht gereicht“, so Huber, die sich von der Bahn im Stich gelassen fühlte. Erst nach mehrfacher Beschwerde beim Kundendienst des MVV sendet eine Sprecherin erneut Großraumtaxis. Sophia Huber wartet zu diesem Zeitpunkt schon über zwei Stunden.
„Das ist einfach ärgerlich“, bemängelt sie das unzureichende Krisenmanagement der Bahn. Die gibt für die Strecke der S 6 am Montagmorgen wieder Entwarnung. Für Sophia Huber nur ein kleiner Trost. Sie verpasst am Sonntag den ersten Akt des Musicals. Ihre Karten bekommt sie nicht erstattet.