Temperaturen steigen, Arten verschwinden: Filmmatinee und rege Diskussion in Kempten

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Gemeinsam fürs Klima: Dr. Sarah Verweyen vom Klimabündnis Allgäu und Diplom-Biologe Dr. Michael Schneider. © Cilia Schramm

Der Klimawandel und die schwindende Artenvielfalt standen im Mittelpunkt einer Filmmatinee mit einem beklemmenden Filmbeitrag in Kempten.

Kempten – Rund 80 Interessierte verfolgten bei der Filmmatinee den Film „Everything will Change“. Der zeitkritische Streifen mit wissenschaftlichen Studien zeichnete eine düstere Zukunft in einer sterilen, zubetonierten Welt im Jahr 2054.

„Die Welt ist so schön und erhaltenswert, wir müssen zusehen, dass das so bleibt“, sagte Diplom-Biologe Dr. Michael Schneider in der anschließenden Diskussionsrunde mit dem Publikum. Auch im Allgäu beobachtet der Spezialist für Biodiversität zunehmend die Folgen von Klimawandel und Artensterben. Moderiert wurde die Matinee von Dr. Sarah Verweyen vom veranstaltenden „Zukunftsbündnis Allgäu“.

Vögel finden kein Futter für die Jungtiere wegen durcheinandergewirbelter Jahreszeiten

Schneider hat über mehrere Jahre den Einfluss des Klimawandels auf Flora, Fauna und Lebensräume in den Landkreisen Oberallgäu, Ostallgäu und Unterallgäu untersucht. Die Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt des klimatisch bedingten Durcheinanders seien deutlich – mit unabsehbaren Folgen für die Nahrungskette, an deren Ende der Mensch steht.

Der Klimawandel bringe die Jahreszeiten durcheinander und damit nicht nur den Fahrplan der Zugvögel. Vogeleltern fänden immer weniger Futter für ihren Nachwuchs: Die Entwicklung der Raupen falle zeitlich nicht mehr mit der Aufzucht der Vogelküken zusammen. Pflanzen blühten früher und fielen späten Frösten zum Opfer. Gebietsfremde Arten, Schädlinge und Krankheiten sieht der Experte als weitere Folgen des Klimawandels.

Filmmatinee des Zukunftsbündnis Allgäu: Die empfindlichen Alpen und ihre Veränderungen

„Die Alpen und ihre Lebensräume reagieren besonders empfindlich“, so Schneider weiter. In absehbarer Zeit werde es in den Alpen keine Gletscher mehr geben. Da es wärmer werde, würden sich Tiere und Pflanzen entsprechend ihrem Temperatur-Optimum in höheren Lagen ansiedeln. Dadurch wiederum würden Arten wie der bayerische Enzian verdrängt.

Die Jahresdurchschnittstemperaturen hätten sich seit 1781 bis zu 2,7 Grad Celsius im Jahr 2023 erhöht. Die Wassertemperatur beispielsweise in der Iller sei zwischen 1981 und 2023 um bis zu 3,2 Grad Celsius angestiegen. „Dies bekommt der Bachforelle nicht gut, sie wird irgendwann verschwinden“, befürchtet Schneider. Höhere Niederschläge stünden einer geschwundenen Anzahl von Frosttagen gegenüber.

Zudem gebe es seit 1910 bis zu 50 Tage weniger mit Schneebedeckung. Die Vegetationsperiode habe sich seit 1952 um 19 Tage verlängert. Von 20 untersuchten Zugvogelarten kehrten innerhalb von 45 Jahren 13 Arten durchschnittlich 13 Tage früher aus den Überwinterungsgebieten zurück.

Ist es schon zu spät oder gibt es noch Hoffnung?

„Der Kipppunkt ist schon längst überschritten“, zeigte sich eine Rednerin der Organisation „Omas for future“ pessimistisch. Was man denn noch tun könne, um den Klimawandel aufzuhalten? „Wir müssen der Gesellschaft auch Angebote machen“, sagte ein Vorstandsmitglied des Bundes Naturschutz Unterallgäu. Es brauche etwa noch mehr „Solawis“, also biologisch betriebene solidarische Landwirtschaftsbetriebe in der Region. Oder weitere regionale Mitfahr-Plattformen wie „Fahrmob.de“.

Diplom-Biologe Dr. Schneider will trotz aller Fakten nicht nur schwarzsehen: „Der Mensch hat auch seine Vorteile und das macht mir Hoffnung.“ Beispielsweise verfüge das Allgäu über offene Landschaften. Diese seien von Menschenhand geschaffen und würden zur Lebensvielfalt beitragen. „Homo sapiens“ bedeute „weiser Mensch“. Schneider: „Ich hoffe, dass wir doch noch in einen Weisheitsstrudel geraten.“ Wichtig sei in dieser Hinsicht, bereits die Kinder für die Natur zu begeistern. Denn sie seien die wichtigsten Multiplikatoren: „Was man kennt, das schätzt man. Und was man schätzt, das schützt man.“

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