Ukraine warnt vor Putin-Veto bei Sicherheitsgarantien: „Dann öffnet er den Weg nach Charkiw“

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Der Kreml spricht von Frieden, die Ukraine von Täuschung. Putins Garantien könnten zum nächsten Angriffspfad werden, auch Experten warnen.

Kiew – Inmitten stockender Friedensgespräche im Ukraine-Krieg und anhaltender Kämpfe an der Front wächst in Kiew die Sorge, dass neue russische Vorschläge zu sogenannten Sicherheitsgarantien einen gefährlichen Scheinfrieden bedeuten könnten. Offiziell spricht Moskau von einer „Sicherheitsarchitektur“, tatsächlich aber zielt der Kreml darauf, den Westen in eine Konstruktion einzubinden, die Russland ein Vetorecht über die Zukunft des Nachbarlandes verschafft. Für Kiew würde das nicht Schutz, sondern eine offene Flanke in Richtung Charkiw bedeuten.

Ukraine warnt vor russischem Vetorecht bei Garantien

Nach Einschätzung der ukrainischen Führung drohen die jüngsten russischen Forderungen, die Sicherheit des Landes weiter zu schwächen. Außenminister Dmytro Kuleba erklärte am Mittwoch (20. August) laut der Kyiv Post, ein solches Modell eröffne „den Weg nach Charkiw und darüber hinaus“. Konkret verlangt Moskau, dass Russland bei allen westlichen Schutzmaßnahmen für die Ukraine mitbestimmen könne. Ohne Zustimmung des Kremls dürften weder neue Waffensysteme geliefert noch militärische Abkommen geschlossen werden.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow untermauerte diese Position gemäß der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti mit der Drohung, Gespräche ohne russische Beteiligung seien „ein Weg ins Nichts“. Russland werde „harte und entschiedene Maßnahmen“ ergreifen, sollte es bei künftigen Vereinbarungen übergangen werden.

Sicherheitsgarantien für die Ukraine: Europa reagiert geschlossen auf Putins Forderungen

Europäische Spitzenpolitiker reagierten mit scharfer Ablehnung. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, dass weder die Zusammenarbeit der Ukraine mit westlichen Partnern noch deren Annäherung an die Nato oder die EU durch ein russisches Veto blockiert werden dürften. EU-Vizepräsidentin Kaja Kallas betonte zudem, Putin sei „nicht vertrauenswürdig“ und Garantien müssten so robust ausgestaltet sein, dass eine neue Invasion unmöglich werde.

Auch in Washington ist die Skepsis groß. Das Magazin Newsweek berichtete, dass westliche Diplomaten die russischen Vorstöße als Versuch werten, geplante Abkommen zwischen den USA, Europa und der Ukraine zu unterlaufen und eine neutrale Zone im Herzen Europas zu erzwingen.

Streitpunkt Sicherheitsgarantien: Der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. © Foto links: IMAGO / ZUMA Press | Foto rechts: IMAGO / NurPhoto

Ukraine-Krieg: Militärische Frontlage verschärft sich in Pokrowsk und Sumy

Gleichzeitig gehen die Kämpfe an mehreren Frontabschnitten weiter. Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) meldete am Mittwoch russische Angriffe bei Sumy, Lyman und Torezk sowie ukrainische Gegenstöße nahe Pokrowsk. Dort sollen Kiewer Truppen Petriwka zurückerobert haben. Russische Einheiten verlegten zusätzliche Kräfte nach Donezk, konnten bislang aber nur minimale Geländegewinne erzielen.

Die Kyiv Post verweist darauf, dass ein Aufweichen westlicher Sicherheitsgarantien das Risiko einer russischen Offensive in Richtung Charkiw erheblich verstärken könnte. Schon jetzt versuchten russische Verbände, die ukrainischen Linien im Norden unter Druck zu setzen.

Russische Wirtschaft im Defizit – Kosten des Ukraine-Kriegs steigen

Parallel dazu wächst der Druck auf die russische Kriegsökonomie. Reuters zufolge wies der Haushalt bis August 2025 ein Defizit von 4,9 Billionen Rubel (ca. 52 Milliarden Euro) auf – ein Viertel mehr, als für das gesamte Jahr vorgesehen war. Mit rund 41 Prozent fließt der größte Teil der Ausgaben in Verteidigung und innere Sicherheit. Finanziert wird dies zunehmend durch den Staatsfonds, dessen Rücklagen aufgrund der Kosten im Ukraine-Krieg rapide schwinden.

Auch der Ölhandel gerät unter Druck. Indien und China kaufen zwar weiterhin russisches Rohöl, verlangen jedoch hohe Preisnachlässe. Westliche Sekundärsanktionen und US-Zölle verschärfen die Lage zusätzlich und lassen die Einnahmen sinken.

Kriegskosten Russlands im Überblick

Jahr Offizielle Militärausgaben (Rubel) In Euro (umgerechnet) Anteil am Staatshaushalt
2023 6,4 Billionen 70,4 Mrd. € 17 %
2024 7,7 Billionen 84,7 Mrd. € 21 %
2025 4,9 Billionen (bisher, Stand August 2025)) 53,9 Mrd. € 25 %*

*geschätzt, laut IWF-Angaben

IWF-Hilfen stabilisieren die Ukraine im Krieg gegen Russland

Die Ukraine hingegen kann sich auf internationale Unterstützung verlassen. Der Internationale Währungsfonds überwies im August einen weiteren Teil aus dem Hilfsprogramm, die zur Sicherung von Gehältern, Sozialleistungen und der Finanzstabilität eingesetzt wird. Kiew bezeichnete die Hilfen als „entscheidenden Schutzschild gegen Putins Strategie, die Ukraine wirtschaftlich zu destabilisieren“, so die Kyiv Post.

Damit soll verhindert werden, dass Russland über den Umweg ökonomischer Erschöpfung erreicht, was es militärisch bislang nicht geschafft hat. Für die ukrainische Regierung bleibt die Finanzhilfe daher ein ebenso wichtiges Sicherheitsinstrument wie westliche Waffenlieferungen.

Sicherheitsgarantien für Kiew im Ukraine-Krieg: Scheinfrieden mit Putin statt Sicherheit?

Die Warnung aus Kiew ist eindeutig: Moskaus Vorstellungen von Sicherheitsgarantien würden die Ukraine nicht schützen, sondern schwächen. Außenminister Kuleba sprach von einer „Einladung zu neuen Angriffen.“

Experten des ISW teilen diese Einschätzung in einer Analyse auf der Website des Thinktanks. Ein russisches Mitspracherecht über westliche Schutzmaßnahmen würde die Verteidigungsfähigkeit des Landes massiv einschränken und die Tür für eine Wiederholung des Jahres 2022 öffnen. Angesichts der Kämpfe bei Pokrowsk und Sumy ist klar: Jeder Kompromiss, der die ukrainische Souveränität beschneidet, bedeutet für den Kreml einen strategischen Sieg – und für die Ukraine eine existentielle Gefahr. (chnnn)

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