Grenzüberschreitung: Faeser verurteilt Aggression gegen Grüne
„Aufgepeitschter Mob“ geht Grüne an: SPD-Ministerin Faeser springt Ampel-Kollegen bei
Bundesinnenministerin Faeser äußert sich zur Absage des Politischen Aschermittwochs der Grünen in Biberach. Indirekt kritisiert sie auch Markus Söder.
Berlin – Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die aggressiven Protestaktionen gegen die Grünen verurteilt. „Wenn eine politische Veranstaltung durch Gepöbel und Gewalt verhindert wird, wenn Polizisten angegriffen und Steine geworfen werden, dann sind Grenzen massiv überschritten“, sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie bezog sich auf die Ereignisse im baden-württembergischen Biberach, wo eine unangemeldete Demonstration gegen den Politischen Aschermittwoch der Grünen eskaliert war. Aus Sicherheitsgründen hatte die Partei deswegen ihre traditionelle Veranstaltung abgesagt.
Für Faeser ist das kein Einzelfall: Sie beklagte eine Verrohung und Vergiftung des Diskurses. Es handele sich um Grenzüberschreitungen, „wenn Demokraten als ‚Volksverräter‘ diffamiert werden, wenn ein aufgepeitschter Mob Politiker an deren Wohnort aufsucht oder wenn Regierende symbolisch an Galgen aufgehängt werden“. Vertreter anderer politischer Parteien nahm sie in diesem Zusammenhang mit in die Verantwortung und kritisierte Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für seine radikale Wortwahl, ohne ihn zu nennen.

Bundesinnenministerin Faeser kritisiert Söders Margot-Honecker-Vergleich
Söder hatte beim politischen Aschermittwoch seiner Partei in Passau gegen Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ausgeteilt: „Freiheit für die Fleißigen und nicht immer neue Auflagen, Auflagen, Auflagen“, sagte er. „Die grüne Umweltministerin Frau Lemke ist da übrigens ein Musterbeispiel – diese grüne Margot Honecker“, so der Ministerpräsident weiter. Margot Honecker, von 1963 bis 1989 Ministerin für Volksbildung in der DDR und Ehefrau des ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, war eine SED-Hardlinerin und in weiten Teilen der Bevölkerung verhasst. Laut Faeser sei ein solcher Vergleich „Gift für eine politische Kultur des Respekts, die wir dringend brauchen“.
Martin Gross, Politikwissenschaftler an der LMU München, äußerte sich gegenüber IPPEN.MEDIA ganz ähnlich. Er sagte, dass „der politische Wettbewerb durch Aussagen wie die von Markus Söder vergiftet“ werde, weil sie „zurzeit auf einen fruchtbaren Boden in gewissen, sich radikalisierenden Teilen der Gesellschaft“ fielen. Lemke selbst bezeichnete den Vergleich des CSU-Chefs in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ als „dumm“ und „infam“. Sie vermutete, Söder lebe in seiner „eigenen Welt“, die „ein großes Bierzelt“ sei. Auch das Grünen-Urgestein Jürgen Trittin sprang ihr zur Seite und schrieb auf X: „Es führt eine direkte Linie von Passau nach Biberach“.
Grünen-Politiker stoßen vielerorts auf lautstarke Abneigung
In Biberach hatten Trecker einen Misthaufen vor die Veranstaltungshalle gekippt, in der die Grünen sich treffen wollten. Ohrenbetäubendes Traktorengehupe, Pfiffe und „Hau ab!“-Sprechchöre schallten durch die Straßen, während Demonstranten kleine Feuer und Bengalos entzündeten und Steine aus dem Kopfsteinpflaster rissen. Die aggressive Stimmung gipfelte darin, dass die Scheibe eines Begleitfahrzeugs von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) eingeschlagen wurde.
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Während sich der Bauernverband ausdrücklich von der Protestaktion in Biberach distanzierte, erfuhren grüne Politiker in den vergangenen Tagen noch mehr Abneigung. Laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) verfolgte eine aufgebrachte Menge Ricarda Lang, die Bundesvorsitzende der Partei, und ihre Personenschützer in Schorndorf rund 50 Meter weit und beschimpfte sie. Die Polizei musste eingreifen.
Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) stellten sich am Donnerstag dann sogar zweimal wütende Protestanten entgegen. Zunächst wollten etwa 50 Personen ihm mit Traktoren den Zugang zu einer Nougatfabrik im thüringischen Floh-Seligenthal verwehren. Er war allerdings schon im Werk. Am selben Tag pfiffen ihn etwa 350 Teilnehmer einer vom Bayerischen Bauernverband organisierten Protestaktion in Nürnberg aus und skandierten „Hau ab!“. Eigentlich war Habeck vor Ort, um sich in einem Bürgerdialog der Zeitung Nürnberger Nachrichten den Fragen der Menschen zu stellen. (Michael Kister)