Ein Dokumentarfilm, der die Zuschauer im Kemptener Kino tief berührt hat

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Brennen für eine lebenswerte Zukunft: Dr. Sarah Verweyen aus dem Allgäu und Jens Mühlhoff, einer der drei Filmemacher. © Elisabeth Brock

Kempten – „Vergiss Meyn nicht“ ist ein ganz besonderer Dokumentarfilm, eine Hommage an Steffen Meyn, der in einer Art filmischem Tagebuch die Ereignisse um den Widerstand gegen die Rodung des Hambacher Waldes einfängt.

Das Zukunftsbündnis Allgäu, ein Zusammenschluss diverser Organisationen, die sich für eine lebenswerte Zukunft engagieren, lud zu einer Matinee ein und siehe da: Es kamen viele Leute, die bereit waren, sich mit den schwierigen Fragen nach Zivilcourage, Naturausbeutung und Staatsmacht auseinanderzusetzen.

Der 27-jährige Journalist Meyn, fasziniert vom Aktivismus und angetrieben vom Glauben an eine bessere Gemeinschaft, begibt sich 2018 in den Hambacher Forst zu den jungen Leuten, die dort in Baumhäusern leben und sich der Rodung mit dem eigenen Körper entgegenstellen – dabei setzen sie ihr eigenes Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel. Der Energiekonzern RWE will das Gelände für den Braunkohleabbau nutzen. Meyn beobachtet und begleitet die Aktionen mit seiner 360-Grad-Kamera und filmt die Räumungsversuche der Polizei live aus den Wipfeln, bis es zur Tragödie kommt: Er stürzt in die Tiefe und verstirbt noch vor Ort.

Sie wollen die Welt retten

Seine Freundin Fabiana Fragale sowie seine Freunde Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff haben aus Steffens hinterlassenen Aufnahmen diesen Film geschaffen. In der Material­sammlung finden sich Interviews mit sieben Aktivistinnen und Aktivisten. Der Film lässt ihnen die Zeit, ihre Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, sowie von ihren positiven, aber auch negativen Erfahrungen in der Gemeinschaft der Widerständlerinnen und Waldbesetzer zu berichten. Sie wirken dabei oft ratlos, auch enttäuscht, von hohen Idealen beseelt und sehr reflektiert: Sie wollen nichts Geringeres, als die Welt retten.

Der Film bleibt über 100 Minuten hinweg spannend, weil er das Geschehen solidarisch, aber keineswegs unkritisch aufzeichnet.

Die Eindrücke aus dem Publikum

Die anschließende Diskussion, moderiert von Dr. Sarah Verweyen von „Health for Future“ und dem Filmemacher Jens Mühlhoff, spiegelte die Eindrücke des Publikums. „Unglaublich intensiv“ wurde der Film empfunden, „als perfekt gelungen, anstrengend, emotional berührend, kraftvoll, komplex und mutig.“ Eine Zuschauerin spürte Trauer und Wut, lobte aber den Film als absolut ehrlich, weil er „die Abgründe auf beiden Seiten“ zeige. „Am Ende ist es das kapitalistische System, das Schuld an der Naturzerstörung hat“, war eine andere Stimme überzeugt.

Ziel des Films sei es, laut Verweyen, darüber zu reden, wie wir eine bessere Gesellschaft gestalten können. Dabei solle die sachlich politische Ebene verlassen, emotional über den militanten Aktivismus informiert und um Verständnis für Menschen geworben werden, die aus einer Art Verzweiflung zu diesen Mitteln greifen.

Dass die Rodungen inzwischen gestoppt wurden, hat Steffen Meyn nicht mehr erlebt. Ein Rest des einst riesigen Hambacher Forsts mit seinen teils über 300 Jahre alten Hainbuchen und seltenen Tierarten ist bis heute erhalten.

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